Große Überraschungen im Sport:Gegen alle Wahrscheinlichkeiten

Das Schöne am Sport ist, dass die Menschen vorher nicht wissen, wie es ausgeht. Von einem untrainierten Boxer, der den bösen Mike Tyson schlägt, von einer kleinen Insel, die Österreich blamiert - und vom Amateurklub TSV Vestenbergsgreuth, der den FC Bayern besiegt. Die großen Überraschungen der Sportgeschichte.

Es folgt die Aufstellung der griechischen Nationalmannschaft: Im Tor Antonios Nikopolidis, in der Abwehr Georgios Seitaridis, Traianos Dellas, Michalis Kapsis und Panagiotis Fyssas, im Mittelfeld Theodoros Zagorakis, Kostas Katsouranis, Angelos Basinas und Stylianos Giannakopoulos, im Sturm Angelos Charisteas und Zisis Vryzas.

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Beherrschte 2004 neben vielen Kniffen auch den Jubelsprung: Otto Rehhagel.

(Foto: AFP)

Ja, tatsächlich, mit dieser Ansammlung an nahezu unbekannten und mäßig begabten, jedoch vor allem betagten Fußballern wurde Otto Rehhagel 2004 in Portugal Europameister. Der deutsche Trainer hat die Welt schon viele wundersame Dinge gelehrt: Zum Beispiel, wie man mit einem Aufsteiger deutscher Meister wird. Oder wie man auf einem abgeknickten Finger pfeift. Nun also: Wie man mit einer Nationalelf, die ausschließlich Ecken treten und Kopfbälle kann, trotz antiquierter Fußballtaktik den EM-Titel holt.

Schon in der EM-Vorrunde hatten die Griechen verblüfft. Zum Auftakt schlugen sie Gastgeber Portugal und wurden Gruppenzweiter. Es folgte die minimalistischste Hauptrunde, die je eine Nation gespielt hatte: 1:0 im Viertelfinale gegen Frankreich, 1:0 im Halbfinale gegen Tschechien, 1:0 im Finale erneut gegen Portugal. Den goldenen Treffer erzielte der damalige Bremer Angelos Charisteas. Natürlich per Kopfball, natürlich nach einer Ecke.

Während ganz Fußball-Europa an seiner Kultur zweifelte, erklärte Rehhagel mit großer Geste die Fußball-Welt: "Die Griechen haben die Demokratie erfunden. Ich habe die demokratische Diktatur eingeführt", sagte er damals. Oder auch: "Modern spielt, wer gewinnt." Oder: "Bislang macht jeder, was er wollte. Jetzt macht jeder, was er kann."

Die Fußballgroßmächte schworen sich indes: So etwas wie 2004 darf nie wieder passieren. Bis heute hat es geklappt. (ebc)

Tyson verliert gegen Douglas

Es waren skurrile Bilder, die da um die Welt gingen an diesem 11. Februar 1990. Mike Tyson, der Eiserne, der Unbesiegbare, der nach eigenem Dafürhalten "böseste Mensch auf dem Planeten", dieser Mike Tyson krabbelte im Ringstaub und suchte nach seinem Mundschutz, so wie ein kleines Kind nachts im Bett nach seinem Schnuller tastet. James Douglas, genannt "Buster", hatte Tyson in der zehnten Runde mit einer schönen Kombination niedergeschlagen.

Mike Tyson verliert gegen Buster Douglas.

Am Boden: Mike Tyson (rechts) gegen Buster Douglas.

(Foto: imago sportfotodienst)

"Normalerweise versucht ein Boxer, nach einem Niederschlag aufzustehen, um den Mundschutz kümmert man sich später", sollte Douglas später sagen: "Als ich sah, dass Mike nach seinem Schutz fischt, da wusste ich: Er hat Probleme." Und tatsächlich: Tyson stand nicht rechtzeitig auf. Er verlor. Zum ersten Mal in seiner Profikarriere.

An diesem Abend in Tokio begann der Abstieg des damals erst 23-jährigen Tyson: Gefängnisaufenthalt wegen Vergewaltigung, K.-o.-Niederlage und Ohrbiss-Skandal bei den Kämpfen gegen Evander Holyfield, vernichtende Niederlage gegen Lennox Lewis, Insolvenz trotz mehr als 300 Millionen Dollar Verdienst während der Karriere. Erst 2010 durfte er ein schönes Comeback feiern mit einem herrlich selbstironischen Auftritt im Film "The Hangover".

