Golf:Besser als Kaymer

Dass US-Profi Xander Schauffele die deutsche Rangliste der PGA of Germany anführt, ist eine skurrile Geschichte - aber sie hätte auch Potenzial zum Politikum.

Von Gerald Kleffmann, San Diego/München

Als der beste deutsche Golfprofi der Gegenwart seinen spektakulären Titel errang, wurde das auch in seiner Heimatstadt gewürdigt. Die Luftwaffe flog eine Formation. Als er selbst nach Hause kam, warteten viele Termine auf ihn. Er wurde geehrt. Das Fernsehen wollte ihn. Die Presse. "Es war alles verrückt ", sagt der Vater, Trainer und Manager des Champions. Dieser Champion heißt übrigens nicht Martin Kaymer.

Der beste deutsche Golfprofi der Gegenwart heißt neuerdings Xander Schauffele.

In der Rangliste der PGA of Germany, der Vereinigung der hiesigen Berufsgolfer, steht der Name des 23-jährigen Amerikaners auf Rang eins. Regelkonform. Vor Kaymer, Alex Cejka, Marcel Siem, die seit mehr als einem Jahrzehnt dominieren. Schauffele, der in La Jolla geboren wurde und in San Diego lebt, ist auch Deutscher, er hat zwei Pässe, was sogar erst vor Monaten die PGA of Germany erfuhr. Auch sportlich steht Schauffele zurecht dort, 2017 gewann er als Neuling zwei Turniere der US-Tour, darunter nun die Tour Championship in Atlanta. Der Titel samt Prämien der Fed-Ex-Cup-Serie brachte ihm 3,5 Millionen Dollar ein. Kaymer hat in den letzten 52 Wochen 1,2 Millionen erspielt. Macht: Platz zwei. Hinter Schauffele, der Platz eins klammheimlich übernahm, nachdem er Fünfter bei der US Open geworden war.

Stefan Schauffele lacht am Hörer, als er von der Rangliste hört. "Ich wusste das gar nicht", sagt er. Dann erklärt er geduldig mit schwäbischem Sound die Geschichte seines Sohnes, der binnen weniger Monate vom Unbekannten zum Faktor im Golfgeschäft aufstieg. Es ist eine derart vielschichtige, dass Stefan Schauffele sie wahlweise als Familienstück samt traurigem Kapitel, als Beispiel für die richtige Förderung eines Talentes - oder als eben skurrile Episode im deutschen Golfsport erzählen kann, die bislang noch nicht viel mehr auslöste als eine ungewöhnliche nationale Rangliste. Aber wer weiß, vielleicht spielt Schauffele mal für Deutschland? Oder im Ryder Cup für Europa? Dann hätte die Geschichte eine andere Relevanz. "Das ist nicht ausgeschlossen", sagt tatsächlich der Vater.

TOUR Championship - Final Round

Erfolgreiches US-Golftalent mit Wurzeln in Schwaben: Xander Schauffele gewinnt die Tour Championship in Atlanta.

(Foto: Kevin C. Cox/AFP)

Dass sein Sohn in den USA geboren wurde und dort seine Golfausbildung erfuhr, hat mit einem furchtbaren Unfall zu tun, den Stefan Schauffele erlitt. Wie es der Nachname vermuten lässt, kommt seine Familie aus Stuttgart, "seit 200 Jahren gibt es uns dort", sagt Schauffele. Großvater Richard "Molly" war die schillerndste Person, er spielte in den Zwanzigerjahren für den VfB Fußball, war ein guter Leichathlet, der Rekorde hielt, später Stadtrat wurde, Zweiter Bürgermeister und Präsident der Kickers. Der Olympia-Stützpunkt in Stuttgart heißt Molly-Schauffele-Sporthalle.

Schauffele reichte selbst den Mitgliedsantrag ein - die PGA of Germany kannte ihn nicht

Auch Stefan hatte beste Sportgene. Als er knapp 20 Jahre alt war, glänzte er bei einem Test im Weitsprung, Speerwurf und 400-Meter-Lauf, wurde gefördert, sollte sich an den Zehnkampf herantasten. Seine Ergebnisse deuteten an, dass er deutsche Spitze, vielleicht Weltspitze werden hätte können, wie Jürgen Hingsen, dem er auch damals begegnete. Schauffele studierte zu der Zeit in Wiesbaden an der European Business School, und eines Tages, auf dem Weg an der Rheinuferstraße, fuhr ihm frontal ein betrunkener 19-Jähriger ins Auto. Er verlor sein linkes Augenlicht und erlebte eine schmerzliche Zeit. "Ich hatte sieben Operationen in zwei Jahren", sagt er. Ob der Täter bestraft wurde, weiß er nicht, er habe vieles verdrängt, aber offen erzählt er: "Ich musste jeden Tag an der Stelle mit den Brandflecken vorbei, das habe ich nicht mehr ausgehalten." Er packte das Nötigste für ein neues Leben, wanderte aus.

