Granit Xhaka:Xhaka hat keine Angst

Granit Xhaka: Granit Xhaka: Kann mehr als nur Grätschen

Granit Xhaka: Kann mehr als nur Grätschen

(Foto: Martin Meissner/AP)

28 Mal Gelb, vier Mal Gelb-Rot in dreieinhalb Jahren: Gladbachs Granit Xhaka macht seinen Gegenspielern das Leben schwer - jetzt auch dem FC Bayern.

Von Ulrich Hartmann, Mönchengladbach

Die Angst ist keine sehr populäre Empfindung. Im schlimmsten Fall kann sie lähmen. Im besten Fall aber schärft sie die Sinne - dann sorgt sie für die richtige Balance zwischen Mut und Vorsicht, auch auf dem Fußballplatz.

Granit Xhaka wirkt bei der Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit nicht gerade gehemmt. Die auf aggressive Lauer ausgelegte Pressing-Taktik seiner Mannschaft Borussia Mönchengladbach erfordert die schnelle Attacke gegen jeden ballführenden Kontrahenten. Man sollte dann besser den Ball erwischen als den Gegner. Der Mittelfeldspieler Xhaka erwischt häufiger auch mal nicht den Ball.

In 92 Bundesligaspielen für Gladbach hat der Schweizer bereits 28 gelbe Karten erhalten, vier gelb-rote. Er hat binnen dreieinhalb Jahren sieben Sperren abgesessen. Sollte er am Samstag gegen den FC Bayern seine fünfte gelbe Karte in dieser Saison bekommen, dann sitzt er eine Woche später in Leverkusen schon die dritte Strafe seit August ab. Um seine ungestüme Ader ein bisschen zu verstehen, hilft vielleicht eine gut vier Jahre alte Selbsterkenntnis. Xhaka war 18, als er der NZZ sagte: "Ich bin der Typ, der überhaupt keine Angst hat."

Referenzen wie ein 30-Jähriger

Begegnet man dem gebürtigen Baseler Xhaka, einem Sohn kosovo-albanischer Eltern, dann kann man schwer glauben, dass er erst 23 Jahre alt ist. Er versprüht ein Selbstbewusstsein, das Stefan Effenberg anerkennend nicken ließe. Xhaka war mit 17 Jahren U17-Weltmeister mit der Schweiz, mit 18 Meister mit dem FC Basel, mit 19 Meister und Pokalsieger. Dann wechselte er im Sommer 2012 nach Gladbach.

Die Borussia bezahlte damals etwa 8,5 Millionen Euro für ihn - die höchste Summe, die der Traditionsklub bis dahin je für einen Fußballer ausgegeben hat. Mit 21 spielte Xhaka für die Schweiz bei der WM in Brasilien, mit 23 wurde er kürzlich vom neuen Gladbacher Trainer André Schubert zum Kapitän ernannt. Xhaka besitzt mit seinen 23 Jahren die fußballerischen Referenzen eines 30-Jährigen.

Und schon aus diesen Referenzen wird ersichtlich, dass man den Schweizer keinesfalls auf seine vielen Fouls und gelben Karten reduzieren darf. Xhaka ist auf der Position des sogenannten Sechsers für Verteidigung und Spielaufbau zuständig, für das Umschalten aus dem Pressing in die Offensive. Laufbereitschaft, Gegner-Attacke, Ballvortrag, Passsicherheit und der Fernschuss (laut eigener Aussage: "linke Klebe") prägen seine Auftritte. In der jüngsten Erfolgsserie unter Schubert (neun Bundesligaspiele, sieben Siege, zwei Remis) hat Xhaka noch einmal einen Leistungsschub nachgewiesen.

Interesse von FC Liverpool und FC Arsenal

Obwohl er seine ungestüme Art bei der Gegner-Attacke bislang kaum ablegen konnte, obwohl er seinen Vertrag bereits bis 2019 verlängert hat und laut Brancheninsidern eine Ausstiegsklausel über 30 Millionen Euro erst ab 2017 greift, sollen die britischen Topklubs FC Liverpool und FC Arsenal akutes Interesse an ihm haben. Xhaka suggeriert zur Beruhigung der Gladbacher Fans großes Wohlbefinden am Niederrhein. Doch von seinen in England schaffenden Schweizer Nationalteamkollegen Xherdan Shaqiri, Gökhan Inler, Valon Behrami und Philippe Senderos wird er längst wissen, dass sich in der Premier League ein Vielfaches verdienen lässt.

Mehr Landsleute allerdings hat Xhaka hierzulande um sich. Mit 21 Schweizern in elf Klubs stellen die Eidgenossen das größte Kontingent ausländischer Spieler in der Bundesliga. In Xhaka, Yann Sommer, Josip Drmic und Nico Elvedi spielen alleine vier in Gladbach. Dass Xhaka trotzdem eines Tages aus Gladbach fortgehen wird, gilt als sicher.

Keine Mauer-Taktik gegen die Bayern

Er ist der angehende Spielmacher der Schweizer Nationalelf und laut Statistik einer der besten defensiven Mittelfeldspieler der Liga. Die Kapitänsbinde in Gladbach habe ihn erwachsener werden lassen, sagt Xhaka ernst, sogar seinen Eltern sei das aufgefallen. Auf dem Platz trägt er den Kopf jetzt noch ein bisschen höher, die Brust noch ein wenig weiter heraus. Er zelebriert das, was man in der Branche "Präsenz" nennt.

Am Samstag bekommen die Gladbacher es nun also mit dem FC Bayern zu tun. "Wir werden nicht mit zehn Mann am eigenen Strafraum stehen", kündigt Xhaka selbstbewusst an. Und am Dienstag bestreiten die Gladbacher dann ihr letztes Champions-League-Spiel bei Manchester City und hoffen, dass sie danach Gruppendritter sind und in der Europa League weiterspielen dürfen. Deren Finale findet am 18. Mai 2016 im St.-Jakob-Park in Basel statt.

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