Antoine Griezmann:Wenn Fußballer theatralisch grübeln

Antoine Griezmann: Antoine Griezmann hat gut Lachen - bei Barcelona dürfte die Laune etwas schlechter sein.

Antoine Griezmann hat gut Lachen - bei Barcelona dürfte die Laune etwas schlechter sein.

(Foto: AFP)
  • Antoine Griezmann bleibt doch bei Atlético Madrid und geht nicht zum FC Barcelona.
  • Dies verkündete der Franzose in einer halbstündigen, überdramatisch inszenierten TV-Dokumentation.
  • Das Treuebekenntnis lässt sich Griezmann vergolden, satte 26 Millionen jährlich soll der Stürmer von nun bei Atlético kassieren.

Von Javier Cáceres, Sotschi

Vor ein paar Wochen, als Atlético Madrid die Europa League gewonnen hatte, konnte man erstmals sehen, dass sich bei Antoine Griezmann doch noch etwas getan hatte. Beim feierlichen Empfang im Rathaus von Madrid sprach Vereinspräsident Enrique Cerezo, und die Kameras fingen ein, wie Griezmann sich wand, als Cerezo auf ein Ereignis im Mai 2019 zu sprechen kam. Dann nämlich wird das Finale der Champions League im neuen Atlético-Stadion ausgetragen, und die ganze Körpersprache Griezmanns schien zu sagen, dass er dann unbedingt dabei sein will, um Atlético zum ersten Champions-League-Titel überhaupt zu verhelfen. Dass Griezmann so genau beäugt wurde, hatte damit zu tun, dass der FC Barcelona intensiv um seine Dienste buhlte. Seit Donnerstagabend steht fest: vergeblich. Griezmann kündigte an, bei Atlético zu bleiben, zu erheblich verbesserten Bezügen.

Die Art und Weise, wie Griezmann seine Entscheidung verkündete, war bemerkenswert. Nicht so sehr, weil er damit bis kurz vor Frankreichs WM-Start an diesem Samstag in Kasan gegen Australien wartete. Sondern weil er es in einer TV-Dokumentation tat, die unter dem Titel "La Decisión" so sehr vor Melancholie, Nachdenklichkeit, Selbstverliebtheit und unfreiwilliger Komik triefte, dass sie umgehend Hohn und Spott hervorrief - und auch Griezmanns Nationalmannschaftskameraden amüsierte: "Wir haben viel gelacht", sagte Frankreichs Torwart Hugo Lloris.

Griezmann vertraut auf Simeone und eine stärkere Mannschaft

Die wahrlich quälende Frage, ob er nun lieber jährlich 23 Millionen Euro beim FC Barcelona oder 26 Millionen Euro bei Atlético verdienen will (jeweils netto), war garniert von Filmsequenzen, in denen ihm mal die Stewardess eines Privatjets den Regenschirm hielt, Griezmann im Schöner-wohnen-Ambiente telefonierte, oder Boule spielte. Und natürlich durfte eine einminütige Szene nicht fehlen, in der er über seine Zukunft intensiver zu grübeln schien als weiland Albert Camus über das Schicksal des Sisyphos.

Am Ende des halbstündigen Films - einer Art Remake eines ähnlichen Werks über den NBA-Basketballer LeBron James von 2010 - löste Griezmann das Rätsel auf: "Ich bleibe", sprach der Franzose.

Einen der Gründe trug die Ehefrau bei einer der Beratungen vor: "Hier kannst du in die Geschichte eingehen. Dort (in Barcelona, Anm. d. Red. ) wirst du einer unter vielen sein." Entscheidend war, dass ihm Atlético-Trainer Diego Simeone versicherte, der Klub werde alles tun, um die Mannschaft so zu verstärken, dass der wichtigste Titel des europäischen Vereinsfußballs in die Atlético-Vitrinen gestellt werden kann. Das sehnt man allein schon deshalb herbei, weil der große Nachbar Real Madrid schon dreizehn Henkeltöpfe abschleppte, zuletzt drei in Serie - 2014 und 2016 nach Finalsiegen gegen Atlético.

Barcelona fällt aus allen Wolken - wer kommt jetzt?

In Barcelona fielen sie wegen des Entscheidungsvideos von Griezmann aus allen Wolken. Bis in die vergangene Woche hinein hatten Funktionäre des FC Barcelona den Medien vertraulich versichert, dass man sich nicht sorgen müsse: Griezmann werde kommen, der Transfer sei in trockenen Tüchern, die Zusage endgültig und unwiderruflich. Für den spanischen Meister wäre der Transfer ein Schnäppchen gewesen: Die Ablöse für Griezmann war auf 100 Millionen Euro festgelegt, was gemessen an der Qualität des 27-Jährigen sowie den derzeit explodierenden Marktpreisen als günstig beurteilt werden kann. Für Barcelona war der Film in diverser Hinsicht peinlich. Öffentlich hatte man bis zuletzt versichert, dass man mit Griezmann bisher gar nicht verhandelt hatte - weil Griezmann bei Atlético angestellt ist, wäre das widerrechtlich gewesen.

Es war vermutet worden, dass es sehr wohl Verhandlungen gab; nicht umsonst schwärzte Atlético den FC Barcelona beim Weltverband Fifa an. Nun ist das durch den Film belegt. Darüber hinaus wurde die Doku, von einem Pay-TV-Kanal zur besten Sendezeit ausgestrahlt, von einer Firma produziert, die einem Angestellten der Katalanen gehört: Spaniens Nationalverteidiger Gerard Piqué. Er war, mit anderen Worten, seit Tagen und Wochen bis ins Detail in die Gedanken Griezmanns eingeweiht, ohne ein Sterbenswort zu sagen. Das erinnerte daran, dass Piqué vor knapp einem Jahr auch für sich behielt, dass Neymar zu Paris Saint-Germain gehen würde - und stattdessen ein Bild mit einem letztlich falschen Kommentar ("Er bleibt") in seine sozialen Netzwerke stellte. Die Verärgerung über Piqué im Klub ist so groß, dass er sein Amt als einer der Kapitäne der ersten Mannschaft verlieren könnte.

Barcelona muss sich nun zudem anderweitig nach einem Spieler vom Talent Griezmanns umschauen; die Vereinslegende Andrés Iniesta, die nach Japan abwandert, muss ersetzt werden. Das könnte dem FC-Bayern-Profi und Barça-Eigengewächs Thiago neue Möglichkeiten eröffnen. Angeblich würde er gern zurückkehren. Aber: Barcelonas Klubführung steht dem skeptisch gegenüber, aus prinzipiellen Erwägungen holt man keine Spieler zurück, die Barcelona mal die kalte Schulter zeigten. So will man den Nachwuchsspielern deutlich machen, dass man Barcelona nicht ohne Konsequenzen verlässt. Gegen einen Wechsel von Thiago spricht auch, dass Robert Fernández als Sportmanager durch den ehemaligen Profi Eric Abidal ersetzt wurde. Und Fernández galt als wichtigster Fürsprecher Thiagos im Klub.

Und die Alternativen? Ilkay Gündogan (ManCity) wurde von Bild ins Spiel gebracht, doch weil ihn Trainer Pep Guardiola schätzt, dürfte ein Wechsel nicht zur Debatte stehen. Ernster ist wohl das Interesse am Dänen Christian Eriksen, doch dessen aktueller Arbeitgeber Tottenham Hotspur gilt als extrem zäher Verhandlungspartner. Und wenn Eriksen eine gute WM spielen sollte, dürfte er noch teurer werden. Teurer als Griezmann allemal.

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