Gladbacher 3:0 im West-Finale:Alle Fesseln gelöst

Mönchengladbach setzt beim 3:0 gegen Leverkusen seine Erfolgsserie fort - und beendet eine 26 Jahre währende Albtraum-Serie. Die Borussia hat jetzt beste Chancen auf den direkten Champions-League-Einzug.

Von Milan Pavlovic, Mönchengladbach

Jupp Heynckes, der Meister-, ach was: der Triple-Trainer, hat am Samstag seinen 70. Geburtstag gefeiert. Und vermutlich auch den 3:0 (0:0)-Sieg seines Lieblingsklubs Borussia Mönchengladbach gegen Bayer Leverkusen. Der Klub vom Niederrhein hat seinen Vorsprung auf den direkten Konkurrenten im Kampf um den direkten Startplatz für die Champions League damit auf fünf Punkte ausgebaut. Zwei Spieltage vor Saisonschluss ein bequemes Polster - vor allem dann, wenn man bedenkt, dass die Borussia in zwölf Spielen nacheinander gepunktet, neun Heimspiele in Serie gewonnen hat und mindestens bis Sonntag sogar Zweiter vor Wolfsburg ist.

Leverkusens Sportdirektor Rudi Völler flüchtete sich nach der Niederlage in höhere Mathematik, als er vorrechnete: "Realistisch gesehen sind Platz zwei und drei weg - mathematisch nicht." Leverkusens Coach Roger Schmidt blieb nüchterner, indem er bilanzierte: "Die Wahrscheinlichkeit, dass wir Gladbach überholen, ist gering."

Ob nun wegen Jupp Heynckes' Feiertag oder einfach weil die Sonne schien, herrschte eine festliche Grundstimmung im Borussia-Park. Das hatten sich beide Mannschaften durch herausragende Rückrundenbilanzen aber auch wirklich verdient: Gladbach begann das Duell mit nur einer Rückrundenniederlage (0:1 bei Schalke 04), Leverkusen bloß mit zwei (in Bremen, sowie das verrückte 4:5 gegen Wolfsburg). Nicht nur der Kampf um den dritten direkten Startplatz für die Champions League versprach Spannung. Es gab weitere verheißungsvolle Details wie das Aufeinandertreffen im Mittelfeld des Leverkusener Bald-Fußballrentners Simon Rolfes und seines Noch-Gladbacher Nachfolgers Christoph Kramer; die spezielle Frage, ob Gladbach seine schwarze Serie gegen den rheinischen Rivalen (26 Jahre ohne Heimsieg) beenden würde; und die generelle Frage, wie sich das auf Konter spezialisierte Spiel der Gladbacher mit dem Pressing der Gäste vertragen würde.

Gladbach startet langsam, bleibt aber cool

Leverkusen ließ den Ball anfangs gut zirkulieren und schloss - hoch stehend und früh attackierend - effizient die Korridore für Gladbacher Angriffe. Aus der Fassung brachte das die Gastgeber aber nicht. Die Borussia braucht in der Rückrunde nicht viel, um zum Erfolg zu kommen. Im Grunde gefällt es der Herzenself von Jupp Heynckes sogar gut, wenn der Gegner ein bisschen tobt und tut und sie dann in Windeseile Löcher reißen kann, wo Sekundenbruchteile vorher nichts Brüchiges erahnbar war.

Nach zwölf Minuten voller Fehler der Gladbacher gab es wie zum Beweis einen Konter über Max Kruse, Raffael und Patrick Herrmann (13.), den Tim Jedvaj in letzter Instanz unterband. Auch danach spielten die Gladbacher zu oft ungenau, so als hätte ihnen Trainer Lucien Favre, ein berüchtigter Tiefstapler, zu viel Respekt eingeimpft vor Leverkusen. Aber davon darf man sich nicht täuschen lassen, manchmal reicht ein Blinzeln, und man hat einen Angriff der Borussen verpasst. Als Fabian Johnson sich in der 20. Minute den Ball im Mittelfeld stibitzte, kam dieser über Raffael schnell zu Kruse. Dieser hatte im vergangenen Heimspiel gegen Wolfsburg in vergleichbarer Position getroffen, scheiterte aber diesmal an Bernd Leno (20.)

