Gladbach vor dem Bayern-Spiel:Einkaufsparadies am Niederrhein

Lesezeit: 3 min

Ein Gegner auf Augenhöhe: Gladbachs Torwart Marc-André ter Stegen behauptet sich gegen Bayerns Verteidiger Dante. (Foto: Andreas Gebert/dpa)

Als Trainer Lucien Favre bei Borussia Mönchengladbach anfing, war der Klub dem Abstieg geweiht. Drei Jahre später gilt die Mannschaft schon als Bayern-Verfolger - und als attraktiv für europäische Scouts.

Von Ulrich Hartmann, Mönchengladbach

Aus aktuellem Anlass hat Lucien Favre in dieser Woche an seinen Dienstbeginn vor drei Jahren erinnert: Es war im Februar 2011, als der Schweizer als Trainer bei Borussia Mönchengladbach anfing. Wer sich wundert, dass die Verantwortlichen am Niederrhein trotz der besten Hinrunde seit 19 Jahren der Konkurrenz derzeit nicht grimmig den Kampf ansagen, der muss nur an jenen tristen Winter Anfang 2011 zurückdenken.

"Gladbach war tot", sagt Favre. Die Borussia war dem Abstieg geweiht. Das Gegentor, das sich Torwart Logan Bailly beim 0:1 gegen Kaiserslautern in fast krimineller Manier am achtletzten Spieltag selbst ins Tor boxte, hätte beinahe Gladbachs Abstieg besiegelt. Doch der abgeschlagene Tabellenletzte kam noch mal zurück, wurde noch Drittletzter und besiegte Bochum in der Relegation hauchdünn. Danach baute Favre den Kader um.

An diesem Freitag nun empfängt seine Borussia zum Rückrunden-Auftakt den FC Bayern - als Tabellendritter. Die Borussia spielt nach drei Jahren unter Favre um die Champions-League-Qualifikation. Die ARD und internationale Stationen in 194 Ländern übertragen live. Die Borussia ist stolz - und doch seltsam demütig.

Am Niederrhein mag man nichts hören von "Champions League" oder "Spitzenteam". Gladbach praktiziert ein pedantisch einstudiertes Präzisionsspiel und neben dem Feld ein ebensolches Understatement. "Vereine wie Leverkusen, Dortmund, Schalke, Bayern und Wolfsburg sind derzeit unerreichbar für uns", behauptet Manager Max Eberl. Dabei haben die Gladbacher in der Hinrunde Dortmund, Wolfsburg und Schalke hinter sich gelassen.

Doch Favre geht davon aus, dass diese drei Klubs in der zweiten Saisonhälfte stark zurückkommen: Dortmund und Schalke, weil verletzte Starspieler gesunden; Wolfsburg, weil sie den Starspieler Kevin De Bruyne vom FC Chelsea gekauft haben. "Wir hatten auch Interesse an De Bruyne", sagt Favre, "aber: keine Chance!" Fragt man den 56-Jährigen, was Gladbach zu einer Spitzenmannschaft fehlt, dann sagt er: "Zeit - und ein wenig Geld." Manager Max Eberl sagt: "Wir können die letzten 15 Jahre nicht mal eben aufholen."

Gladbach hat seit Mitte der Neunziger viel Potenzial verschenkt. Mittelmäßigkeit und zwei Abstiege in die zweite Liga haben den Verein weit zurückgeworfen. Seit dem Umzug vom Bökelberg in den ertragreicheren Borussia-Park vor zehn Jahren ist die finanzielle Lage immer besser geworden, seit Favres Amtsantritt auch die sportliche. "Ich denke, die Fortschritte sind nicht schlecht", sagt Favre.

Die Turbulenzen in der Gladbacher Kader-Veränderung der vergangenen Jahre sprechen eindeutig für wachsende Qualität - und sie gehen natürlich auch mit finanzieller Stärkung einher. Die vor eineinhalb Jahren verkauften Spieler Marco Reus und Dante standen 2013 für Borussia Dortmund und Bayern München im Champions-League-Finale, Torwart Marc-André ter Stegen wird im Sommer zum FC Barcelona wechseln. Mönchengladbach ist zum Einkaufsparadies für die besten Klubs der Welt geworden.

Über die jüngste Meldung britischer Medien, Manchester Uniteds Trainer David Moyes werde am Freitag im Borussia-Park auftauchen, um sich letzte Eindrücke für einen Kauf des Gladbacher Flügelflitzers Patrick Herrmann zu verschaffen, haben sie am Anfang nur geschmunzelt bei der Borussia. Allerdings nur bis Donnerstagmittag: Da hat David Moyes tatsächlich offiziell ein Ticket geordert.

Die Fußballgötter
:Super Fußball

Trotz schlechter Erfahrungen bleibt Bayern-Trainer Pep Guardiola Befürworter der Dreier-Kette. Er denkt sogar noch weiter.

Von Guido Schröter

Unterdessen wollen Schweizer Medien erfahren haben, Manager Eberl sei am Mittwoch in Basel gewesen, um letzte Details zur Verpflichtung des 25-jährigen Torhüters Yann Sommer zu klären. Am selben Tag meldeten deutsche Zeitungen, der Freiburger Oliver Baumann sei Favorit auf die Nachfolge ter Stegens.

Ob Sommer oder Baumann dann Champions League spielen dürften oder Europa League oder gar nicht international, hängt von der Rückrunde ab, über die der junge Mittelfeldspieler Christoph Kramer sagt: "Es wird nicht einfach, unsere Leistungen der Hinrunde zu bestätigen." Kramer, 22, ist eine noch eher geheime Größe im Borussen-Spiel, aber Insidern ist der schlaksige defensive Mittelfeldspieler längst aufgefallen.

Die Elf habe in der Vorrunde am Limit gespielt, meint Eberl. Aus dem Quartett Raffael, Herrmann, Max Kruse und Juan Arango (mit insgesamt 25 Toren und 20 Torvorlagen maßgeblich am Erfolg beteiligt) hat keiner auch nur eine Partie versäumt. Überhaupt spielt Favre seit Wochen mit derselben Elf. Diesmal muss er Verteidiger Tony Jantschke (Augenhöhlenverletzung) durch Alvaro Dominguez ersetzen, eine Schwächung ist das kaum.

Trotzdem bleibt Favre vorsichtig, zumindest eines glaubt er zu wissen: "Dortmund wird in der Rückrunde zurückkommen." Favres Vorhersage: "Bayern wird Erster, Dortmund Zweiter." Was dahinter kommt? Das sagt Favre nicht so deutlich. "Dahinter wird es eng", sagt er. Das heißt: Dahinter kann auch Gladbach kommen.

© SZ vom 24.01.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: