Glossar zur Fußball-EM:#Langeweile #Saufen_mit_Wiese

Deutschlands Ersatzkeeper müssen sich bei Laune halten, die Holländer sammeln fleißig Bonusmeilen, Oliver Bierhoff hat Mitleid mit Sänger Roger Cicero - und Twittern nur unter strengen Auflagen erlaubt. Ein Glossar zur Fußball-EM.

Carsten Eberts und Jürgen Schmieder

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The Netherlands soccer team poses for a photograph ahead of their friendly soccer match against Northern Ireland in Amsterdam

Quelle: Reuters

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Deutschlands Ersatzkeeper müssen sich bei Laune halten, die Holländer sammeln fleißig Bonusmeilen, Oliver Bierhoff hat Mitleid mit Sänger Roger Cicero - und Twittern nur unter strengen Auflagen erlaubt. Ein Glossar zur Fußball-EM.

Von Carsten Eberts und Jürgen Schmieder

Achmetow, Rinat: Ukrainischer Multimilliardär, Präsident von Schachtar Donezk, Kumpel von Staatspräsident Janukowitsch. Ist nachweislich der reichste Mann im Land. Kritiker behaupten, Achmetow sei auch der Kopf der organisierten Kriminalität im Land. Schwamm drüber. Hat schließlich die Fußball-EM ins Land geholt. Ist damit ein Heiliger im Land.

Bonusmeilen, die: Polen ist groß, die Ukraine noch größer. Die Autobahnen in Polen sind meist zumutbar, die in der Ukraine meist nicht. Die ukrainische Nationalmannschaft reist trotzig auf Schienen, viele andere Teams fliegen lieber. Die Holländer etwa, die in Kiew residieren, legen die 400 Kilometer zu ihren Vorrundenspielen in Charkow in der Luft zurück. Das sind allein in der Vorrunde sechs Flüge, was massig Bonusmeilen gibt. Wenn es sonst nur zur Erinnerungsplakette reicht.

Deutschland - Israel

Quelle: dapd

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Cicero, Roger: War zuletzt mit einigem Recht aus der Öffentlichkeit verschwunden. Oliver Bierhoff tat Cicero deswegen wohl leid, nun bekommt der Sänger Hilfe vom DFB: Er darf den offiziellen deutschen EM-Song "Für nichts auf dieser Welt" singen. Während Bierhoff begeistert ist, werden bei anderen böse Erinnerungen wach: Cicero hat Deutschland schon einmal in Europa vertreten. Beim Eurovion Song Contest. Damals landete er auf Platz 19. Von 24 Teilnehmern.

Disziplin, höggschde: Begriff aus dem Sprechrepertoire von Joachim Löw, der mittlerweile auf einer Stufe mit dem van Gaalschen "Chancen kreieren" steht. Der Bundestrainer ist aber ein schlauer Mensch, weshalb er mittlerweile den Begriff "Elitemannschaft" eingeführt, das Wort "Finale" jedoch abgeschafft hat. Sollte die deutsche Elf in der Vorrunde scheitern, dürfe der Begriff "Erinnerungsplaketten" recht wichtig werden.

Elektronische Fußfessel

Quelle: dpa

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Erinnerungsplaketten, die: Bekommt laut Absatz 3.06 des Reglements jeder Verband, der an der Endrunde teilnimmt. Die Halbfinalisten bekommen jeweils eine besondere Plakette, die Finalisten gar 40 Medaillen. Könnte also sein, dass auch Zieler, Ron Robert eine bekommt.

Fußfesseln, die: Erinnert rund 1700 polnische Hooligans daran, dass die Fußball-EM in ihrem Land beginnt. Die Fußfesseln sind auf die EM-Stadien programmiert, sollen diese Menschen davon fernhalten oder notfalls die Ordnungshüter alarmieren. Damit die Fußballparty nicht gestört wird - und deutsche Problemfans in Ruhe bei ausländischen Hymnen pfeifen können.

Mopsrennen in Hannover

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Generation, die: Gibt es in jedem Land. Portugal hat laut eigenen Angaben seit 30 Jahren eine goldene. Die von Deutschland war einst eine von Rumpelfüßlern, seit sechs Jahren aber ist sie äußerst gülden. Komischerweise gewinnen goldene Generationen ganz selten Titel. Von der spanischen einmal abgesehen.

Hunde, die: Bellen, Wedeln mit dem Schwanz, werden gerne am Bauch gekrault. Haben damit ein noch besseres Leben als Köpke, Andreas. Nicht jedoch in der Ukraine: Dort wurden tausende Straßenhunde vor der EM eingefangen, vergiftet und getötet. Damit streunende Köter während der EM nicht das Straßenbild verschandeln. Die Tierschutzorganisation Peta forderte gar einen Boykott der EM. Gespielt wird trotzdem.

