Golfturnier in Eichenried:"Reinschlüpfen nicht erlaubt"

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Die Majorsieger Henrik Stenson, Sergio Garcia und Martin Kaymer reden vor ihrem Start in Eichenried über den Wert ihrer Titel.

Interview von Gerald Kleffmann, München

Als das Blaulicht erscheint, wird es unruhig. Die Blicke gehen rüber zur Anfahrtsstraße, als die drei Hauptakteure auftauchen, im Gefolge des Leitfahrzeugs. Henrik Stenson, Sergio Garcia und Martin Kaymer steuern jeweils ein teures Auto, und als sie aussteigen, wird klar, warum dies ein besonderer Moment ist. Der Schwede Stenson, 41, aus Göteborg, stellt die Claret Jug auf ein Podest - die Trophäe der British Open, die er 2016 gewann. Der Spanier Garcia, 37, aus Borriol, trägt das berühmteste Sakko im Golf - das Green Jacket, das er im April beim Masters in Augusta erhielt. Kaymer, 32, aus Mettmann, muss zweimal ins Gefährt greifen - dann sind seine Pokale der PGA Championship und der US Open postiert, die der Rheinländer 2010 und 2014 erhielt. Aufeinander verteilt haben die drei Profis alle vier Majors, die es im Golf gibt, gewonnen.

Nach einer Einlage mit Ball und Schläger präsentieren sie sich bei den BMW International Open, die am Donnerstag im GC München Eichenried beginnen. Um die Zeit bis zum Bühnen-Einsatz in der BMW Welt zu überbrücken, ziehen sich Stenson, Garcia und Kaymer kurz zurück, drei der erfolgreichsten europäischen Spieler, Ryder-Cup-Sieger - und Major-Champions. Vor einem Jahr wäre Kaymer der einzige gewesen, der diese Kriterien erfüllt hätte. Ein Gespräch über die Magie des ersten Major-Triumphes.

SZ: Herr Stenson, Sie haben lange vergeblich einen Major-Titel gejagt. Wie fühlte sich das plötzlich an, als Sie im schottischen Troon nach einem Krimi-Duell mit US-Größe Phil Mickelson gewannen?

Stenson: Die Majors sind der größte Preis in unserem Sport. Und für mich hätte es nicht schöner sein können. Ich war elf, als ich mit Golf anfing. Die ersten Turniere, die ich im Fernsehen verfolgt hatte, waren die Open und der Ryder Cup. Ich sah meine Kindheitshelden spielen. So entstanden Jungenträume. Man stellt sich vor, wie es wäre, selbst dort zu stehen und zu siegen. Ich hätte jedes Major genommen, klar. Aber die Open war die Nummer eins. Immer. Auch wenn das kitschig klingt: Mein Traum wurde wahr.

Wie stark war das Gefühl der Erlösung?

Natürlich groß. Aber es dauerte ein bisschen, bis gelöste Freude kam. Man spielt am Schlusstag bis zum letzten Moment unter höchster Anspannung. Wenn sich alles setzt, fällt vieles ab. Wobei ich sagen muss: Ich hatte bis dahin auch so eine großartige Karriere. Es war für mich daher eher die Sahne auf der Torte. Natürlich sollte das nicht in meinem Lebenslauf fehlen. Ich bin sicher, der spanische Freund hier gegenüber fühlt genau so. Und Martin hat ja noch früher gleich zwei Majors geholt.

Majorsieger Nummer 1: Der Deutsche Martin Kaymer sichert sich 2010 bei der PGA Championship in Whistling States/USA den Triumph. (Foto: Jeff Haynes/Reuters)

Herr Kaymer: Sie gingen 2010 als Außenseiter bei der PGA Championship ins Playoff-Stechen über drei Löcher gegen Bubba Watson. Auf einmal, mit 25, waren Sie Champion. Ihre Erinnerungen?

Kaymer: Um ehrlich zu sein, war ich zu jung, um alles zu begreifen. Ich war erst zwei, drei Jahre auf der Tour. Zu der Zeit hatte ich nie versucht, ein Major zu gewinnen. Natürlich wollte ich bestmöglich abschneiden. Aber ich fühlte mich dazu noch nicht fähig. Ich hatte erst zehn Majors gespielt. Mein Hauptziel war, mich fürs europäische Ryder-Cup-Team zu qualifizieren. Ich wusste, ich bin nah dran an den Besten. In Whistling Straits nahm ich mir vor, eine solide letzte Runde zu spielen ...

Garcia: ... das war mehr als solide!

Kaymer: Als ich den letzten Putt gemacht habe, war das überwältigend. Aber ich verstand nicht wirklich die Bedeutung eines Majors in dem Moment. Es war so unerwartet. Als alles sank, verstand ich es besser.

