Golf:Auf dem Silbertablett in die Provinz

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Mitten im Nichts: Der Nordire Graeme McDowell hat den Weg nach Bad Griesbach gefunden. (Foto: Stuart Franklin/Getty)

Ein Resort-Besitzer und ein Sportvermarkter tun sich zusammen, um in Bad Griesbach ein Turnier der höchsten europäischen Kategorie zu veranstalten - ein Paradebeispiel, wie das Sport-Business funktioniert.

Von Gerald Kleffmann, Bad Griesbach

Man kann den Weg über die B388 und Eggenfelden nehmen, das ist von München aus die direkte Variante. Zwei Stunden sind nötig für die 150 Kilometer. Oder man fährt über Marktl am Inn, was den Vorteil hat, dass man den Geburtsort von Papst Benedikt XVI. kennenlernt. Eine Zeitersparnis bringt die Route nicht, in der Regel hetzen die Menschen ohnehin nicht in dieser Region. Wer die Anreise in den Südosten Bayerns auf sich nimmt, bleibt meist länger. In Bad Birnbach wegen der Therme. Oder in Bad Griesbach, wo das größte Golf-Resort Europas liegt. Seit diesem Donnerstag spielen dort namhafte Profis, bei der einst renommierten European Open, die seit 2009 keinen Veranstalter und Austragungsort fand. Eine interessante Geschichte steckt hinter der Wiederbelebung, die viel darüber erzählt, wie Sportbusiness funktioniert und warum die Provinz der ideale Fleck sein kann für ein Event, das 460 Millionen Menschen in 162 Ländern im TV empfangen und sehen könnten, wenn sie wollten.

Die neuen, alten European Open sind quasi ein Kickbackgeschäft in Vollendung

Der Mann, mit dem man reden muss, ist Dominik Senn, 47. Der Schweizer war Skirennfahrer, musste aber früh seine Laufbahn verletzt beenden. Er stieg als Sportvermarkter ein, mit Erfolg offenbar, jedenfalls behauptet Senn mutig, eine der "drei größten Agenturen der Welt" zu führen. Der Einblick, den er zu seiner European Open gewährt, deutet an, dass er wie ein Schach-Großmeister Zug um Zug plante.

Senns Welt ist nicht ohne das Wirken von Hans-Dieter Cleven zu verstehen. Cleven war Topmanager beim Dax-Konzern Metro, Mentor von Boris Becker und führt eine Stiftung. Sein Ruf ist der eines Strippenziehers. Als Privatperson gehört ihm das Golfresort in Bad Griesbach. An der Schweizer Sportvermarktungsagentur 4Sports besitzt er 50 Prozent, die anderen gehören: CEO Senn. So heckten die zwei vor vier Jahren den Plan aus, ein Turnier der höchsten europäischen Profiserie auszurichten, der European Tour. In ihrem Portfolio besaßen sie die nötigen Zutaten, um sich unabhängig ans Werk zu machen. Cleven hat den Platz, den Beckenbauer Course, die Hotels auch; die Agentur führt Spieler zu. Nach der dreijährigen Testphase mit einem Turnier der Challenge Tour folgt nun der Schritt auf die große Bühne. Die European Tour, in allgemein schweren wirtschaftlichen Zeiten froh über solvente Veranstalter, frisst Senn ohnehin aus der Hand. Als er um eine Lizenz bat, wurde sie ihm auf dem Silbertablett überreicht.

Dass die Lage in der Provinz Zuschauer kostet, ist einkalkuliert

Das Golfgeschäft ist gern ein Geben und Nehmen, aber die alten, neuen European Open sind quasi Kickbackgeschäfte in Vollendung. Senn gibt offen zu, dass er mit Cleven die komplette Kontrolle über das Event habe und das schätze. Sie gibt ihm Freiheiten, die jüngst noch größer wurden. 4Sports schluckte eine US-Agentur mit zig Topprofis. "Bei jedem der vier Majors 2015 waren zehn Prozent im Feld von uns", sagt er. Wenn Senn künftig mit manchem Profi am Tisch sitzt, kann er perfekt mit sich selbst verhandeln in der Rolle als Veranstalter, der Darsteller braucht, und in der Rolle als Manager der Sportler, der Gutes abschöpfen will. "Ich komme günstig an Spieler", sagt er, "das ist heute das Schwierigste." Eine Interessenskollision scheint es nicht zu geben, wer will ihn anklagen? Er ist kein Funktionär, verplempert kein öffentliches Geld, geht ins Risiko. Die freie Lizenz der German Open nahm er nicht. Man ahnt, warum. Eine Zusammenarbeit mit dem Lizenzinhaber, dem deutschen Verband, hätte seine Handlungsfähigkeit eingeschränkt. Senn sieht sich als Macher. Nicht als Verwalter. Hinter den Kulissen strickt er an Millionen-Deals. Man sieht ihn in Bad Griesbach aber auch, wie er Besuchern den Weg zum WC zeigt.

In einem Punkt indes ist auch er nicht autark. Er brauchte einen geeigneten Wirtschaftspartner: einen doppelpasstauglichen Titelsponsor. Dass dieser Porsche wurde, hat etwa den Vorteil, dass das Chauffieren in Bad Griesbach einfacher ist als mit jener Fluglinie, die auch Interesse hatte. Viele Profis schätzen überdies rasante Autos. Senn wäre dem Geldgeber zuliebe sogar nach Stuttgart gegangen, Hamburg reizte ihn auch. Bad Griesbach hatte nur den Vorteil: Man konnte sofort loslegen, dank des profitauglichen Platzes und der eigenen Infrastruktur. "Aber für die Zukunft können wir uns auch einen anderen Standort vorstellen", sagt Senn. Die Anlage Green Eagle bei Hamburg etwa gefällt ihm.

Das Gerücht, dass es ihm und Cleven vor allem darum geht, mit dem Turnier das um Gäste kämpfende Resort zu bewerben, weist er zurück: "Wir wollen mit einem Spitzenturnier Fuß fassen, Deutschland ist ein wichtiger Golfmarkt." Sein Feld ist mit vier Major-Siegern und 20 Ryder-Cup-Spielern tatsächlich sehr gut. Dass die Lage in der Provinz Zuschauer kostet, ist einkalkuliert. Zum Auftakt am Donnerstag kamen 5800, das Soll liegt bei 4000 pro Tag; die European Open sieht Senn primär als globales TV-Ereignis. Der Nordire Graeme McDowell sorgt für Interesse auf den Inseln, Charl Schwartzel in Südafrika, Hunter Mahan in den USA, Bernhard Langer in Deutschland. Martin Kaymer sagte zwar, dass er das zweite deutsche PGA-Turnier nach München/Pulheim toll finde, spielte aber lieber in den Niederlanden und Italien und pausiert nun. Seine Haltung zum Golfstandort Germany ist gespalten. Senn sieht Kaymers Fehlen entspannt: "Der größte deutsche Star ist hier Langer." 2016 wollen zwei US-Größen antreten, ergänzt er noch. Seine Vermarktungskette braucht hochwertiges Öl. Und er kann es liefern.

© SZ vom 25.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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