Klopp haelt Wachabloesung des FC Bayern fuer moeglich

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Italien: Parlamentarische Republik in südlicher Alpenlage, in der a) mehr Autos geklaut werden als in Polen, in der b) mehr Spiele verschoben werden als in der Ukraine, in der c) die einstmals beliebte Ballsportart Fußball angeblich vom Aussterben bedroht ist und die deshalb d) trotz wahnsinniger Vorbereitung garantiert den EM-Titel holt. (SZ)

Jürgen, der: Fußballtrainervorname. Verwendet von a) Ladenauseinandernehmern und b) Meisterwerbern. a) nimmt gerade Amerika auseinander, b) ist in 99 Prozent aller schlechten Werbespots zu sehen. Nach "Enjoyyyyyyyyy", "Jetzt hömma zu" und "Bei jedem Einsatz Höchstleistung" kommt nun: "Dein Bart für Deutschland" (siehe Leitwolf, der).

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Quelle: AFP

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Köpke, Andreas: Deutscher Torwarttrainer, hat den besten Job der Welt. Darf zu großen Turnieren reisen, in teuren Hotels wohnen, kostenlos Fußballspiele betrachten. Hat dabei kaum etwas zu tun, muss lediglich vor dem Turnier aus fünf-sechs hervorragenden Torhütern in der Bundesliga drei hervorragende Schlussmänner aussuchen. Sollte mal Torwarttrainer in England werden. Dann wüsste er, was harte Arbeit ist.

Leitwolf, der: Entgegen anders lautender Meldungen noch nicht ausgestorbene Fußballerspezies (siehe Wade der Nation, die). Wird mittlerweile auch über Optik definiert, wichtigstes Utensil laut schlimmstem Werbespot (siehe Jürgen, der) dieser EM: der Bart. Könnte allerdings Ausschlusskriterium für Philipp Lahm und Bastian Schweinsteiger (siehe Wade der Nation, die) sein.

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Quelle: AFP

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Metapher, die: Lieblingsstilmittel von Bierhoff, Oliver. Der erklärte schon die EM 2008 zur "Bergtour" und verlegte die Kaderverkündung auf die Zugspitze. Darf sich nun richtig austoben und ließ am Mannschaftshotel (siehe Unterkunft, die & Olivenhof, der) diesen Spruch anbringen: "Wir sind Teamgeist - Wir sind Begeisterung - Wir sind Spielfreude - Wir sind Siegeswille: Wir sind bereit."

Nullnull, das: Schrecklichstes aller Fußballergebnisse. Einzige Hoffnung ansonsten hoffnungslos unterlegener Mannschaften, sich nicht zu blamieren und in der Ausschlussrunde ins Elfmeterschießen zu retten. Berühmtes Opfer des Nullnull: Die deutsche Rumpelelf (siehe Generation, die) bei der EM 2004 gegen Lettland. Noch ein berühmtes Opfer: Frankreich gegen Tschechien im Halbfinale 1996.

Die Quartiere der 16 EM-Teams sind luxurioes

Quelle: dapd

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Olivenhof, das: Hotel der deutschen Nationalelf, heißt auf Polnisch "Dwor Oliwski". Wäre auch von den Franzosen und Spaniern gerne gebucht worden. Doch die Deutschen hatten als Erste ihre Handtücher ausgebreitet. Natürlich ausgestattet mit Loungesesseln und Playstations, in der Nacht vor Spielen allerdings verwaist. Da reisen die Deutschen entweder mit dem Flugzeug (siehe Bonusmeilen, die) und dem Bus (siehe Startgeld, das) in die Zweitunterkunft (siehe Unterkunft, die).

Platini, Michel: Französischer Sportfunktionär mit gesamteuropäischem Portfolio. Wie alle anderen Sportfunktionäre ausschließlich dem Ehrenamt verpflichtet. Liebt Bodenständigkeit, Transparenz und Fairness und will den Fußball von seinem ökonomischen Irrweg zurück auf den Pfad der Tugend führen. Hat deshalb im Jahre 2007 hinter den Kulissen eine breite Mehrheit für die Europameisterschaft in Polen und der Ukraine organisiert. Es gab bislang kaum Protest - so was kostet laut Reglement aber auch 1000 Euro. (SZ)

Wachsfigur von Ronaldo an Berliner Fanmeile

Quelle: dpa

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Qualifikation, die (weitergeleitet von Todesgruppe): Schwerer war es noch nie, zu einer EM zu gelangen. Schon in den Qualifikationsgruppen trafen sich die Hochkaräter, einige lieb gewonnene Gesichter fehlen deshalb. Die lustigen Schweizer sind raus, ebenso die zähnefletschenden Serben und die Türkei: Das stolze Land kam in der Gruppenphase nicht an Deutschland vorbei, scheiterte in den Playoffs dann an Kroatien. Und Österreich - ja Österreich. Ach, Österreich. Ach.

Ronaldo, Cristiano: Begnadeter Kicker mit schönen Beinen und schönen Haaren, der das Pech hat, Bürger des Landes Portugals zu sein und damit zu einer goldenen Generation (à) zu gehören, die nie einen Titel gewinnt. Hat damit ein ähnliches Schicksal wie Zlatan Ibrahimovic. Und Wayne Rooney. Und Tomas Rosicky. Und Andrej Schewtschenko. Und Andreij Arschawin. Und Arjen Robben. Womöglich sogar Philipp Lahm.

