Gladbach - Leverkusen 2:2:Doch dann trifft Retter Schürrle

Kaum ist Ballack ausgewechselt, verspielt Fußball-Bundesligist Leverkusen gegen Gladbach seine Führung und gerät in Unterzahl. Doch dann das: André Schürrle, zuvor kaum zu sehen, trifft aus der Distanz zum 2:2-Endstand - und jubelt ausgerechnet mit Ballack. Gladbach grämt sich, eine historische Chance verpasst zu haben.

Michael König

Im Februar 1989 wurde in der DDR der Ruf nach der Wiedervereinigung immer lauter und eine gewisse Robin Beck führte die bundesdeutsche Hitparade an. Aber auch aus fußballerischer Sicht tat sich Historisches in jenem Monat: Borussia Mönchengladbach besiegte Bayer Leverkusen damals im eigenen Stadion. Dieser Fall ist in der Bundesliga seitdem nie wieder eingetreten. Bis heute nicht.

Borussia Mönchengladbach - Bayer 04 Leverkusen

2:2 in der 87. Minute: Ausgleichs-Torschütze André Schürrle (Mitte) mit Leverkusener Gratulanten.

(Foto: dpa)

Bei der 2011er Auflage des rheinischen Derbys dreht Gladbach zwar binnen weniger Minuten einen 0:1-Rückstand zur 2:1-Führung, kassiert aber kurz vor Schluss noch den Ausgleich durch André Schürrle, der damit zum Leverkusener Retter avanciert. Weil Gonzalo Castro die rote Karte sieht, spielt Bayer 22 Minuten in Unterzahl.

Für Gladbach war das Unentschieden in mehrfacher Hinsicht ärgerlich. Die Ausgangslage war bestens: Die Borussia hatte sich vom Saisonstart weg als Spitzenteam präsentiert, Bayern und Dortmund geschlagen, zuletzt beim 0:1 gegen Freiburg allerdings etwas geschwächelt. Leverkusen hingegen dürfte mit dem neunten Tabellenplatz nach acht Spielen keineswegs zufrieden gewesen sein.

Ballacks erste Torvorlage

Und dann das ständige Theater um Michael Ballack! Gegen Gladbach bot ihn Bayer-Trainer Robin Dutt erneut in der Startelf auf und ließ den jüngeren Simon Rolfes auf der Bank, woraufhin vor dem Anpfiff kolportiert wurde, Rolfes sei sauer. Und Dutt musste am Fernsehmikrofon erklären, dass er froh sei, zwei solche Superprofis im Kader zu haben, und außerdem hätten beide in der laufenden Saison etwa gleich lang gespielt.

Das stimmte zwar nicht - Rolfes hatte in der Spielminuten-Statistik Vorteile, war aber bald egal. Denn in der 20. Minute verlängerte Ballack einen Eckball mit dem Kopf auf den langen Pfosten, wo sein Mitspieler Stefan Reinartz im richtigen Moment in die Luft ging und den Ball aus kurzer Distanz volley zum 1:0 ins Tor bugsierte.

Es war Ballacks erste Torvorlage der Saison, und es war ein Ereignis, das der Partie nur guttun konnte. Was war bis dahin passiert? Wenig bis gar nichts. Leverkusens junger Torwart Bernd Leno hatte sich kurz nach dem Anpfiff verletzt, konnte aber weiterspielen. Und die Gladbacher waren in der 17. Minute zu einer Chance durch Marco Reus gekommen, der jedoch an Leno scheiterte. Es war zugleich der erste Torschuss der Partie.

Gladbachs Trainer Lucien Favre hatte Reus anstelle des verletzten Igor de Camargo im Angriff aufgeboten, Patrick Hermann begann rechts offensiv. Im defensiven Mittelfeld spielte Havard Nordtveit statt Thorben Marx. Der nach einer Wundinfektion genesene Kapitän Filip Daems ersetzte Oscar Wendt links in der Abwehr. Bei Leverkusen kehrte André Schürrle nach überstandener Sperre zurück in die Startelf, für den kurzfristig ausgefallenen Ömer Toprak spielte Daniel Schwaab in der Abwehr.

