Grand Prix von Österreich:Trauerspielberg

F1 Grand Prix of Austria - Practice

Wolkenverhangen: Max Verstappen auf einer Testrunde in Spielberg.

(Foto: Dan Istitene/Getty Images)

Der Zuschauer-Rückgang seit dem Comeback der Renn-Serie in Österreich ist dramatisch. Wer fährt da in die Krise - die Formel 1, die Veranstalter oder etwa das Land?

Von Elmar Brümmer, Spielberg

Es gibt Fragen, die stellt man in der Steiermark besser nicht. Nein, nicht die nach privaten Details aus dem Leben von Dietrich Mateschitz, der das Bundesland befreit hat von seinem Schattendasein, und dessen Dosenimperium auch die Formel 1 die Rückkehr des Großen Preises von Österreich zu verdanken hat. Die Frage, die sich jeder stellt im breiten Tal der Mur, wird offiziell nicht beantwortet: mit wie vielen Zuschauern denn am Rennsonntag wirklich zu rechnen ist. Gerechnet wird nur über drei Tage hinweg - damit will man in diesem Jahr auf 85 000 Besucher kommen. Das klingt ganz ordentlich. Allerdings nicht, wenn man das Comeback-Jahr 2014 als Maßstab nimmt. Damals kamen 225 000 Zuschauer über vier Tage, und beim Rennen war die Arena mit 95 000 Plätzen ausverkauft. Im vergangenen Jahr hatte sich die Gesamtzahl halbiert, 55 000 kamen zum Grand Prix. In diesem Jahr befürchten Pessimisten einen Rückgang auf 40 000 Fans. Einige Tribünen sind schon abgehängt, damit es nicht zu sehr nach Trauerspielberg aussieht. Wer fährt da in die Krise - die Formel 1, die Veranstalter, oder doch nicht etwa Österreich?

Der Red-Bull-Ring ist eine perfekte Rennstrecke, zumindest aus Zuschauersicht. State of the Art. Dagegen wirken Pisten wie Spa, Monza oder der Nürburgring beinahe schäbig. Es stimmt also alles, vom Ökobewusstsein über das attraktive Rahmenprogramm (Nena und die "Blechonauten") und eine Bimmelbahn in der hügeligen Landschaft bis zum öffentlichen roten Teppich mit Autogrammpflicht für die Formel-1-Piloten. Dazu hat das ganze Land Ferien, die Fußballer haben sich vorzeitig von der Euro verabschiedet, das Team von Red Bull Racing, das trotz britischer Herkunft unter österreichischer Lizenz fährt, ist wieder im Auftritt. An der Spitze der Formel 1 ist es obendrein trotz der Mercedes-Führung spannend, und die Österreicher sind per se motorsportbegeistert.

Den einen Grund für die Misere gibt es also nicht, auch das Gerede von der großen Motorsportkrise will nicht so richtig greifen.

Zu lange ohne österreichischen Top-Fahrer

Schon eher der patriotische Ansatz. "Wenn ein Österreicher in der Formel 1 vorne mitfährt, brechen hier alle Dämme", glaubt Mercedes-Sportchef Toto Wolff - ein Österreicher. Einer von vielen, die in den Rennställen etwas zu sagen haben. "Zu viele Manager, zu wenige Fahrer", analysiert der Wiener. Seit 2010 hat die Nation keinen Piloten mehr am Start, nicht mal mehr einen, der hinterherfährt. An die großen Zeiten erinnert in Spielberg der Gang unter der Start-und Zielgeraden, "Walk of Legends" genannt. Da sind die Champions Jochen Rindt (eigentlich aus Mainz) und Andreas Nikolaus Lauda verewigt. Lauda fuhr, zusammen mit Gerhard Berger und Dieter Quester am Samstagnachmittag im Rahmenrennen mit alten Procars von BMW.

Einzig aktiver Pilot im Fahrerlager aus Österreich ist Alexander Wurz, aber auch nur noch als Sprecher der Pilotengewerkschaft GPDA und Coach der aktuellen Rennfahrer des Williams-Teams. Er warnt: "Österreich hat durch die vielen guten Fahrer und durch die Übertragungen im ORF eine Formel-1-Kultur und sehr gutes Image. Das dürfen wir nicht riskieren. Wenn es zu lange keinen Fahrer gibt, geht die Begeisterung bei den Menschen weg." Eigentlich ein Fall für den Konsulenten, wie der 73-jährige Grazer Helmut Marko genannt wird. Er ist der Talentscout von Red Bull, hat Sebastian Vettel und Max Verstappen entdeckt. "Wenn ein Österreicher schnell genug wäre, würden wir ihn eh reinsetzen", beteuert Marko. Doch er weiß, dass das dauern kann. Der 19 Jahre alte Ferdinand von Habsburg-Lothringen hofft, doch der Urenkel des Kaisers ist für die Königsklasse fast zu groß.

Der Motorrad-Grand-Prix ist deutlich billiger - und schon so gut wie ausverkauft

Der aktuelle Zuschauerrückgang in Spielberg hat viel mit dem Moto-GP zu tun, der am 14. August in der Arena ausgetragen wird und praktisch schon ausverkauft ist - zu deutlich günstigeren Preisen. Zwar kosten die Stehplätze bei beiden Veranstaltungen jeweils 95 Euro fürs Wochenende, bei den Tribünensitzen aber entsteht dann das Gefälle. Von 135 Euro an bei den Motorradrennen, ab 295 Euro aufwärts bei der Formel 1. Natürlich spielt da die Neugier auf Valentino Rossi und Marc Márquez eine Rolle, generell macht das geringe unmittelbare Einzugsgebiet mit drei Millionen Menschen Probleme, es ist mit das geringste aller 21 Grand-Prix-Austragungsorte.

Der Australier Daniel Ricciardo, eine der beiden Hoffnungen für eine Renn-aissance von Red Bull Racing, hat extra für dieses Wochenende seinen Rennanzug umsteppen lassen. Der Overall sieht jetzt aus wie eine feuerfeste Lederhose. Die Formel 1 gibt sich alle Mühe, in die Landschaft zu passen. Bis 2020 läuft der Vertrag der Strecke mit Bernie Ecclestone noch. Oder eher solange es der Brause-Milliardär Dietrich Mateschitz will.

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