Es war der Auftakt einer Serie von besseren Chancen. Den besten Moment verdankten die Gastgeber einem Ausrutscher des Außenverteidigers Wendell (31.). Herrmann konnte deshalb blank vor dem gegnerischen Torwart Maß nehmen, doch Leno behielt gleich zweimal hintereinander die Oberhand. Leverkusen dagegen wirkte weiter gefällig, aber nur selten gefährlich. Torwart Yann Sommer musste erst nach 33 Minuten eingreifen. Besser gesagt: Er griff gegen Stefan Kießling daneben, der den Ball auch prompt per Kopf ins Tor verlängerte - allerdings aus Abseits-Position. Vier Minuten später hatte der Schweizer Keeper dann seinen Moment, als er den Ball nach einem Flachschuss von Heung-Min Son soeben um den Pfosten lenken konnte.

Xhaka überrumpelt den Werksklub

Zum Ende einer bewegten, aber nicht wirklich hochklassigen ersten Halbzeit stand der Schiedsrichter im Mittelpunkt. Patrick Herrmann (39.) wurde von Lars Bender kurz hinter der Strafraumlinie am rechten Fuß berührt, doch Peter Gagelmann schüttelte entschieden kurz den Kopf und machte sich auch sonst nicht verdächtig, die Heimmannschaft zu bevorteilen.

Leverkusen kam zwar wieder entschlossen, aber doch auch etwas schläfrig aus der Kabine. Die Quittung folgte prompt. Granit Xhaka überrumpelte die Gäste in der 50. Minute mit einem schnell vollzogenen Freistoßhieb aus der eigenen Hälfte, der genau in den Lauf des von den Gegnern allein gelassenen Herrmann ging. Der sprintete einige Meter, drängte von rechts in den Strafraum und legte dort präzise quer zum mitgeeilten Max Kruse, der aus sechs Metern über Verteidiger Giulio Donati und Leno hinweg zum 1:0 traf. Das ging so schnell, "da waren wir auch auf der Bank überrascht", sagte Lucien Favre. Kruse erzielte damit zum dritten Mal in Serie das Führungstor der Borussia - so viel zu der Spekulation, der Stürmer könnte zurückstecken, um seinen designierten neuen Klub nicht in Bedrängnis zu bringen; der VfL Wolfsburg, bei dem Kruse wohl bald unter Vertrag stehen wird, ist jedenfalls plötzlich nur noch Dritter.

Schema & Statistik

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Erster Heimsieg gegen Leverkusen seit 1989

Das Führungstor löste alle Fesseln der Gladbacher. Nach demselben Muster wie beim 1:0 (langer Ball auf Sprinter Herrmann, präziser Querpass im Strafraum) kam in der 58. Minute Raffael zum Abschluss, doch der Brasilianer traf den Ball nicht genau genug. Die Leverkusener mühten sich, aber es fiel auf, dass ihnen die Inspiration des gelbgesperrten Tempodribblers Karim Bellarabi fehlte. Oft tauchten die Gäste vor dem gegnerischen Strafraum auf, in dem ebenso oft alle elf Gladbacher die Wege versperrten. Es war gut zu erkennen, warum Mönchengladbach in der Rückrunde erst sieben Tore zugelassen hat. Nur einmal wurde es wirklich gefährlich: In der 78. Minute klärte Korb nach einer scharfen Hereingabe von Brandt zur Ecke, genau bevor der eingewechselte Bastian Reinartz abschließen konnte.

Die Gladbacher verbockten ihrerseits etliche Konteransätze, waren aber trotzdem effektiver. Sinnbildlich die 81. Minute, als sie nach einer missglückten Freistoß-Variante dennoch zum Erfolg kamen: Einen nicht übermäßig gefährlichen Schuss des Bald-Leverkuseners Kramer wehrte Leno nicht entschieden genug ab, so dass Herrmann den Rebound aus sechs Metern zum 2:0 verwerten konnte. Und als i-Tüpfelchen setzte der eingewechselte Traoré einen Schlenzer an Leno vorbei zum 3:0 ins linke Toreck (88.) - eine haargenaue Kopie seines Siegtors vom vergangenen Sonntag in Berlin. "Nach hinten raus waren wir sehr, sehr kalt", sagte Gladbachs Sportdirektor Max Eberl stolz.

So kam die Albtraumserie der Gladbacher gegen Leverkusen nach 26 Jahren und drei Monaten zu ihrem Ende. Borussias Trainer damals hieß übrigens... nein, nicht Jupp Heynckes, das wäre zu hübsch gewesen, sondern: Wolf Werner.

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