Gladbach in der CL-Qualifikation:Spiel um die Zusatzzahl

Nur ein klarer Sieg in Kiew könnte Borussia Mönchengladbach nach 34 Jahren wieder in Europas wichtigsten Klubwettbewerb bringen. Doch teure Zukäufe wie Eigentorschütze Luuk de Jong brauchen noch Zeit - dabei geht es um viele Millionen Euro.

Ulrich Hartmann, Mönchengladbach

Es ist 34 Jahre her, dass Rainer Bonhof am 29. März 1978 um 21.50 Uhr im Düsseldorfer Rheinstadion einen Freistoß ins Tor des Liverpooler Keepers Ray Clemence drosch. Der ansehnliche Treffer zwei Minuten vor Abpfiff war das 2:1-Siegtor im Halbfinal-Hinspiel des Europapokals der Landesmeister, die Zuschauer der Sportschau wählten Bonhofs Schuss zum "Tor des Monats". Das Rückspiel in Liverpool ging jedoch mit 0:3 verloren, Borussia Mönchengladbach verpasste das Endspiel. Es war für die Borussen das bisher letzte Adieu im wichtigsten Klubfußball-Wettbewerb der Welt.

'Volle Pulle' fuer das Fußball-Wunder

Eigentor im Hinspiel: Mönchengladbachs Luuk de Jong.

(Foto: dapd)

34 Jahre später sieht es nicht gut aus für Gladbachs ersehnte Rückkehr in den lukrativen Wettstreit der Elite Europas. Das Hinspiel der Qualifikation zur Champions League ging vergangene Woche mit 1:3 gegen Dynamo Kiew verloren. Die Gladbacher bräuchten daher an diesem Mittwochabend (20.45 Uhr, live im ZDF) im Kiewer Olympisky-Stadion ein kleines Wunder in Form eines hohen Sieges. Allerdings schießt Rainer Bonhof keine Freistöße mehr. Mittlerweile sitzt er als Vizepräsident auf der Tribüne.

In die Kragen der Gladbacher Trikots ist der Titel "Fohlenelf" eingenäht. Dieser Kosename wurde in den erfolgreichen siebziger Jahren kreiert und ist für die heutige Mannschaft eine Koketterie, der sich Meinungsbildner wie Trainer Lucien Favre und Manager Max Eberl in ihren Statements noch nicht so recht anschließen mögen. Gladbach hat in den vergangenen Jahren in der Summe wenig Erbauliches vollbracht: zehn allenfalls durchwachsene Spielzeiten, zwei Abstiege, drei Jahre in der zweiten Liga - und nur eine herausragende Erstligasaison.

Das war die vergangene Spielzeit, als man Vierter wurde und sich so für die Playoffs zur Champions League qualifizierte. Hätte das Team einfach so weitergespielt, also mit dem brasilianischen Abwehr-Stabilisator Dante und mit dem genialischen Spielmacher Marco Reus, dann wäre vielleicht etwas gegangen gegen Dynamo Kiew.

Weil diese beiden aber fort sind und von jungen Spielern ersetzt werden, die Zeit zur Akklimatisierung brauchen, nimmt Mönchengladbach gerade erst einen neuen Anlauf, um zur Stärke der vergangenen Saison zurückzufinden. Wie lange dieser Anlauf dauern wird, weiß niemand, aber Kiew scheint zu stark zu sein für die Gladbacher in deren Findungsphase. Manager Eberl ahnt das, er hat zuletzt immer wieder darauf hingewiesen, dass die Visionen nicht zu hoch in den Himmel wachsen dürften. Sie haben das bei den Fans und vielen Medien natürlich trotzdem getan.

Dagegen war auch Eberl machtlos. "Mein Wort hat halt noch nicht so viel Gewicht wie das eines Uli Hoeneß", sagt er lächelnd. Eberl ist trotz des drohenden Scheiterns in Kiew nicht völlig deprimiert: "Wir hätten vor einem Jahr niemals damit gerechnet, dass wir uns für die Europa League qualifizieren", sagt er. Die Europapokal-Teilnahme nur ein Jahr nach dem knappen Bundesliga-Klassenerhalt in der Relegation nennt Eberl einen "Sechser im Lotto".

Notausfahrt Europa League

Denn sollten die Gladbacher in Kiew scheitern, bliebe ihnen immerhin der sichere Start in der Gruppenphase der Europa League. Sollte es wider Erwarten doch noch für die Champions League reichen, etwa mit einem 3:0 oder 4:2 in Kiew, dann wäre das für Eberl "die Zusatzzahl". 8,6 Millionen Euro an Garantieprämien der Uefa wären dem Verein dann bereits sicher.

Noch vor wenigen Wochen war die Branche begeistert von Eberls Transferpolitik. Als noch kein Spiel gespielt war, galten Innenverteidiger Alvaro Dominguez, Mittelfeldspieler Granit Xhaka und Stürmer Luuk de Jong als Superkäufe. Dominguez und Xhaka liegen jeweils bei etwa acht Millionen Euro Ablöse, de Jong bei 14 Millionen. Ausgerechnet der Niederländer, teuerster Einkauf der Klubhistorie, konnte bislang aber noch nicht mal seine grundsätzliche fußballerische Stärke andeuten.

De Jong tut sich schwer und profitierte im Pokal (2:0 in Aachen) und in der Bundesliga (2:1 gegen Hoffenheim) - wie die ganze Elf - davon, dass Flügelstürmer Juan Arango schon jetzt in fabelhafter Verfassung ist. Der Linksfüßer strahlt eine latente Torgefahr aus, verteilt wunderbare Bälle in die Spitze und ist der beste Freistoßschütze, den der Verein seit Rainer Bonhof hat. Auf dem 32-jährigen Venezolaner ruhen daher Gladbachs letzte Hoffnungen für den Mittwochabend im Olympisky-Stadion.

Die Gladbacher müssen probieren, es zu genießen, wenn dort vor dem Anpfiff die Champions-League-Musik erklingt. Es ist eine triumphale und Gänsehaut bereitende Hymne, die nahezu identisch ist mit Georg Friedrich Händels Krönungsmotette "Zadok, der Priester" von 1727.

Den Gladbachern sollte dies im Misserfolgsfall Trost spenden: Händel hat erst nach fast 300 Jahren in der Champions League reüssiert. Dagegen sind 34 Jahre doch gar nichts.

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