Bayer hatte die Partie zunächst im Griff, sah sich nach dem Führungstreffer aber stärkeren Angriffsbemühungen der Gladbacher ausgesetzt. Der Neu-Nationalspieler Reus und der Es-war-einmal-Nationalspieler Mike Hanke spielten sich im Sturm sehenswerte Steilpässe zu, sodass Bayers Torvorbereiter Ballack bald dazu überging, im eigenen Strafraum Zweikämpfe zu führen.

In der 36. Minute traf Hanke - sein letzter Länderspieleinsatz liegt knapp vier Jahre zurück - die Querlatte, drei Minuten später schoss Reus knapp am Außenpfosten vorbei. Weitere drei Minuten später rettete Leno bei einem Schuss von Reus. Und in der 44. Minute hätte Reus einen Abpraller nach einem Schuss von Herrmann beinahe getroffen, doch Leno war schneller.

Der Gladbacher Druck war ausgangs der ersten Halbzeit so groß, dass sich Ballack in klassischer Leitwolf-Manier auf verbale Scharmützel verlegte, um sein Team wachzurütteln. Er sah wegen Beleidigung des Schiedsrichter-Assistenten die gelbe Karte. Die Borussia hätte den Ausgleich verdient gehabt, bekam aber nur den Pausenpfiff zu hören.

Es kommt noch schlimmer

Nach der Unterbrechung war Gladbach weiterhin die agilere Mannschaft. In der 47. Minute lief Reus an Reinartz vorbei und alleine auf Leno zu, doch der vom VfB Stuttgart ausgeliehen Keeper streckte sein rechtes Bein schnell genug aus, um den folgenden Schuss abzuwehren. Angesichts solcher Paraden wird es Leverkusen schwer haben, Leno wieder ziehen zu lassen.

Was Ballacks Zukunft beim Werksklub angeht, ist die Sache weniger eindeutig: In der 61. Minute nahm Trainer Dutt ihn vom Platz und brachte Simon Rolfes. Einerseits durfte der ehemalige Nationalmannschaftskapitän also wieder nicht durchspielen, aber andererseits wurde das Leverkusener Spiel ohne ihn nicht besser. Im Gegenteil.

In der 65. Minute spielte Gladbach wieder so einen gefährlichen Steilpass, wieder war Hanke indirekt beteiligt (er verlängerte den Ball mit der Fußspitze) und wieder tauchte Reus frei vor dem Tor auf. Diesmal aber schoss er nicht sofort, sondern er lief Leno davon und traf dann aus spitzem Winkel - das 1:1.

Und es kam noch schlimmer für Bayer: In der 68. Minute redeten der eingewechselte Erin Derdiyok und Gonzalo Castro auf den Schiedsrichter-Assistenten ein. Castros Wortwahl muss dabei nicht die höflichste gewesen sein, denn der Unparteiische wedelte sofort heftig mit seiner Fahne - und Schiedsrichter Wolfgang Stark zeigte dem Leverkusener die rote Karte.

Reus vergibt die letzte Chance

Ging es noch schlimmer? Aber ja: In der 72. Minute traf U20-Nationalspieler Herrmann zum 2:1 für Gladbach - innerhalb von sieben Minuten hatten die Gastgeber die Partie gedreht. Ballack saß auf der Bank und schüttelte den Kopf. Er verharrte in dieser Position bis zur 87. Minute, dann sprang er plötzlich auf und jubelte - mit André Schürrle.

Der Nationalspieler hatte bislang wenig von seinem Können gezeigt, ließ nun aber einen wahren Hammer von einem Schuss ab und bescherte den Leverkusenern den glücklichen 2:2-Ausgleich. Dass er daraufhin geradewegs zu Ballack lief und mit ihm jubelte, dürfte die Führungsspieler-Debatte bei Leverkusen befeuern.

Die Gladbacher hatten freilich keinen Blick für solche Feinheiten: Sie grämten sich arg, auch weil Reus in der Schlussminute noch eine Chance zur neuerlichen Führung vergab. Es blieb dabei: Seit 22 Jahren hat Gladbach zu Hause nicht mehr gegen Leverkusen gewonnen.

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