Und Douglas? Der verlor den Titel sogleich an Holyfield, blähte sich selbst auf 180 Kilo auf und fiel in ein diabetisches Koma. Mittlerweile hat er abgespeckt und betreibt ein Baugeschäft in seiner Heimatstadt. "Ich habe meine Marke hinterlassen", sagt er. Nur dass sich die Menschen weniger an ihn erinnern als vielmehr an Mike Tyson, wie er wie ein kleines Kind durch den Ring krabbelt. (jüsc)

Chang gewinnt die French Open

Michael Chang und Stefan Edberg.

Das Finale der French Open 1989: Michael Chang (links) gegen Stefan Edberg.

Ivan Lendl konnte es einfach nicht glauben: Bei eigenem Aufschlag hatte er zwei Matchbälle gegen sich und sein Gegner - ein 17-Jähriger Emporkömmling aus den USA - stand bei seinem zweiten Service fast an der T-Linie. Der Weltranglistenerste blickte verwirrt zum Stuhlschiedsrichter, schüttelte den Kopf, schlug auf und traf die Netzkante. Von dort sprang der Ball ins Aus.

Michael Chang sank zu Boden, er hatte den großen Ivan Lendl im Achtelfinale der French Open 1989 geschlagen - nach fast fünf Stunden Spielzeit! Lendl war so frustriert, dass er dem völlig schuldlosen Schiedsrichter sogar den Handschlag verweigerte.

Vorausgegangen war die größte Demütigung in der Karriere des Tschechen: Der kleine Chang, Sohn taiwanischer Einwanderer, mit den strammen Oberschenkeln kämpfte sich nach 0:2-Satzrückstand bis in den fünften Durchgang. Dort hatte er Schmerzen, wurde von Krämpfen geplagt und verschleppte das Spiel, wo er nur konnte: Mondbälle, lange Trink- und Bananenpausen und dann auf einmal wieder knallharte Grundlinienschläge oder fantastische Stopps.

Die Zuschauer quittierten es mit einer Mischung aus erstaunten "Ooohs", vereinzelten Pfiffen und Jubel. Der Favorit ließ sich provozieren, brachte seinen eigenen Aufschlag nicht mehr durch und hatte auch große Probleme mit dem zum Einwurf verkommenen Service seines Gegners. Beim Stand von 4:3 für Chang schlug dieser sogar einmal von unten auf: Der dreimalige French-Open-Sieger kam mit einem halbherzigen Angriff nach vorne, Chang passierte ihn wie einen Schuljungen. Der Satz endete 6:3.

Nach dem Spiel sagte Lendl: "Ich sah die Mücke da drüben, konnte sie aber nicht totmachen." Chang bewies, dass sein Triumph keine Eintagsfliege war: Er schlug Agenor und Chesnokow und im Endspiel schließlich Stefan Edberg, der im Halbfinale gegen Boris Becker gewann. Mit seinem Turniersieg stahl Chang Becker auch einen bis heute gültigen Rekord: Er ist der jüngste Tennisspieler, der ein Grand-Slam-Turnier gewann - es blieb sein einziges. (mane)

Boris Becker traurig in Wimbledon

Boris Becker verliert in Wimbledon gegen Peter Doohan

Boris Becker jammert, am Ende verliert er in Wimbledon gegen Peter Doohan.

(Foto: imago sportfotodienst)

Boris Becker war konsterniert. Gerade hatte der bis dahin auf dem heiligen Rasen von Wimbledon als unschlagbar geltende Leimener in der zweiten Runde des Turniers gegen den ungesetzten Australier Peter Doohan verloren, also stammelte er nur: "Ich glaube, ich bin ein besserer Tennisspieler als er!"

Becker war 1987 als Favorit nach London gereist. Zuvor hatte der 19-Jährige durch einen Sieg in Queens seine Vormachtstellung auf Rasen untermauert - unter anderem durch einen lockeren Sieg gegen Doohan.

Auf dem Court No. 1 an der Church Road - der auch wegen Beckers Niederlage später den Beinamen "Friedhof der Stars" bekam - war dann alles anders. Doohan machte kaum Fehler, Becker fluchte. Der Schiedsrichter entschied in einigen engen Situationen für den Australier, Becker fluchte noch mehr - und ging nach vier Sätzen als Verlierer vom Platz.

Später ordnete Becker das Geschehene folgendermaßen ein: "Ich habe keinen Krieg verloren und niemand ist gestorben. Das war nur ein Tennismatch." Zwei Jahre später gewann Becker doch noch seinen dritten Titel in Wimbledon. Er musste aber auch nicht gegen Doohan spielen. (mkoh)

FC Bayern gegen Vestenbergsgreuth

DFB-Pokal FC Bayern Vestenbergsgreuth

Die Überraschung: Vestenbergsgreuth gewinnt im DFB-Pokal durch einen Treffer von Roland Stein (jubelnd) gegen den FC Bayern.