Was erkannten Sie?

Kaymer: Keine allzu komplizierte Erkenntnis. Wenn man besser als der Rest spielt, gewinnt man. Egal, ob es ein Major ist oder ein normales Event.

Mit diesem Erlebnis - fühlte sich Ihr zweiter Major-Sieg bei der US Open anders an?

Bei diesem Turnier wusste ich genau, was ich tat. Ich spielte zwei sehr gute Runden. Ich führte mit fünf, sechs Schlägen. Mir war da klar, es ging jetzt darum, wie ich dieses Turnier mental gewinnen könnte. Spielerisch war es zu dem Zeitpunkt nicht das Problem, um ehrlich zu sein. Das soll auf keinen Fall überheblich klingen. Ich fühlte mich einfach gut. Der Sieg bei der US Open war daher der größte Genuss, den ich je in meiner Einzelkarriere erlebt habe. Ich kontrollierte total mein Spiel. Ich kontrollierte meine mentale Seite. Ich hatte nie das Gefühl, ich würde den Titel wegwerfen. Ich spürte Sicherheit in mir. Ruhe. All das genoss ich wirklich. Denn jeder von uns weiß: Im Golf gibt es viele zerbrechliche Momente, in denen etwas entgleiten kann.

Sie haben damals einen Start-Ziel-Sieg hingelegt, was selten vorkommt, mit acht Schlägen Vorsprung. Wann kam der große Genuss?

Wahrscheinlich so vor den letzten drei Löchern, als ich mit acht, neun Schlägen führte. Aber wir sind auch Leistungssportler und gewohnt, bis zum Ende durchzuziehen. Also wollte ich mit zehn Schlägen Vorsprung gewinnen. Mit einer zweistelligen Ziffer. Aber natürlich hat das in dem Moment großen Spaß gemacht.

Majorsieger Nummer 2: Der Schwede Henrik Stenson gewinnt 2016 die British Open auf dem Kurs von Royal Toon/Schottland. (Foto: Ben Curtis/AP)

Herr Garcia, Journalisten machen gerne Ranglisten mit den besten Spielern, die noch nie ein Major gewannen.

Stenson: Das haben wir nie gehört!

Wie sehr haben solche Rankings genervt?

Garcia: Ich sah diese Ranglisten immer als etwas Positives. Jedes Mal, wenn sie sagen: bester Spieler ohne Major, klang der Schluss natürlich nicht toll. Aber der erste Teil ist großartig. Wenn sie dich in diese Rangliste stecken, zeigt das, dass du etwas hast. Ich hatte stets den Ansatz: Gib dir Chancen! Warte auf den einen Sonntag, wenn sich alles fügt! Keinen Titel zu haben, war nur noch mehr eine Motivation. Ich wehrte mich dagegen, negativ zu denken.

Herr Stenson, fühlte sich das komisch an: Sie siegen oft, verdienen viel, und doch könnte es heißen: ein Unvollendeter?

Es werden gerne mal die Relationen übersehen. Es gibt nur viermal im Jahr die Chance auf einen Major-Titel. Da muss so viel passen. Du musst fit sein. Im richtigen Moment gut spielen. Du brauchst auch mal Glück. Denken Sie mal an Colin Montgomerie! Er gewann mehr als 40 Turniere, er gewann achtmal die Geldrangliste zum Saisonende. Er war so unglaublich gut und manchmal fast am Ziel bei den Majors. Aber dann war es aus welchen Gründen auch immer doch nicht sein Moment. Es wäre deshalb völlig schief zu sagen, er hatte keine fantastische Karriere. Ich bin sicher, er würde fünf bis zehn andere Siege für ein Major hergeben. Aber ich bin auch sicher, er hätte nicht alle 40 Siege dafür geopfert. Sie haben auch ihren Wert. Nur weil ich ein Major gewonnen habe, sind ja nicht meine normaleren Siege zuvor mehr wert als etwa die von Monty. Das wird dann manchmal etwas unfair gesehen.