Stefan Schauffele studierte in San Diego weiter, machte den Master, und da er wegen des Auges weder Skifahren noch Tauchen oder ähnlich Belastendes ausüben durfte, fing er mit dem Golfen an. Ganz der Leistungssportler, spielte er sein Handicap schnell Richtung Null, wurde Golflehrer, baute eine Firma für Golfaccessoires auf. Und es gedieh eine Multikulti-Familie. Schauffele heiratete eine Thailänderin mit japanischen Wurzeln, sie bekamen Nicolas und Alexander Victor, letzteren kennt die Welt nun als Xander. Die Kinder könnten auch andere Nationalitäten annehmen, etwa über Stefan Schauffeles Mutter, eine Französin. Wieder lacht er sanft, er weiß, in seiner Familie treffen sich viele Kulturen. Und allein bei Xanders aktueller Geschichte reichten schon zwei Pässe, um ein wenig Verwirrung im Positiven zu stiften.

Selbst die PGA of Germany wusste ja nichts von ihm. Es war Xander, der zum 1.1. 2017 einen Mitgliedsantrag einreichte, 250 Euro kostete die Aufnahme, 400 Euro der Jahresbeitrag. Er hatte mit dem Münchner Golfprofi Stephan Jäger auf der Web.com-Tour gespielt, die Sprungbrett-Tour auf dem Weg zur PGA Tour, und der riet ihm: Wenn du Deutscher bist, melde dich doch dort an! Denn die PGA of Germany meldet anhand ihrer Rangliste Profis für die Profiturniere in Deutschland, etwa für die BMW International Open. "Wir wollten uns damit eine Möglichkeit offenhalten, wir wussten ja gar nicht, wohin die Reise geht", sagt Stefan Schauffele. "Er erfüllte alle Kriterien", sagt Rainer Goldrian, Geschäftsführer der PGA of Germany. Schauffele war über 18, Deutscher, hatte Handicap Null. Damals war das eine reine Formalität.

Deutsche Punkte-Rangliste

1. Xander Schauffele 3 755 494

2. Martin Kaymer 1 268 422

3. Alex Cejka 550 219

4. Marcel Siem 464 433

5. Maximilian Kieffer 389 708

6. Bernd Ritthammer 312 002

7. Alexander Knappe 301 460

8. Florian Fritsch 293 491

9. Stephan Jäger 278 396

Vielleicht könnte seine Geschichte aber eines Tages auch ein Politikum werden. Dann nämlich, wenn es darum geht, für welches Land Schauffele dauerhaft in Nationenwettbewerben antreten will. Sein Traum ist, 2018 im Ryder Cup zu spielen. Der ist in Paris. Und auch 2020 bei Olympia zu starten, dann in Tokio. Beide Länder spielen in seiner Familiengeschichte eine Rolle. Umso genauer muss er ausloten, wo er schneller, aber auch nachhaltiger ans Ziel kommt. "Ich werde alle Fakten sammeln und ihm vorlegen", sagt Stefan Schauffele, der versichert: "Er entscheidet." Das Herz soll dem Sohn sagen, was richtig ist. Im Idealfall ergibt sich kein Gewissenskonflikt. Wenn Xander seinen Weg fortsetzt wie bisher, wird er wohl zwangsläufig der Golfmacht USA treu bleiben.

Dass sein Sohn so durchstartete, ist indes für den Vater weniger überraschend. Xander konkurrierte in Jugendzeiten auf Augenhöhe mit Größen wie Jordan Spieth. Für den verzögerten Durchbruch gibt es einen Grund: "Wir hatten damals viele Turniere an der Ostküste aus Kostengründen ausgelassen", erklärt Stefan Schauffele. So fehlten Punkte für Ranglisten. Der Sohn nahm folglich länger Anlauf. Auf die Entscheidung aber, für welches Land Xander dauerhaft spielen wird, ist auch der Vater gespannt. "Ich weiß es nicht", sagt er entspannt.

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