(Foto: imago sportfotodienst)

Über den Fußballer Harry Koch ist zu sagen, dass er stets die Haare schön hatte. So schön, dass er jahrelang in der Bundesliga ein echter Hingucker war. Der Abwehrspieler trug eine Art Extended-Version der eigentlich längst ausgestorbenen Minipli-Frisur - eine Rockermatte mit Reihenhaus-Anleihen. Das war zu seiner Zeit beim 1. FC Kaiserslautern, doch wie kam Koch überhaupt dorthin?

Seine Karriere kam im Wesentlichen durch eine legendären Partie ins Rollen - es war das vielleicht peinlichste Spiel des FC Bayern in den vergangenen 20 Jahren: Im August 1994 trafen die Münchner mit ihrem Trainer Giovanni Trapattoni im DFB-Pokal auf einen Klub, dessen Name fortan für den gerne zitierten "Pokalschreck" stehen sollte: den TSV Vestenbergsgreuth.

Elf Amateure aus Franken forderten im Nürnberger Bundesliga-Stadion Millionäre wie Jean-Pierre Papin, Lothar Matthäus oder Oliver Kahn heraus. Und dann das: Die Bayern spielten pomadig, uninspiriert und waren verblüfft, als Roland Stein in der 43. Minute zum 1:0 für den krassen Außenseiter traf.

Es blieb bei diesem unglaublichen Ergebnis und der Rekordmeister war aufs übelste blamiert. Der freundliche Lockenmann hatte auf sich aufmerksam gemacht - wer Papin oder Adolfo Valencia stoppt, muss schließlich gut genug für die Bundesliga sein. "Etwas Unglaubliches ist passiert", soll der Präsident von Vestenbergsgreuth wenige Wochen später in der Kabine zur Mannschaft gesagt haben, "unser Harry Koch wird Profi, unser Harry Koch darf zum 1. FC Kaiserslautern." Das passierte dann auch. Ein Wunder eigentlich, dass er nicht bei den Bayern landete. (jbe)

Der Kran von Schifferstadt

Wilfried Dietrich besiegt Chris Taylor.

Der Kran von Schifferstadt bei der Arbeit: Wilfried Dietrich (blau) besiegt Chris Taylor.

Überraschungen drücken sich nicht immer nur in Ergebnissen aus. Manchmal reicht im Sport ein einziger Augenblick, eine einzige Szene, die so außerweltlich erscheint, dass sie sich für immer ins kollektive Gedächtnis der Sportnation einbrennt. Auch der so schwer vermarktbare, irgendwie antik anmutende Sport Ringen hat der Sportgeschichte eine Szene für die Ewigkeit geschenkt.

Es geschah bei den Olympischen Spielen 1972 in München: Wilfried Dietrich kämpfte gegen den Amerikaner Chris Taylor, zweite Runde im Superschwergewicht, griechisch-römischer Stil. Im Vergleich zu dem Vier-Zentner-Hünen Taylor wirkte Dietrich, immerhin Olympiasieger von 1960, beinahe schmächtig.

Doch Dietrich bewies, dass er nicht umsonst der "Kran von Schifferstadt" genannt wurde. Der Kampf war erst wenige Sekunden alt, da fasste er seinen Gegner an der Taille und hob ihn in die Luft, immer höher, Dietrich ging ins Hohlkreuz, Taylor lag hilflos auf seiner Brust. Der Deutsche ließ sich nach hinten fallen - und stürzte den Koloss über seinen Kopf auf die Schultern.

Wilfried Dietrich gewann in München keine Medaille, aber das Bild dieses so überraschenden Untergriff-Wurfs ist zur Ikone geworden, als wäre der Moment inszeniert worden, um eine David-gegen-Goliath-Geschichte zu bebildern: Auf den Zehenspitzen, mit weit aufgerissenen Augen, balanciert Dietrich seinen 200-Kilo-Gegner auf dem Bauch - und die Gesetze der Physik schienen für einen Augenblick außer Kraft gesetzt. (segi)

Österreich verliert gegen Faröer

Jens Martin Knudsen, ehemaliger Torwart der Färöer.

Sein Markenzeichen war die Mütze: Jens Martin Knudsen (links), ehemaliger Torwart der Färöer.

