Grand Prix von Australien:Gladiatoren-Show in der Formel 1

Formel 1 - Fahrer 2017

Die Formel-1- Fahrer der Saison 2017.

(Foto: dpa)
  • Die Formel-1-Saison beginnt, und das Gefühl hat sich verändert.
  • Die neuen Autos sehen nicht nur aggressiver aus: Die Piloten haben offenbar ihre Freude am Fahren wiederentdeckt.
  • Einen eindeutigen Favoriten gibt es noch nicht.

Von Elmar Brümmer, Melbourne

Die professionelle Gelassenheit im Umgang mit den kleinen und großen Dramen des Motorsports haben all jene 20 Piloten drauf, die an diesem Wochenende beim Großen Preis von Australien in eine neue Ära der Formel 1 starten. Sie wirkt so gut als schützendes Visier, dass der Schwede Marcus Ericsson über den Auftakt im Albert Park von Melbourne behauptet, es sei alles in allem ein positiver Tag gewesen - obwohl sein Sauber-Ferrari am Ende im Kiesbett steckte.

Das sind die Tücken der schwersten und zugleich schnellsten Neuwagen-Generation in der jüngeren Geschichte der Formel 1. Die aggressiv getrimmten Autos sollen die Piloten bewusst ans Limit bringen, damit Mensch vor Maschine steht und nach 20 Rennen tatsächlich der beste Fahrer Nachfolger des zurückgetretenen Weltmeisters Nico Rosberg wird.

Es kommt nicht häufig vor, dass die Rennfahrer sich durchweg begeistert über ihr Tun äußern. Aber Erwartungshaltung und Istzustand haben sich beim ersten Test an einem Grand-Prix-Wochenende tatsächlich so angenähert, wie es Sebastian Vettel als Dozent zum Thema Freude am Rennfahren kürzlich formulierte: "Fahrspaß ist die Herausforderung, ein Auto zu meistern, das einen an die Grenzen treibt, auch was die körperliche Anstrengung angeht. Du musst merken, dass es an dir zieht und zerrt, und dass es dich fordert, ob du den Mut hast, so schnell durch die Kurve zu fahren, wie es das Auto kann. Diesen Punkt zu erreichen definiert Fahrspaß. Du musst den Druck merken, dem Fahren 100 Prozent Aufmerksamkeit zu schenken, weil sonst was schiefläuft."

Eine Botschaft an Max Verstappen

Freude, weil es schwieriger wird: Das steht für das neue Selbstverständnis der Fahrer und der umbesetzten Chefetage der Formel 1, in der der ehemalige Teamchef Ross Brawn zum wichtigsten Mann an den Rennwochenenden wird. Als zusätzliche Erschwernis wird ab Sonntagmorgen beim Erlöschen der Ampeln eine stark manuell geprägte Startprozedur gefordert. Aber das gehört zu dem von den Mehrheitseignern Liberty Media geförderten Wunsch nach einem attraktiveren Sport und einer besseren Show. Ausgerechnet der Techniker Brawn fragt in einer ersten Predigt vor dem Auftakt in Melbourne rhetorisch, ob denn irgendjemand auf den Tribünen die komplexen und teuren Schnellschaltgetriebe begeistern würden. Na also: zurück zum Gladiatorentum.

Bereits der erste Trainingstag hat gezeigt, dass die neuen Autos nicht nur aggressiver aussehen. Lewis Hamilton als Tagesbester unterbot seine Vorjahrestrainingszeit um mehr als sechs Sekunden, unterbot Michael Schumachers Streckenrekord von 2004 um rund eine Sekunde und blieb eine halbe Sekunde vor Sebastian Vettel im Ferrari und seinem neuen Teamkollegen Valtteri Bottas. Es fühle sich super an, bilanzierte Hamilton, auf dessen Fahrweise die veränderte Fahrzeugcharakteristik ähnlich wie bei Vettel gut zu passen scheint. Angeblich sind die erschwerten Bedingungen eingeführt wurden, um den Eindruck zu entkräften, dass jeder Teenager einfach in der Formel 1 mitfahren kann.

Eine Botschaft an Max Verstappen, der im Training seinen Red-Bull-Renault erst im letzten Moment abfangen konnte und durch das Outback der Piste hoppeln musste. Doch der behauptet trotzig: "Man braucht nicht mehr Mut mit den neuen Autos." Sollten die Verwirbelungen der veränderten Aerodynamik nicht eine Art technisches Überholverbot verhängen, dürften die im Sinne der propagierten Offenheit gelockerten Zweikampfbestimmungen für zusätzliche Attraktivität sorgen.

Die Favoriten: Hamilton und Vettel

Für Lewis Hamilton, der mit Vettel um die Favoritenrolle kämpft, liegen die Dinge einfach. "Die Formel 1 sollte sowohl den Fahrer wie das Auto immer ans Limit bringen", referiert der 32-Jährige und gesteht damit, dass das zuletzt wohl nicht der Fall war. Der Brite, mit neuem Hals-Tattoo und Brillant in der Nase, wirkt gewohnt selbstbewusst, aber auch sehr fokussiert.

"Ich nehme eine Menge Positives mit aus dem letzten Jahr", behauptet er, "und es macht für mich keinen Unterschied, ob der Titelverteidiger da ist oder nicht. Du willst immer den schlagen, gegen den du gerade fährst." Der frühere Teamchef Eddie Jordan, heute TV-Kommentator, vermutet jedoch, dass Hamilton die Konkurrenz "vernichten" wolle, so sehr habe diesen die Niederlage gegen Rosberg verletzt.

Am liebsten wäre Hamilton und vermutlich auch dem Großteil des Publikums, wenn er nicht wieder nur gegen den eigenen Teamkollegen, der jetzt Valtteri Bottas heißt, fahren müsste: "Gegen einen anderen Rennstall zu kämpfen, wäre großartig. Das bringt mehr Spaß." Das Duell mit dem Heppenheimer Vettel besitzt auch über den Auftakt hinaus Brisanz, schließlich laufen zum Saisonende die Verträge beider Piloten aus, sogar ein Tausch der Cockpits erscheint möglich. "Jetzt darüber zu reden, würde die Fahrer nur ablenken", sagt Ferrari-Teamchef Maurizio Arrivabene, "ich würde gern einen glücklichen Sebastian im Laufe der Saison erleben - denn wenn er glücklich ist, bedeutet das, dass wir ein sehr schnelles Auto haben."

Immerhin sorgt die hohe Erwartungshaltung an die neue Formel 1 bei allen Fahrern für gute Laune, wie sich bei der Spontanumfrage nach den persönlichen Wünschen an die neue Formel 1 zeigt. "Ein Rennen in Las Vegas", fordert der Australier Daniel Ricciardo. "Eins in Deutschland", schiebt Vettel sofort nach. "Miami", ergänzt Hamilton. Und außerdem: "Es gibt viel zu viele Männer hier. Mehr Frauen im Fahrerlager wäre schöner."

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