Gladbachs Uwe Kamps im Interview:"Ich bin eher ein Heimchen-Typ"

Uwe Kamps arbeitet seit 30 Jahren für Borussia Mönchengladbach, zuerst als Torwart, jetzt als Torwarttrainer. Warum er ein Angebot von Real Madrid ausschlug und was er vom heutigen Transfermarkt hält - ein Gespräch über Heimatverbundenheit im Profifußball und das schnelllebige Geschäft im Jahr 2012.

Jonas Beckenkamp

Der gebürtige Düsseldorfer Uwe Kamps hat mit 18 Jahren seinen ersten Profivertrag bei Borussia Mönchengladbach unterschrieben und danach nie den Klub gewechselt. Bis 2004 bestritt der Torwart 390 Bundesliga-Spiele für den Verein, anschließend wurde der heute 47-Jährige Torwarttrainer der Borussia. Ein Gespräch über Heimatverbundenheit im Profifußball, eine verlockende Offerte aus Madrid und das Geschehen auf dem Transfermarkt im Januar 2012.

Uwe Kamps

Ein Leben für Borussia Mönchengladbach: Uwe Kamps feiert dieses Jahr seinen 30. Jahrestag - als Vereinsmitglied. 

(Foto: imago sportfotodienst)

Süddeutsche.de: Herr Kamps, was hat Sie so lange am Niederrhein gehalten? Die flache Landschaft? Der Karneval?

Uwe Kamps: (lacht) Ich fühlte mich einfach immer sehr wohl hier. Zu meiner Zeit wechselten vor allem Torhüter nicht so oft den Klub.

Süddeutsche.de: Wollten Sie wirklich nie weg, mal was anderes ausprobieren?

Kamps: Sicher gab es Phasen, in denen es nicht lief und ich kurz an einen Wechsel dachte. Aber wenn ich länger unterwegs war, habe ich mich immer auf zu Hause gefreut. Ich bin schon eher ein Heimchen-Typ.

Süddeutsche.de: 2012 ist Ihr 30. Jahr als Gladbacher. Ist Ihnen nie langweilig geworden?

Kamps: Eigentlich nicht. Ich schaffte nach meiner aktiven Karriere den nahtlosen Übergang in den Trainerbereich. Ich bin in Gladbach nicht stehengeblieben, sondern habe stets dazugelernt.

Süddeutsche.de: Welche Rolle spielte Ihre Heimatverbundenheit, als bei Ihnen Mitte der 1990er Real Madrid anfragte?

Kamps: Als Bodo Illgner dort im Tor stand, wollte mich Real zum Ersatzmann machen. Aber das war nie mein Ding. Ich spielte damals schon so lange für die Borussia und fand, dass es keinen Sinn ergäbe, für ein oder zwei Jahre wegzugehen. Ich wusste, was ich in Gladbach hatte, dieser Verein hat auch einen guten Namen - und bei der Borussia war ich gesetzt.

Süddeutsche.de: Aber es waren die Königlichen!

Kamps: Das war nicht entscheidend. Das Wichtigste ist doch, auf dem Platz zu stehen. Deswegen ließ ich mir auch gegen Ende meiner Karriere einen Anschlussvertrag in meine Arbeitspapiere schreiben, um hier weiterzuarbeiten. Ich habe den Bökelberg miterlebt und jetzt das neue Stadion - für mich ist das nach 30 Jahren ein Zuhause geworden. Hier kenne ich die Leute und weiß, was zu tun ist.

Süddeutsche.de: Welche Gedanken haben Sie sich gemacht, wenn Anfragen kamen?

Kamps: In erster Linie zählt der sportliche Aspekt: Habe ich die Möglichkeit, bei einem Klub dranzukommen? Das traf im Fall des Real-Angebots nicht zu. Natürlich spielt auch Geld eine Rolle. Aber eigentlich ist der Spaß am Beruf die wichtigste Grundlage.

Süddeutsche.de: Profis sprechen heute oft davon, dass eine Auslandserfahrung auch den Menschen weiterbringt.

Kamps: Klar verpasste ich somit die Chance, bei einem großen Klub zu sein und eine andere Sprache zu lernen, aber ich habe mich eben so entschieden - und kann damit heute gut leben.

"Der Transfermarkt ist extremer geworden"

Süddeutsche.de: Wie hat sich der Transfermarkt verändert?

Kamps: Es ist extremer geworden. Das Bosman-Urteil (seit 1995 sind Profis nach Ablauf ihres Vertrags ablösefrei, Anm. d. Red.) war ein Quantensprung im Transfergeschäft. Somit bestanden plötzlich viel mehr Möglichkeiten zu wechseln und es ergab sich ein hoher Durchlauf. Früher kamen mal zwei, drei Neue und ein paar gingen weg. Es war möglich, sich einzuspielen, weil sich alle kannten und eine gewisse Harmonie für Ordnung sorgte.

Süddeutsche.de: Wolfsburg holte in diesem Winter neun Spieler.

Kamps: Die meisten Einkäufe gehen dort in Richtung Stammspieler, viele von ihnen haben auch ordentlich Geld gekostet. Ich finde es schwierig, auf diese Weise in kürzester Zeit eine funktionierende Einheit aufzubauen und ein Team zu formen. Der Fußball lebt auch von Routine und guter Abstimmung - so was braucht Zeit.

Süddeutsche.de: Verstehen Sie die Profis, wenn Sie häufiger den Klub wechseln?

Kamps: Die Jungs können heute einfach gehen, wenn es bei ihrem Klub nicht klappt. Früher musste man sich durchbeißen und sagen: Ich habe hier jetzt eine Chance und die will ich nutzen. Jetzt kann ein Spieler jederzeit wechseln, wenn er nicht mit dem Trainer oder den Mitspielern zurechtkommt. Fußballer sind immer im Stande, woanders finanziell interessante Verträge zu unterschreiben. Da fangen sie natürlich an zu überlegen.

Süddeutsche.de: Die spektakulärste Personalie dieses Winters ist Marco Reus' anstehender Wechsel nach Dortmund. Tut Ihnen als treuer Seele sein Abgang besonders weh?

Kamps: Wir sollten nicht vergessen, dass er zurück zu seinen Wurzeln geht. Es ist sein Traum, in seiner Dortmunder Heimat zu spielen. Vielleicht tickt er da ähnlich wie ich und bleibt sehr lange dort. Ich habe dafür Verständnis.

Süddeutsche.de: Wenn neue Spieler nach Gladbach kommen, geben Sie dann den Herbergsvater?

Kamps: Kümmern muss ich mich vor allem um unerfahrenere Spieler: Denen erzähle ich dann Geschichten von früher und versuche, ihnen was mitzugeben.

Süddeutsche.de: Auch Torwarttrainer werden bisweilen ausgewechselt. Sie arbeiteten in Gladbach unter acht Cheftrainern. Haben Sie einen Bonus durch Ihre lange Klubzugehörigkeit?

Kamps: Ich denke schon, dass es ein Vorteil ist. Chefcoaches bringen meistens nur den Ko-Trainer mit. Die Position des Torwarttrainers ist in vielen Klubs langfristig besetzt - zum Beispiel mit Teddy de Beer in Dortmund oder Rüdiger Vollborn in Leverkusen. Solche Leute bleiben ihren Vereinen auch dann erhalten, wenn neue Verantwortliche kommen. Ich konnte in meinem Bereich immer recht autark arbeiten.

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