Golf:Strategen und Seelsorger

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Neuer Assistent: Rory McIlroy (re.) tritt bei der PGA Championship mit Caddie Harry Diamond an. (Foto: Warren Little/Getty/AFP)

Viele Profis hoffen mit neuen Caddies auf eine Trendwende. Erstmals seit neun Jahren tritt auch Rory McIlroy bei einem Major mit einem neuen Assistenten an.

Von Gerald Kleffmann, Charlotte/München

Brett Waldman hatte Glück. Der Caddie wurde nicht gefeuert. Dabei hatte er sich Widerspruch seines Bosses eingehandelt. Am vergangenen Sonntag erst. Es lief die Schlussrunde des WGC-Turniers in Akron, Ohio. Bahn elf, ein Par 5. Charley Hoffman, sein Chef, der zwar eigenwillig wie ein Flamingo über die Bahnen stakst, aber seit Wochen grandios spielt, wollte das Grün mit dem zweiten Schlag angreifen. Waldman riet, er solle den Ball vors Wasserhindernis spielen. "Ich versuche, ein Turnier zu gewinnen", knurrte der Kalifornier, "ich bin es leid, Zweiter zu werden." Der 40-Jährige hatte immerhin Glück. Er wurde nicht Zweiter. Sondern Dritter. Für Waldman, ein Profi, der den dauerhaften Sprung in die höchste Liga nicht geschafft hatte und seitdem Golftaschen trägt, hatte der Vorfall keine Konsequenzen, und womöglich wäre diese Begebenheit weniger ein Schlagzeilenthema in der Branche gewesen, hätte es nicht auch andere Begebenheiten gegeben, die sich ebenso um dieses spannende Binnenverhältnis drehten: die komplexe Liaison zwischen Spieler und Caddie.

2017 hat sich diesbezüglich zu einer Saison der Rochaden entwickelt. Diese kommen zwar häufiger vor, weil Profis an jedem Aspekt tüfteln, der Ergebnisbesserung verspricht. Aber selten gab es so viele Veränderungen an der Seite namhafter Spieler. Den Anfang machte der stagnierende Phil Mickelson: Der fünfmalige Majorsieger trennte sich nach 25 Jahren von Jim Mackay. Bei der seit Donnerstag laufenden PGA Championship im Quail Hollow Club in Charlotte nehmen zwei Größen des Sports erstmals seit langem mit neuem Assistenten bei einem Major teil. Der Australier Adam Scott verzichtet auf den Neuseeländer Steve Williams, der einst bei 13 der 14 Major-Siegen für Tiger Woods die Tasche trug. Der Nordire Rory McIlroy tritt mit seinem Kumpel und Trauzeugen Harry Diamond an, nachdem er J.P. Fitzgerald jüngst nach der British Open entlassen hatte, auch wenn er das nicht so formulieren wollte. "Manchmal muss man, um eine persönliche Beziehung zu retten, eine berufliche opfern", packte McIlroy seinen Schritt in tiefgründige Worte, die auch andeuteten: Caddies sind mehr als Dienstleister. Sie sind ja die Einzigen, die während einer Runde direkten Einfluss auf ihre Spieler nehmen können. Caddies sind daher auch: Vertraute, Taktiker, Strategen, Seelsorger, Kapitäne. Gerade auf höchstem Niveau hat sich gezeigt, dass Caddies sehr wohl über Siege und Niederlagen bei den größten Turnieren mitentscheiden. Wie im Juli.

Ein Fixum plus zehn Prozent - Top-Caddies verdienen exzellent

Jordan Spieth machte seinen Caddie Michael Greller zu einem Großteil für seinen ersten Erfolg bei der British Open verantwortlich, nicht nur habe der gelernte Mathelehrer ihn mutig bei der Schlägerwahl am Schlusstag in einer entscheidenden Phase korrigiert. Er habe ihn auch mental durch das Auf und Ab gecoacht wie ein Therapeut. Wie der perfekte Caddie aussieht, ist allerdings völlig typenabhängig, "jeder denkt da sicher anders", sagte vor der ersten Runde der PGA Championship Dustin Johnson. Der Weltranglisten-Erste kooperiert mit Bruder Austin, "er ist mein bester Freund", betonte Johnson, der sicher keiner ist, der von außen pausenlos mit Rat versorgt werden will. McIlroy hatte indes aus diesem Grund Fitzgerald geholt, als 19-Jähriger sollte ihn der neue, höchst erfahrene Caddie zu Major-Triumphen führen, was viermal gelang. Zuletzt erlebten sie aber das, was in Beziehungen vorkommt: Abnutzungserscheinungen. Bei der British Open hatte Fitzgerald einen letzten Moment, als er McIlroy, der desaströs spielte, mit dem Satz zusammenstauchte: "Du bist Rory McIlroy, was zum Teufel tust du?" McIlroy riss sich zusammen, wurde Vierter, offenbarte aber später: Wie bei einem alten Ehepaar regten ihn Kleinigkeiten an Fitzgerald wahnsinnig auf, auch wenn er wisse: Diese Wahrnehmung lag auch an der eigenen Unzufriedenheit.

Mackay, Williams oder Fitzgerald dürften nicht lange ohne Chef sein, Spitzencaddies sind begehrt. Allerdings haben die Kräfte dieser Kategorie auch ausgesorgt, sie müssen nicht arbeiten, sie sind quasi die Stars ihrer Zunft. Williams wurde an der Seite von Woods inoffiziell reichster Sportler Neuseelands genannt. Bei einem wöchentlichen Fixum plus zehn Prozent vom Preisgeld bleibt eben etwas hängen. Als Fitzgerald 2016 eine hohe Prämie von McIlroy überwiesen bekam, schrieb er ihm laut ESPN: "Ein Tsunami traf mein Konto - danke dafür."

© SZ vom 11.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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