Golden State Warriors in der NBA:Wirkt alles so leicht

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Fühlt sich wie fliegen an: Stephen Curry (am Ball) vom Meister Golden State Warriors ist auch in dieser Saison praktisch nicht zu stoppen. (Foto: Ezra Shaw/AFP)

Die Golden State Warriors jagen in der NBA Rekorde und werden mit den besten Mannschaften der Geschichte verglichen.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Dennis Rodman findet es gar nicht mal so imposant, was da gerade in der nordamerikanischen Basketballliga NBA passiert. Das liegt zunächst einmal daran, dass Rodman jede Sache nicht besonders imposant findet, an der er nicht höchstselbst beteiligt ist. Es könnte auch damit zu tun haben, dass sich der einstige Basketballheld nun endgültig von der Exzentrik in den Zustand geistiger Umnachtung verabschiedet hat - darauf deuten zumindest Videos von seinem grotesken Besuch beim nordkoreanischen Diktator Kim Jong-un hin. Es könnte aber auch gekränkter Stolz sein.

Rodman war vor Kurzem zu Gast beim Radiosender Sirius XM NBA. Es ging während des Interviews um Rodmans ehemaligen Arbeitgeber, die einst so dominanten Chicago Bulls. Es ging zudem um die Golden State Warriors und deren aktuelle Form, für die man neue Adjektive erfinden muss, um sie adäquat zu beschreiben. Am Freitag gewannen die Warriors 106:94 gegen die nicht mehr ganz so dominanten Chicago Bulls, es war ein zähes, intensives, spannendes Spiel, fünf Minuten vor dem Ende stand es 89:89. Doch plötzlich wirkte alles wieder so leicht für Golden State: ein Drei-Punkte-Wurf und ein Korbleger von Stephen Curry, zwei Dreier von Harrison Barnes - schon lagen die Warriors deutlich vorne.

"Die Siegesserie bringt keinen zusätzlichen Druck", sagte Curry danach: "Sie dient vielmehr der Motivation, auch solch enge Spiele zu Ende zu bringen und die Serie noch ein bisschen weiterzuführen." Von 14 Saisonspielen haben die Warriors nun 14 gewonnen - das haben in der NBA-Geschichte bislang nur vier Teams (Washington Capitols 1948/49, Boston Celtics 1957/58, Houston Rockets 1993/94 und Dallas Mavericks 2002/03) geschafft. Gewinnen sie am Sonntag in Denver und am Dienstag gegen die Los Angeles Lakers, dann würden die Warriors als erster Klub in der NBA-Geschichte die ersten 16 Partien einer Saison für sich entschieden haben.

"Die kommen schon wieder auf die Erde zurück", glaubt Rodman

Die Warriors haben in der vergangenen Spielzeit die Meisterschaft gewonnen (4:2 in der Finalserie gegen die Cleveland Cavaliers) und agieren in dieser Saison bislang noch beeindruckender, noch souveräner, noch effizienter. Manche Beobachter vergleichen sie deshalb schon mit den besten Teams der Geschichte, vor allem mit den Chicago Bulls, die 1995/96 72 von 82 Saisonspielen gewonnen und danach in den Playoffs gerade einmal drei Partien verloren hatten. Aber die Warriors, "die kommen schon wieder auf die Erde zurück", sagte Rodman nun, wie Michael Jordan und Scottie Pippen ein Mitglied dieser Bulls-Mannschaft. Die aktuelle Bilanz der Warriors sei ihm egal, und überhaupt: "Die NBA war damals zu 110 Prozent besser."

Bei den Bulls spielte damals auch Steve Kerr, er war einer der besten Werfer jenseits der Drei-Punkte-Linie. Mittlerweile ist er der Trainer der Warriors, zumindest offiziell. Die Siege werden, das besagen die NBA-Regeln, seiner Bilanz gut geschrieben. An der Seitenlinie jedoch agiert derzeit der erst 35 Jahre alte Luke Walton. Kerr erholt sich noch immer von zwei kniffligen Rückenoperationen im Sommer: "Ich habe andauernd Kopfschmerzen und bin nicht in der Lage, das Team zu führen", sagte er unter der Woche, als er die Warriors während der Auswärtsreise überraschend besuchte und eine bewegende Rede an die Spieler hielt: "Wenn es mir besser geht, dann geht es mir besser - aber es gibt keinen Zeitplan für meine Rückkehr."

Die Warriors haben ohne ihren Trainer nun 14 Spiele nacheinander gewonnen - das ist, als würde der FC Bayern auch ohne Pep Guardiola an der Seitenlinie eine Partie nach der anderen für sich entscheiden. "Ich spreche jeden Tag mit Steve, sowohl über Trainingsdetails als auch über einzelne Spielzüge - es ist natürlich sein Team", sagt Walton, der als Spieler mit den Lakers zwei Mal die Meisterschaft gewonnen hat (2009 und 2010). Sein Trainer hieß übrigens Phil Jackson, der in der Saison 1995/96 die Bulls trainiert hatte: "Ich habe wie Steve unter Jackson gelernt, vielleicht hilft uns das jetzt", sagt Walton. Seine Bilanz als Aushilfe an der Seitenlinie lautet trotz der Siegesserie: 0:0. "Das ist mir egal", sagt er: "Wir gewinnen, der Rest interessiert doch niemanden."

Der Trainer im Krankenstand hat ein fantastisches Gebilde hinterlassen

Die Warriors präsentierten zu Saisonbeginn phänomenale Leistungen, Kritiker bemängelten jedoch, dass sie es dabei eher mit Opfern als mit Gegnern zu tun gehabt hatten. Nun besiegten sie am Donnerstag die Clippers 124:117 in deren Halle in Los Angeles, am Freitag dann daheim die Chicago Bulls. Stephen Curry erzielte nicht nur 27 Punkte, er sorgte auch für den Moment des Abends, als er seinen Gegenspieler Kirk Hinrich mit einem bezaubernden Dribbling narrte. Ball durch die Beine, hinter dem Rücken zurück, noch einmal hinter dem Rücken nach rechts, Korbleger.

Zwei Dinge stehen seitdem fest: Hinrich wird niemals so alt, wie er in diesem Moment aussah - und der Erfolg der Warriors ist kein Zufall. Sie sind trotz der prägenden Akteure Curry und Klay Thompson ein homogener Haufen, bei dem auch ein Harrison Barnes wie gegen Chicago 20 Punkte erzielt und Ersatzmann Andre Iguodala (der wertvollste Spieler der Finalserie der vergangenen Saison) nur auf zwölf Zähler kommt. Kerr hat ein fantastisches Gebilde errichtet in Golden State, das auch während seiner Genesung nicht wackelt.

Nur Dennis Rodman ist noch nicht so recht überzeugt von den Warriors: "Die müssen unsere Bilanz erst einmal erreichen. Und selbst wenn: Wir haben das zuerst geschafft. Und wenn sie eine bessere Bilanz schaffen, dann ist mir das auch egal." Die Warriors freilich kümmert das nicht besonders, im Gegenteil: Wahrscheinlich müssten sie sich eher Sorgen machen, wenn Rodman ihnen Komplimente machen würde.

© SZ vom 22.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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