Garcia: Du kannst auf jeden Fall eine wunderbare Karriere ohne Major-Titel haben. Aber wie Henrik sagt: Mit dem Titel wird alles, was du versuchst und geleistet hast, noch etwas wertvoller gesehen. Ich hätte auch mit Golf aufhören können - und ich wäre glücklich gewesen. Ich hätte nichts bedauert. Ich hätte mich nicht wie ein Versager gefühlt. Du kannst nur versuchen, dich immer wieder in eine gute Position zu bringen. Es sind eben nicht alle in der glücklichen Lage gewesen wie Martin, relativ früh ein Major zu gewinnen. Ich stimme andererseits aber auch Martin zu, wenn er sagt: Wenn du zu früh siegst, weißt du fast nicht den Wert zu schätzen, wie groß dieser Moment ist. Du speicherst vielleicht nicht alles so ab, wie du solltest. Ich bin mir jetzt der Dimension voll bewusst. Und was ich noch gemerkt habe: Die Menschen haben uns an den meisten Orten, wo wir spielen, viel Respekt entgegengebracht. Jetzt, mit dem Majorsieg, spüre ich fast so etwas wie Liebe. Vielleicht, weil die Leute wissen, wie lange man hart darum gekämpft hat.

Wie schwer ist es, sich nach solchen Emotionen wieder auf normale Turniere zu fokussieren? Sie wollen den Moment genießen - aber der Job geht weiter.

Stenson: Ich wollte damals gleich weiterspielen. Weil ich mich so gut fühlte. Ich war beim folgenden Major auch ganz gut ...

... Sie wurden bei der PGA Championship in Springfeld Siebter, wie Kaymer.

Am Ende war meine Batterie etwas leer. Das war der Moment, wo ich die Anstrengungen spürte, die nach dem Majorsieg auf jeden zukommen. Du hast wesentlich mehr Termine, mit Medien, Sponsoren, jeder um dich herum hat mehr Interesse. Das nimmt etwas vom Fokus auf dein Spiel. Das ist die Herausforderung: zu siegen und danach mit harter Hintergrundarbeit auf dem Platz dranzubleiben.

Majorsieger Nummer 3: Sergio Garcia darf nach 18 Jahren Warten endlich feiern. Im April gewinnt er erstmals in Augusta/USA. (Foto: Brian Snyder/Reuters)

Kaymer: Ich versuche auch erst mal, den Moment zu genießen. Leider ist es so, dass die Zeit manchmal dazu fehlt. Ich spielte nach meinen Majorsiegen auch gleich das nächste Turnier, wie geplant. Nur ist es eben manchmal frustrierend, wenn du weißt: Du kannst nicht hundert Prozent geben. Weil dein Kopf noch nicht da ist. Ich war immer ehrlich zu mir. Mein Kopf war damals nicht ganz da. Aber für mich war das okay. Ich spielte weiter, weil ich einfach gerne Golf spiele. Und manchmal können auch 80 Prozent reichen, um richtig gut abzuschneiden. Ich denke, wenn alles gesackt ist und du innere Ruhe spürst, sammelst du dich neu und greifst neu an.

Sie drei vereinen etwas sehr Ungewöhnliches.

Garcia: Wir haben den Grand Slam geschafft!

Richtig. Sie gewannen das Masters, Stenson die Open Championship, Kaymer US Open und PGA Championship. Welcher Titel ist der wertvollste unter diesen wertvollen?

Garcia : Alle sind einzigartig.

Kaymer: Historisch gesehen ist der Sieg von Henrik der wichtigste.

Stenson: Yes! Ich habe immer auf deine Ehrlichkeit gewartet!

Kaymer: Gerne! Und der berühmteste ist das Masters.

Garcia: Yes! Und der härteste Titel ist die US Open.

Stenson: Martin, du hast die zwei geschniegelten Turniere gewonnen! (Alle lachen, Stenson legt Kaymer die Hand auf die Schulter).

Garcia: Sehe ich genau so! Im Ernst, die British Open hat so viel Geschichte. Ich würde sagen, für 95 Prozent der Europäer ist das ganz oben auf der Liste. Dann kommt sofort Augusta. Aber alle vier sind toll und jeder Titel hat etwas Eigenes.

Sie tragen ja gerade das grüne Jackett.

Kaymer: Ist das wirklich die originale Jacke, die du bei der Siegerehrung bekommen hast?

Garcia: Das ist die dritte. Die erste war mir viel zu groß, das war eine 40. Dann bekam ich eine 39. War auch zu groß. Das ist eine 38. Wenn ich nächstes Jahr aber nach Augusta zurückkomme, erhalte ich ein Jackett mit meinem Namen drauf.

Wie oft haben Sie das grüne Jackett getragen seit April?

Stenson: Du hast es doch immer an!

Garcia: Ich würde sagen, ich trug es seit April schon 30-, 40-mal. Es gibt viele verschiedene Anlässe. Fans wollen es sehen, die Presse, Sponsoren.

Haben Sie schon mal Kaymer und Stenson reinschlüpfen lassen?

Garcia: Nein!

Kaymer: Das würden wir auch nicht wagen. Das bringt Unglück.

Garcia: Es ist auch nicht erlaubt! Ich darf das nicht erlauben, wirklich!

© SZ vom 22.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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