Gladbachs Yann Sommer:Das Acht-Millionen-Euro-Versprechen

Borussia Mönchengladbach vs VfB Stuttgart Fussball 1 Bundesliga 24 08 2014 Yann Sommer

Steht in Gladbach unter Druck: Yann Sommer.

(Foto: imago sportfotodienst)

Er ist der drittteuerste Torhüter der Bundesliga-Geschichte: Yann Sommer, die neue Nummer eins in der Schweizer Nationalmannschaft, soll bei Borussia Mönchengladbach Marc-André ter Stegen ersetzen. Dem typischen Bild des Fußballprofis entspricht Sommer nur bedingt.

Von Andreas Babst

Yann Sommer ist Torwart. Er ist auch Gitarrist. Sommer liest gerne, besucht Kunstaustellungen. Doch vor allem ist er Torwart; seit Juli bei Borussia Mönchengladbach. Acht Millionen Euro haben sie für den Schweizer an den FC Basel überwiesen, verbunden mit einem Auftrag: Sommer soll den zu Barcelona gewechselten Marc-André ter Stegen ersetzen.

Mehr Ablöse haben in Deutschland bislang nur Manuel Neuer und eben jener ter Stegen gekostet. Acht Millionen Euro sind viel für einen 25-jährigen Torwart, der bisher in der Schweiz und in Liechtenstein Fußball und Gitarre gespielt hat. In Gladbach sind sie trotzdem der Meinung, einen richtig guten Griff getan zu haben. Mit 14 Jahren wechselte Sommer zum FC Basel. Als 17-Jähriger stieg er zum dritten Torwart der ersten Mannschaft auf, ein Jahr später lieh ihn Basel an den FC Vaduz aus, in die zweite Schweizer Liga.

"Viele junge Spieler haben Unsinn im Kopf, Sommer nicht. Er war unglaublich fokussiert", erinnert sich Heinz Hermann, Sommers Trainer in Vaduz. Ein Jahr spielte der junge Torhüter in Zürich, 2010 ging er zurück nach Basel. Nach einem Jahr wurde er zur Nummer eins befördert. Yann Sommer holte mit Basel vier Meisterschaften, spielte im Europapokal und erwarb sich nebenbei den Ruf, zuverlässig Elfmeter zu parieren.

Für Sommer ist die Bundesliga der nächste Schritt, die nächste Herausforderung, sagt er selbst. Die Erwartungshaltung von Fans und Medien sei groß, sagt er. Das stimmt: Sie erwarten nicht weniger als einen gleichwertigen Ersatz für ter Stegen.

Da ist der Berufsalltag in der Schweiz doch ein einfacherer. Die öffentliche Erwartungshaltung ist gering, Titel gibt es bei Basel zuhauf, mindestens die Europa League ist jedes Jahr drin. "Natürlich spürt Yann den Druck in Deutschland, gerade wenn sich Fehler häufen", sagt Jörg Stiel. Stiel ist ebenfalls Schweizer und stand von 2001 bis 2004 im Gladbacher Tor, er verfügt über den einen oder anderen Referenzwert. Stiel glaubt: "Yann kann mit diesem Druck umgehen."

Mittlerweile hat sich Sommer eingelebt bei der Borussia. Nach einigen Missgeschicken in der Vorbereitung sowie im Hinspiel der Europa-League-Qualifikation gegen Sarajevo meldeten sich bereits die Kritiker: Der Schweizer sei zu klein (1,83 Meter), sein Spiel sei zu riskant. Wie Sommer beim 7:0-Sieg im Rückspiel gegen Sarajevo auftrat, dürfte sie fürs Erste wieder verstummt haben lassen: Der Schweizer parierte zweimal stark und zeigte bezüglich Strafraumbeherrschung und mit dem Ball am Fuß eine gute Leistung.

Alles, bloß kein typischer Torwart

Als Person hat sich Sommer in Gladbach schon seit längerem etabliert. Bei der Teampräsentation war es Sommer, der im Chor der Zugänge am lautesten die Fan-Hymne mitsang. Er hatte sich das Mikrofon vom Moderator geschnappt und seine zurückhaltenden Kollegen bei diesem Initiationsritus angeführt. Ihm sei wichtig, dass der Klub ihn engagieren wollte, nicht allein der Trainer, sagt Sommer: "Ich bin nicht der Typ der einfach irgendwohin wechselt. Mir ist es wichtig ein Umfeld anzutreffen, wo ich mich wohl fühle."

Sommer entspricht in seiner Außendarstellung nicht dem typischen Profifußballer. Spieler wie er werden oft in die intellektuelle Ecke gedrängt. Ob er sich in dieser Rolle gefällt? Sommer denkt nach: "Das sind einfach Dinge, die ich gerne tue. Der Stempel des Intellektuellen stört mich nicht, er ehrt mich."

Auf dem Platz fällt Sommer vor allem durch seine Spielweise auf. Der Schweizer bezeichnet sich selbst als "offensiven" Torwart, als Spieler, der nicht einfach als letzter Mann das Treiben der Teamkollegen begutachtet. Sommer will in die taktische Ausrichtung der Mannschaft eingebunden sein, als Impuls- und Taktgeber in der Spieleröffnung.

Als er in Basel noch dritter Torwart war, ließ ihn der Trainer auf dem Feld mittrainieren, davon profitiere er heute, sagt Sommer. Er fühlt sich wohl vor dem Strafraum, ist stets anspielbar in der Mitte, wenn die Außenverteidiger vorrücken und die Innenverteidiger seitlich verschieben. Wie das in Vollendung aussieht, hat Manuel Neuer erst kürzlich bei der WM zelebriert. "Es macht Spaß, ihm zuzuschauen", sagt Sommer über den deutschen Nationaltorhüter.

In Gladbach haben sie sich mit dieser Spielweise seit der Schaffenszeit von ter Stegen angefreundet. Auch ein Grund, weshalb die Wahl für ter Stegens Nachfolger auf Sommer fiel. Dass die Gladbacher mit ihm die künftige Schweizer Nummer eins verpflichtet haben, wussten sie damals noch nicht. Wolfsburgs Diego Benaglio trat vergangene Woche aus der Nationalmannschaft zurück, Auswahl-Trainer Vladimir Petkovic bestimmte Sommer am Freitag als Nachfolger. "In der Schweiz die Nummer eins zu sein wird ihm zusätzlichen Schub für die Bundesliga geben", sagt Stiel.

Sommer selbst ist vorsichtiger. "Sollte es wirklich so kommen, ist das für mich ein große Ehre." Im Moment konzentriere er sich auf Gladbach. Acht Millionen Euro sind viel für einen 25-jährigen Torwart aus der Schweiz. Er will die großen Erwartungen nicht enttäuschen.

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