Glosse:Bis die Harke glüht

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(Foto: N/A)

Wenn das Sandmännchen kommt im Beachvolleyball-Stadion, kommt es zu sechst. Die Pfleger des feinsandigen Terrains arbeiten in perfekt choreografiertem Gleichmaß.

Von Thomas Kistner

Wenn das Sandmännchen kommt im Beachvolleyball-Stadion, kommt es gleich zu sechst. Das fällt kaum auf, die Sechs bewegen sich so synchron, dass sie wie einer aussehen. Die Pfleger des feinsandigen Terrains arbeiten in perfekt choreografiertem Gleichmaß, wie das nur möglich ist, wenn man eigens vor den Spielen eine Woche lang gemeinsam angelernt worden ist.

Haben die Spieler Pause, tritt das Sextett auf. Im Gleichschritt joggen sechs Burschen in (logischerweise) sandfarbenen Shorts an die Seitenlinie, halten inne, bis alle in Reih und Glied stehen. Sie präsentieren das Gerät. Sechs grüne Rechen: Da schaut her.

Und los geht's.

Es wird geharkt, bis die Rechen glühen. Zwei fegen den Sand entlang der Seitenlinien, zwei beulen die Sprunglöcher links und rechts vom Netz aus, das dritte Duo zieht die Spielfeld-Decke glatt. Wobei die hohe Kunst für alle darin besteht, ja nicht auf eine der geplätteten Stellen zu treten. Es würde das schöne Gesamtwerk ruinieren.

Das Verdienst der olympischen Sandmännchen kann gar nicht hoch genug besungen werden. Nicht nur, dass sie das Mekka der Beachvolleyballer alle paar Minuten fürs Fernsehen aufhübschen - die glatte Fläche hilft verhindern, dass die Spieler in die tiefen Mulden sinken, die der feine Natursand hier gern bildet, und sich womöglich verletzen. Oder dass sie beim Monsterblockversuch am Netz jämmerlich aus der Balance geraten.

Im Copacabana-Sand lauern tückische Hinterlassenschaften

Auch steckt im Sand der Copacabana manch andere Tücke. Scharfkantige Hinterlassenschaften zum Beispiel aus der Zeit, als dieser Teil des Strandes noch Strand und von konsumfreudigen Cariocas besiedelt war. Darauf steht kein Olympionike.

Natürlich sind auch die Referees dankbar für die stete Reparaturarbeit. Solange die blauen Bänder noch erkennbar sind, die das Spielfeld markieren, fällt es deutlich leichter zu beurteilen, ob der Ball inner- oder außerhalb landet. Im Zweifel hilft sonst nur die Videotafel, auf der die Zeitlupenwiederholung eingespielt wird (geniale Entscheidungshilfe übrigens, die sich der vorgestrige Fußball einmal abschauen könnte). Insofern tragen die Sandmännchen auch dazu bei, dass beim olympischen Beachvolleyball unbeschwert getanzt und gesungen wird - und nicht alle ständig Video gucken müssen.

Wenn der Job erledigt und die prachtvoll goldene Spielebene planiert ist, nehmen die Sechs Aufstellung an der anderen Längsseite. Halten inne, zeigen noch mal, was eine Harke ist, dann geht's in frohen Hüpfern zurück hinter die Bande. Die Sandmännchen sind Studenten aus Rio (wobei es für den Job nicht direkt ein Diplom braucht). Für sie ist Dabeisein alles, und die Nähe zu den Sternen des Strandvolleyballs die Dreingabe.

Wenn das letzte Finale gespielt ist, könnten sie im Partystadion ruhig einmal was für die Rechen-Künstler auflegen. "Mister Sandman" von den Chordettes; oder "Enter Sandman" von Metallica - vielleicht doch eher in diese Richtung. Alle anderen Hits dieser Welt sind dort bis zum letzten Schmetterschlag sowieso abgespielt.

© SZ vom 17.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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