Golf:Hohe Schuhe, weite Hose

Abu Dhabi HSBC Golf Championship - Day Four

Ungewöhnliche Erscheinung: der Amerikaner Rickie Fowler, 27.

(Foto: Andrew Redington/Getty Images)

Rickie Fowler galt lange bloß als modische Attraktion, jetzt fällt auf: Der Junge kann ja richtig gut Golf spielen!

Von Frieder Pfeiffer

Vielleicht wäre alles anders gekommen, wenn es diese heute berühmte Umfrage nie gegeben hätte. "Wer ist der meist überschätzte Golfer auf der Tour?", fragte das US-Magazin Sports Illustrated im vergangenen Frühjahr. Die Antworten gaben die Profis selbst, und im Schutz der Anonymität fiel kein Name häufiger als der eines jungen Shooting-Stars, den manche tatsächlich schon zur Anna Kurnikowa des Golfsports erkoren hatten: Rickie Fowler. Auch er stand für: viel Ruhm, keine Titel.

Fowler, 27, sah sich Anfang Mai 2015 also plötzlich unliebsamen Schlagzeilen ausgesetzt. Doch so heftig das Echo, so ruhig seine Reaktion: "Ich mache mein Ding, alles wird gut." Es wurde sehr gut. Wenige Tage später gewann Fowler die Players Championship, das inoffiziell fünfte Major, und erklärte: "Ich habe über die Umfrage gelacht." Im September, er hatte bei Boston gerade sein drittes großes Turnier seit Mai gewonnen, tippte er in sein Handy: "Ich denke, ich muss mich bei der Umfrage bedanken."

In der vergangenen Woche folgte der vierte Titel in neun Monaten. Wieder war es ein großes Turnier, die Abu Dhabi Golf Championship hatte unter anderem auch Jordan Spieth, die Nummer eins der Welt, und Rory McIlroy, die Nummer zwei, in die Wüste gelockt. Über den bevorstehenden Kampf der großen Drei war im Winter viel geschrieben worden, die US-Hoffnung Spieth gegen den Nordiren McIlroy gegen Jason Day, den Australier; die Drei haben fünf der letzten sechs Major-Titel gewonnen. Nur wenige sprachen von Fowler. Nach dem Sieg in Abu Dhabi änderte sich das. Erst überschätzt, dann unterschätzt, dann wieder die spannendste Personalie des Sports: So läuft das auch im Golf manchmal. Spieth nannte Fowler nach dessen Coup im Emirat den "heißesten Spieler derzeit". CNN schrieb in Anlehnung an die Beatles plötzlich von den "Fab Four", den fabelhaften Vier. Fowler hätte das Tor zu den großen Drei durchbrochen. Und tatsächlich reißt Fowler derzeit Mauern ein, Mauern in den Köpfen.

Rot war die Farbe von Woods. Fowler mag es noch greller

Lange galt er als golfendes Model. Die Baseball-Cap war genau die coole Nummer zu groß. Sein Look - sonntags trägt er auf seinen Runden immer grell orangefarbene Kleider - wurde oft kopiert, wozu Fowler sagt: "Ich lache gerne darüber, fühle mich aber auch geehrt, dass 40- und 50-Jährige in orange rumlaufen." Der Surferboy mit Freundin in Laufsteg- Format erschien wie ein perfekt inszeniertes Konstrukt der Golf-Industrie.

Das einstige Motocross-Talent mit japanischen und indianischen Wurzeln erregt immer noch gerne Aufsehen. Zu Jahresbeginn trat Fowler in Schuhen an, die über die Knöchel reichten. Dazu trug er eine Art Jogginghose. Auch in Abu Dhabi ließ er so die Konkurrenz hinter sich und belegte die These: Über Sieger wird nicht gespottet. Bei all dem Gerede über Äußerlichkeit wird eines aber gerne übersehen: Dass da ein junger Mann durchaus gewissenhaft Golf spielt, der schon in der Jugend Rekorde aufstellte, der keinen Alkohol trinkt, sich Bibelsprüche auf seine Bälle drucken lässt und regelmäßig die Bibeltreffen besucht, die es auf der Golf-Tour gibt.

Er mag länger vor dem Kleiderschrank stehen als viele seiner Kollegen - weniger Zeit im Training verbringt Fowler deshalb aber nicht. Vor zwei Jahren engagierte er den früheren Tiger-Woods-Trainer Butch Harmon, seitdem geht es steil aufwärts. Bis in die Top-Elite? Fowler sagt: "Ich will mich mit den Besten messen und freue mich darauf, das jahrelang zu tun." Sein größtes Ziel? "Ein Major-Sieg."

Fowler weiß, dass die großen Titel die entscheidende Maßeinheit im Golf sind. Noch fehlt ihm ein solcher Sieg, bei den jüngsten zehn Major-Turnieren schaffte er es aber immerhin sechsmal unter die besten Zehn. Beim nächsten, dem Masters im April, könnte er nach jetzigem Stand als Favorit gehandelt werden. Bei seinen vier Siegen hat er in den vergangenen neun Monaten bewiesen, wie nervenstark er auf der Schlussrunde sein kann.

Der Szene kommt Fowlers Aufstieg gerade recht. Der bunte Vogel passt als Ergänzung prima zum braven Spieth, 22, dem Kämpfer Day, 28, und dem bubenhaften McIlroy, 26. Das Quartett könnte die Lücke füllen, die Tiger Woods hinterlässt. Der war der letzte, der mit seiner Farbwahl den Golfstil prägte. Zu seinen Glanzzeiten trug Woods stets Rot.

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