Golf:Nicht genug Träume

116th US Open Championship

Denkt anders als viele andere seiner Kollegen in diesem Sommer: "Das eigene Land als Sportler bei diesem Weltereignis zu vertreten, das hat eine andere Dimension als jedes Golfturnier", sagt Martin Kaymer.

(Foto: Tannen Maury/dpa)

Eingekeilt zwischen Tour-Kalender und Zika-Angst stellt der Golfsport vor Olympia die Sinnfrage.

Von Frieder Pfeiffer

Es ist das erste Mal nach einer langen Zeit, dass Golf olympisch ist. "Wenn die besten Spieler dort nicht antreten - wo ist da dann der Sinn?", fragte Rory McIlroy zu Beginn dieses Jahres. In der vergangenen Woche warf er die Frage noch einmal in den Raum - diesmal ganz anders. Die aktuelle Nummer vier der Welt sagte seine Teilnahme an den Spielen in Rio ab - aus Sorge vor einer Ansteckung mit dem in Brasilien grassierenden Zika-Virus, das Fehlbildungen bei ungeborenen Babys verursachen kann.

Worin besteht der Sinn eines olympischen Golfturniers? Der Golfsport läuft derzeit Gefahr, darauf nun wirklich eine Antwort suchen zu müssen. Der Australier Adam Scott, ehemals Weltranglisten-Erster wie McIlroy, hat schon lange abgewunken, ebenso wie weitere Top-Golfer aus Australien und Major-Sieger aus Südafrika. Einen Tag nach McIlroy zog auch dessen nordirischer Landsmann Graeme McDowell zurück. Die Begeisterung für Olympia bröckelte erst leicht, inzwischen droht dem Golf ein Erdrutsch, der die Hoffnung der Branche auf einen Aufschwung unter den Ringen für immer unter sich begraben könnte.

"Es ist ein Spaß-Wettbewerb", findet Scott. "Es hat auch keine wirkliche Bedeutung im Golf."

Den Sinn einer Teilnahme suchen inzwischen viele Golfer, die sich im Geflecht aus Sicherheitsbedenken, dem engen Turnierplan und in der Furcht vor dem Zika-Virus verheddern und dabei die olympische Motivation verlieren. Der australische Sydney Morning Herald spekuliert bereits über eine Absage des Weltranglisten-Ersten Jason Day in dieser Woche, auch Jordan Spieth, die Nummer zwei aus den USA, soll sich noch nicht entschieden haben. Die Rückkehr des Golfsports in die Olympische Familie droht zum Fiasko zu werden - der Sport selbst ist daran nicht schuldlos.

Als das Internationale Olympische Komitee (IOC) 2009 in seiner 121. Session die Wiederaufnahme nach 112 Jahren Pause beschloss, war der Jubel groß. Doch schon damals gab es Stimmen von Spielern, die ihren Sport mit dem olympischen Gedanken nur mühsam zu verbinden wussten. Und die Verantwortlichen der großen Touren in den USA und in Europa sahen zwar die Chance, Golf vor einem Milliardenpublikum zu präsentieren. Sie sahen aber nicht die Möglichkeit, dafür mehr zu tun, als den internationalen Turnierplan so minimalinvasiv umzugestalten, dass nun gerade eben so Platz ist für eine olympische Wettbewerbswoche. Die wichtigen Turniere der Saison ballen sich jetzt in den Wochen um Olympia, was vielen Golfern den Flug nach Rio zusätzlich verleidet. Die fehlende Wertschätzung auf Seiten der Tour setzte wohl auch die Wertschätzung mancher Golfer für Olympia herab. Der Australier Scott trat im April schließlich die Absage-Welle los: "Es ist ein Spaß-Wettbewerb. Von Olympischen Medaillen habe ich nie geträumt, und es hat ja auch keine wirkliche Bedeutung im Golf."

Jeweils 60 Athleten bei Männern und Frauen sollen in Rio um Medaillen kämpfen. Der Modus, das Woche für Woche praktizierte Einzel im Zählspiel über vier Runden, stand früh in der Kritik. Nicht nur Martin Kaymer hätte einen Matchplay-Modus, das direkte Duell, interessanter gefunden, "da es auch für den Zuschauer an allen Tagen viel spannender ist". Der Deutsche wäre zudem gerne im Team für sein Land angetreten, womit er im Feld ebenfalls eine Mehrheit hätte finden können.

Auch die Qualifikationskriterien halfen nicht, Olympia-Stimmung zu erzeugen. Maximal vier Golfer aus einem Land sind startberechtigt, sofern alle zum Stichtag am 11. Juli unter den besten 15 der Welt platziert sind, ansonsten sind es maximal zwei. Bei den Männern fehlen viele Spitzengolfer, vor allem aus den USA, bei den Frauen schaut ein Drittel der Welt-Elite aus Südkorea zu. Das Ausdünnen des Feldes per Regelbuch hat - vorsichtig formuliert - das weitere Ausdünnen per Spielerabsage nicht unbedingt aufhalten können.

Nun findet sich der Sport in einem unwillkommenen Schwebezustand, was bei der BMW International Open in der vergangenen Woche in Pulheim sehr gut zu beobachten war. Die Woche im Kölner Umland begann mit der Frage: Wer fährt für Deutschland bei den Männern neben Martin Kaymer nach Rio? Als sich Alexander Cejka mit einem 45. Platz von Maximilian Kieffer, der am Cut scheiterte, abgesetzt hatte, war bemerkenswert, dass der 45-jährige Cejka weiter voll zu seiner Olympia-Zusage stand. Am Ende der Woche wanderte dann die Frage über die weite Anlage: Wer fährt überhaupt noch nach Rio? Sergio Garcia, am Ende Fünfter, brillierte als Diplomat. Er sei "im Moment" dabei, gleichzeitig wie so viele aber "in Sorge". Natürlich aber gibt es Ausnahmen. Henrik Stenson, der eindrucksvoll seinen Titelgewinn von 2006 wiederholte, sagt: "Ich gehe immer noch. Ich werde da sein."

Der Schwede ist nach seinem Sieg, dem neunten auf der European Tour, die Nummer fünf der Welt, also der bestplatzierte Golfer mit uneingeschränkter Zusage. Die Sehnsucht nach der Eröffnungsfeier, dem Olympischen Dorf, der Zusammenkunft der vielen Athleten aus der ganzen Welt zieht auch Kaymer, 31, nach Rio: "Das eigene Land als Sportler bei diesem Weltereignis zu vertreten, das hat in meinen Augen eine andere Dimension als jedes Golfturnier." Doch auch er hat sich seine Gedanken gemacht. Die Gefahr des Zika-Virus sei für ihn "schwer einzuschätzen", trotz Entwarnung durch die Weltgesundheitsorganisation (WHO). Er werde sich weiter auf dem Laufenden halten. Ob ihn das Virus letztlich noch vom Olympiastart abhalten wird? "Ich glaube nicht", sagt Kaymer.

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