(Foto: imago sportfotodienst)

Wer sich in Österreich für Fußball interessiert, muss mit Humor gesegnet sein, sonst hält er die ganz(en) schlimmen Pleiten nicht aus. Dass es davon einige gibt, gehört zur Fußballfolklore der Österreicher wie der Schlagobers zum Apfelstrudel. Aber von vorne: Vor 20 Jahren traf Österreich in der EM-Qualifikation auf die Auswahl aus Färöer - elf Hobbykicker mit Berufen wie Schafhirte, Eisverkäufer oder Lebertranfabrikant. Für die Männer aus dem Nordsee-Archipel war die Partie ein besonderes Erlebnis, aus Mangel an Rasenplätzen in der kargen Heimat wurde im schwedischen Landskrona gespielt.

1200 Zuschauer waren gekommen, um zu frieren - viele Färinger sogar extra mit dem Flugzeug. Österreich trat mit Toni Polster und Andreas Herzog an, beim Gegner gab Torhüter Jens Martin Knudsen die schillerndste Figur: Hauptberuflich Fischtransporter, war er nebenbei auch dreifacher Landesmeister im Turnen und, ja wirklich, Torwart der Handball-Nationalmannschaft.

In der 62.Minute passierte dann Sensationelles: Färöer-Stürmer Torkil Nielsen, ein Holzhändler, umkurvte die Abwehrspieler Pecl und Streiter und zimmerte den Ball flach ins Tor. Der Siegtreffer bewirkte eine Ektase, wie sie die Inselbewohner vermutlich nicht einmal beim traditionellen Grogtrinken an den Tag legen: Der einheimische TV-Kommentator brüllte so laut ins Mikrofon, dass man annehmen musste, er habe in der tosenden Nordsee Schiffbruch erlitten.

Fassungslos trat ÖFB-Trainer Josef Hickersberger sofort nach Spielende zurück. Es spricht für die Österreicher, dass sie ihn seit dieser monumentalen Peinlichkeit liebevoll "Färöer-Peppi" nennen. (jbe)

Sowjetunion besiegt USA im Basketball-Finale.

Überraschung in der Rudi-Sedlmayer-Halle: Die Sowjetunion besiegt die USA im Basketball-Finale der Olympischen Spiele 1972.

(Foto: imago sportfotodienst)

Die US-Basketballer unterliegen der Sowjetunion

Dass Basketball einst von dem Kanadier James Naismith erfunden wurde, hält die Amerikaner nicht davon ab, den Sport seit jeher als ihr nationales Heiligtum zu betrachten. So galt die Goldmedaille bei Olympischen Spielen schon vor den diversen Dream Teams als fest eingeplant - doch 1972 kam in München alles anders: Im Finale war der Gegner mitten in der Hochphase des Kalten Krieges die russische Auswahl.

In der stickigen Rudi-Sedlmayer-Halle entwickelte sich ein nervenzehrender Kampf, den sich die Amerikaner gewiss nicht so erwartet hatten: Kurz vor Schluss traf Doug Collins zwei Freiwürfe zur 50:49-Führung, endlich schienen die tapferen Sowjets besiegt. Nach einem schnellen Einwurf der UdSSR unterbrachen die Schiedsrichter die Begegnung und korrigierten die verbleibende Spielzeit auf drei Sekunden. Wieder schleuderte ein Spieler der Sbornaja die Kugel weit nach vorne, im Korb landete der Ball jedoch nicht - die USA wähnten sich jubelnd als Olympiasieger.

Doch weit gefehlt: Weil die Spieluhr die verbleibenden Sekunden nicht richtig angezeigt hatte, ließen die Referees die letzte Szene erneut wiederholen.

Fassungslos begaben sich die US-Akteure ein weiteres Mal aufs Parkett, wo Sekunden darauf wieder ein weiter Ball über das Spielfeld segelte - diesmal krallte sich der Russe Alexander Below das Spielgerät und erzielte aus dem Gewühl das 51:50. Im dritten Versuch hatten es die Sowjets geschafft, den amerikanischen Favoriten zu besiegen.

Aus Protest gegen die vermeintliche Ungerechtigkeit verweigerten die Amerikaner bei der Siegerehrung die Silbermedaille - das gefühlte Mutterland des Basketballs glaubt bis heute, mächtig verschaukelt worden zu sein. (jbe)

Fritz Walter

Das "Wunder von Bern": Die deutsche Elf gewinnt in der Schweiz die Fußball-WM. Danach wird Kapitän Fritz Walter auf Schultern getragen.