EURO 2012 - Deutschland Training

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Startgeld, das: Wird bei der EM im Gegensatz zur Champions League (200 Euro pro Verein) nicht verlangt. Im Gegenteil: Die Uefa beteiligt sich an den Reisekosten der Verbände. Bezahlt wird die Reise im klimatisierten Mannschaftsbus, in der ersten Klasse der Bahn - aber nur in der Economy-Class bei Flügen. Dafür wird den Verbänden "örtlicher Bodentransport innerhalb des Gebietes der Ausrichterländer für maximal 40 Personen zur Verfügung gestellt".

Twitterverbot, das: Wurde den spanischen Profis angedroht, letztlich aber aufgehoben. Wurde auch den dänischen Profis angedroht - und tatsächlich durchgesetzt. Den deutschen Spielern ist es untersagt, Nachrichten zu verbreiten "über Verletzungen, Taktik, einfach über Dinge, die nur die Mannschaft angehen". Marco Reus darf also nicht twittern: ""Haben rausgefunden, dass #Portugal mit zwei Stürmern schlecht zurecht kommt. Spiele deshalb morgen neben #Miro im Sturm. Und nicht der #Mario. Dabei hat er sich gerade schon seine #Haare gemacht. Hihihi."

EURO 2012 - Deutschland Training

Quelle: dpa

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Unterkunft, die: a) Möglichkeit für Fünf-Sterne-Hoteliers in den Gastgeberländern, viel Geld zu verdienen, weil: b) jeder teilnehmende Verband zwei davon braucht. Regel 11.11 besagt nämlich: "Die Mannschaften müssen spätestens 24 Stunden vor Spielbeginn in ihrem Transferhotel eintreffen oder sich im Umkreis von 60 Kilometern um das Stadion aufhalten, in dem ihr Spiel ausgetragen wird." Aus diesem Grund sammeln die Verbände neben Bonusmeilen nun auch Hotelprämien.

Vorbereitung, die: War bei der deutschen Elf arg zerrüttet, weil die Leitwölfe (à) aus Madrid und München arg spät zum Team stießen. Wurde derart intensiv beklagt, dass man annehmen konnte, bereits die Entschuldigung für ein mögliches Scheitern (siehe Erinnerungsplaketten, die) zu lesen. Das stimmt natürlich nicht - denn schließlich war die Vorbereitung der Spanier (13 verspätete Spieler) noch zerrütteter und die der Italiener noch chaotischer.

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Quelle: AFP

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Wade der Nation, die: Grundsätzlich im exklusiven Besitz von Leitwolf, der. Sorgt dafür, dass der Bundestrainer vor dem Turnierstart eine Rede zur Wade der Nation halten muss. War ein Phänomen, das früher auf die deutsche Nationalelf und noch früher auf Michael Ballack beschränkt war. Ist mittlerweile aber derart en vogue, dass sich auch die Tschechen (Rosicki, Tomas) und die Italiener (Barzagli, Andrea) eine WdN halten.

Xavi: weltweit führender Mittelfeldspieler, brillanter Stratege, genialer Passgeber. Ist Kopf, Herz, Lunge und Syndesmoseband einer Mannschaft. Spielt für den kommenden Europameister Spanien, was für sich alleine noch keinen Lexikoneintrag rechtfertigen würde. Genießt aufgrund seines Anfangsbuchstabens aber eine gewisse Monopolstellung in der X-Nische. Hat sich auf diese Weise bereits ins Lexikon zum Champions-League-Finale 2012 geschmuggelt. Darf sich auf Erwähnungen in den Lexika zur WM 2014, zur EM 2016 sowie zu allen noch verbleibenden Olympischen Spielen der Neuzeit freuen. (SZ)

EURO 2012 - Deutschland Training

Quelle: dpa

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Ya Konan, Didier: Stürmer der Elfenbeinküste, bei der EM deshalb nicht dabei. Wie übrigens auch Carles Puyol, David Villa, Gary Cahill und Ivica Olic (alle verletzt). Oder Cacau, Lars Bender, Julian Draxler und Marc-André ter Stegen (alle nicht nominiert). Oder Michael Ballack, Kevin Großkreutz, Roman Weidenfeller oder Thorsten Frings (passen halt nicht).

Zieler, Ron-Robert: Dritter deutscher Torwart, hat damit den zweitbesten Job der Welt nach Köpke, Andreas. Muss nur ran, wenn Deutschland das Spiel um Platz drei erreicht und der Bundestrainer von Sentimentalitäten übermannt wird (siehe Butt, Hans-Jörg). Darf bis dahin die Freuden des Lebens genießen. Darf allerdings auch keine Interna aus der Kabine twittern. #Langeweile #Ausschlafen #Saufen_mit_Wiese

© Süddeutsche.de/ebc/jüsc/jbe
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