Gladbach zu Gast beim FC Bayern:Hoffen auf Howie den Wikinger

Borussia-Trainer Lucien Favre ist ein Tüftler: Das zeigt sich weniger am genialen Torzauber von Juan Arango, sondern am norwegischen Mittelfeldspieler Havard Nordtveit. Dank seiner Präsenz hat die unlängst noch wildwüchsige Elf vom Niederrhein wieder an Stabilität gewonnen - ob das auch die Bayern beeindruckt?

Von Ulrich Hartmann, Mönchengladbach

Am Mittwoch ist Lucien Favre endlich gekrönt worden. Auf der Kinderstation des Elisabeth-Krankenhauses haben sie dem Trainer eine Krone und ein Zepter gebastelt, und weil Favre sagt, dass er alles tut "für die Kinder", hat er sich die Krone sogar aufsetzen lassen. Unter anderen Umständen hätte der Schweizer sich derlei Huldigung verbeten, dabei gibt es im Umfeld des Bundesligisten Borussia Mönchengladbach sogar erwachsene Menschen, die ihm sofort eine Krone aus Goldpapier basteln und aufsetzen würden.

Favre ist der ungekrönte Held eines Comebacks, das die Gladbacher aus der Zweitliga-Relegation in den Europapokal geführt hat. Obwohl man in diesem Winter konstatieren muss, dass die Mannschaft den Verlust ihrer drei besten Spieler aus der vergangenen Saison (Reus, Neustädter, Dante) noch immer nicht überwunden hat, so wird momentan doch sichtbar, dass Favre dabei ist, aus seiner veränderten Belegschaft etwas Konstruktives herauszuholen.

Dieser Trainer ist ein Tüftler, ein Kreativer. Das zeigt sich weniger an seinem genialischen Torzauberer Juan Arango als an seiner Defensivachse im Mittelfeld, in der Thorben Marx und Havard Nordtveit der unlängst noch wildwüchsigen Mannschaft mehr und mehr Stabilität zurückgeben.

Nordtveit, genannt "Howie", ist smart und adrett, hat geheimnisvoll grüne Augen, und wenn man's nicht besser wüsste, würde man ihn im Schlagermilieu verorten. Das wäre ihm aber gar nicht Recht. Der 22-jährige Norweger betreibt im defensiven Mittelfeld hauptberuflich Fleißarbeit und betont angesichts hoher Spielfrequenz und geringer Anfälligkeit gern, dass er nun mal ein Wikinger sei.

Nordtveit ist der unermüdlich hoppelnde Batteriehase in der stark beanspruchten Gladbacher Mannschaft. Er hat 23 von 26 Pflichtspielen über die volle Länge mitgemacht, zwei weitere über beinahe die volle Länge und nur ein unbedeutendes Spiel gar nicht, weil er sich da mal ausruhen durfte.

Er ist im Aufschwung der ausdauerndste und beste Spieler, steht allerdings im Schatten Arangos, dessen spektakuläre Treffer er bisweilen mit ansehnlichen Diagonalflanken zumindest vorbereiten darf.

Von Norwegen nach London nach Nürnberg nach Gladbach

Markant in der vom Schichtleiter Favre angeführten Gladbacher Belegschaft ist, dass da immer wieder Helden geboren werden, die gerade überraschenderweise aber nicht aus dem millionenschweren Großeinkauf des Managers Max Eberl stammen. Nicht der Zwölf-Millionen-Stürmer Luuk de Jong, nicht der Acht-Millionen-Verteidiger Alvaro Dominguez und auch nicht der Acht-Millionen-Schweizer Granit Xhaka sind die Triebfedern dieses Aufschwungs, sondern ein paar andere Namen.

Havard Nordtveit im Spiel Mönchengladbach gegen Mainz

Norweger am Niederrhein: Gladbachs Havard Nordtveit. 

(Foto: dpa)

Favre dreht an der Mannschaft herum wie an Rubiks Zauberwürfel und schiebt so lange hin und her, bis jede Seite ihre klare Farbe hat. Mike Hanke und Igor de Camargo wechseln sich im Sturm ab. Rechts offensiv überzeugt der junge Lukas Rupp, der dort ins Licht treten darf, weil Patrick Herrmann von Favre zum Reus-Ersatz in der zentralen Offensive delegiert wurde.

Auf der Sechserposition erlebt der zuvor zum Dauerbankdrücker degradierte Thorben Marx sein Comeback. Und daneben agiert eben dieser Norweger Havard Nordtveit, der in diesen Wochen mehr denn je zeigt, warum ihn der britische Premier-League-Klub Arsenal London 2007 im Alter von 16 Jahren vom norwegischen Zweitligisten FK Haugesund verpflichtet hatte.

In London, sagt Nordtveit, sei er gereift, aber durchsetzen können hat er sich im Fußballklub nicht. Also ist er von dort immer wieder ausgeliehen worden: ins spanische Salamanca, ins norwegische Lilleström und ins fränkische Nürnberg, wo er in der Saison 2009/10 insgesamt 19 nicht sehr überzeugende Spiele absolviert hat. Anfang 2011 wechselte Nordtveit dann von London nach Mönchengladbach und ist seither im defensiven Mittelfeld gesetzt.

Der Norweger mausert sich an der Nahtstelle des taktischen Korsetts zum kreativen Spielgestalter, weil er mit einem rustikalen Vorstopper wie aus dem Klischee eigentlich doch eher wenig gemeinsam hat. "Ich will offensiv mehr machen", sagt er neuerdings und nutzt den Umstand, dass der hängende Stürmer Herrmann nicht zum langen Ballkontakt neigt und dass die Kollegen einen Anspielpunkt brauchen.

Trotz größerer Offensivmühen fehlt ihm in dieser Saison bislang noch ein Treffer, überhaupt hat er in 63 Bundesligaspielen für Gladbach erst zwei Tore geschossen. Dieses Manko hat er gemein mit der aktuellen Mannschaft, in der eigentlich nur Arango als torgefährlich eingeordnet werden darf. Wenn Nordtveit sich auch diesbezüglich steigern könnte, dann darf er sicher auch mal mit auf die Kinderstation zur Entgegennahme gebastelter Goldschätze.

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