(Foto: dpa)

Das "Wunder von Bern"

"Schäfer, nach innen geflankt, Kopfball, abgewehrt, aus dem Hintergrund müsste Rahn schießen, Rahn schießt! Tor! Tor! Tor! Tor!" Das Siegtor zum 3:2 im Weltmeisterschaftsfinale gegen Ungarn von ebenjenem Helmut Rahn und die sich überschlagende Stimme von Rundfunkreporter Herbert Zimmermann gehört zu den wertvollsten Überlieferungen der deutschen Sportgeschichte.

Man muss kein Zeitzeuge sein, nein, man muss nicht mal Fußballfan sein, um diese Geschichte zu kennen. Die deutsche Fußballnationalmannschaft fuhr als Außenseiter in die Schweiz. Die Favoriten kamen aus Uruguay oder Ungarn. Gegen Letztere verloren die Deutschen ihr Vorrundenspiel auch erwartungsgemäß mit 3:8.

So kam es zum zweiten deutsch-ungarischen Duell des Turniers - und selbst die Bezeichnung "Außenseiter" wäre noch schmeichelhaft gewesen für die kampfstarke, aber spielerisch hoffnungslos unterlegene deutsche Mannschaft. Die Favoriten begannen stark und gingen früh mit 2:0 in Führung. Max Morlock und Helmut Rahn glichen aber noch vor der Pause aus.

Die allermeisten Deutschen lauschten dann der Stimme von Herbert Zimmermann, als dieser in der 84. Minute einen Ballverlust von Boszik gegen Schäfer auf der linken Außenbahn verkündete. Die ungarische Abwehr konnte die anschließende Flanke von Schäfer nicht entscheidend klären. Helmut Rahn kam 16 Meter vor dem Tor an den Ball, musste schießen und tat dies bekanntlich auch. Das sogenannte "Wunder von Bern" wurde später mit viel Pathos belegt.

Wie wichtig dieser Erfolg für das kriegsgebeutelte Deutschland war, zeigt aber vielleicht am ehesten das Fazit von Bundestrainer Sepp Herberger. Der Fußballphilosoph war sonst bekannt für solch unumstößliche Weisheiten wie "Der Ball ist rund" oder "nach dem Spiel ist vor dem Spiel". In der rückblickenden Beurteilung der Weltmeisterschaft 1954 ließ er sich aber zu den Worten hinreißen: "Ich bin kein Patriot, aber seien wir ehrlich: Bis dahin nahm kaum einer ein Stück Brot von uns. Nun waren wir wenigstens im Fußball wieder wer. Das wirkte über den Sport hinaus." (rom)

Die DDR besiegt die BRD

Ein Raunen ging durch den Sendesaal des hessischen Rundfunks in Frankfurt, als der Berliner Sängerknabe Detlef Lange die Deutsche Demokratische Republik (DDR) in Gruppe 1 loste. Den Kopf dieser Gruppe bildete bereits die Bundesrepublik Deutschland (BRD). Eine politisch brisantere Konstellation wäre in der Vorrunde der Weltmeisterschaft 1974 nicht möglich gewesen.

Es ist schließlich nicht Detlef Lange, sondern ein gewisser Jürgen Sparwasser, der das erste und einzige Duell der beiden deutschen A-Nationalmannschaften am 22. Juni 1974 entscheidet. In der 78. Minute läuft Erich Hamann beim Stand von 0:0 mit dem Ball über die Mittellinie.

Dass sein Diagonalpass über 40 Meter tatsächlich ankommt, überrascht auch Sparwasser, der verfolgt von drei Gegenspielern in den Strafraum startet. Mit der Nase nimmt er den Ball mit, verzögert kurz, und schießt den Ball aus fünf Metern ins Tor - über Sepp Maier, Bernd Cullmann und Horst-Dieter Höttges hinweg, die alle drei bereits im Fünfmeterraum rumliegen.

"Was ich danach gemacht habe, kann ich mir bis heute nicht erklären: Ich habe einen Purzelbaum geschlagen. So etwas habe ich nie zuvor und nie danach in meiner Laufbahn getan", sagte Sparwasser später. 1988 floh der Held von '74 übrigens in die BRD, da spielte er aber schon lange nicht mehr Fußball. Für die Auswahl der Bundesrepublik nahm das Turnier bekanntlich auch kein schlechtes Ende: Die Niederlage gegen den Erzrivalen war ein Wendepunkt im Turnier - zwei Wochen später gewann die Mannschaft von Bundestrainer Helmut Schön das WM-Finale im Münchner Olympiastadion mit 2:1 gegen die Niederlande.

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