Gladbach gewinnt 4:2:Zwei Magenbitter reichen nicht

Hertha BSC v Borussia Moenchengladbach - Bundesliga

Synchrone Jubelbeuge: Nach seinem Tor zum 3:0 freut sich Gladbachs Raffael (rechts) mit Teamkollege Oscar Wendt.

(Foto: Boris Streubel/Bongarts/Getty Images)

Gladbach führt in Berlin nach 20 Minuten bereits mit 3:0, verfällt dann aber in Passivität und gerät noch in Bedrängnis. Der entscheidende Spieler ist der zuletzt arg kritisierte Raffael.

Von Javier Cáceres, Berlin

Am Berliner Hermannplatz warb eine Kneipe am Samstag mit einem besonderen Angebot. Pro Hertha-Tor wollte der Wirt jedem Gast 0,2 Zentiliter Magenbitter spendieren; als Absacker, sozusagen. Wie gut die Schänke auch besucht war, so richtig gut dürften den Berliner Anhängern die Getränke aufs Haus nicht geschmeckt haben. Denn in fünfzehn Kilometer Entfernung unterlag Hertha im Olympiastadion der Borussia aus Mönchengladbach mit 2:4, in einem Spiel, das von vielen emotionalen Volten lebte - sowie von den beiden Toren des zuletzt arg kritisierten Raffael. Der brasilianische Regisseur avancierte mit seinen Treffern zum zwischenzeitlichen 0:3 sowie zum 2:4-Endstand zum überraschenden Matchwinner einer Borussia, die eine Woche vor dem Spiel gegen den Tabellenführer Bayern München auf einem Champions-League-Platz campiert.

Es sprach für die Hertha - und gegen die Borussia -, dass die Partie noch nicht vorbei war, nachdem die Gäste aus dem Rheinland schon nach 20 Minuten bereits eine 3:0-Führung herausgeschossen hatten. Das war insofern frappierend, als es in den Anfangsminuten keinen Anlass gegeben hatte, einen solchen Spielstand vorauszuahnen.

Zu Beginn der Partie hatten die Herthaner den Ball fünf Minuten lang monopolisiert, bis Gladbachs Mittelfeldspieler Denis Zakaria mit Fabian Johnson im Mittelfeld Doppelpass spielte, sich dann auf der linken Außenbahn bis zur Grundlinie durchsetzen konnte und auf Lars Stindl zurückpassen konnte. Die Offensivkraft, die der deutschen Nationalelf unter der Woche in Köln das Remis gegen Frankreich gerettet hatte, überwand Herthas Torwart Rune Jarstein mit einem tückischen Aufsetzer aus acht Metern - und erzielte damit die Führung. Nach dreizehn Minuten schien dann der Videobeweis den Herthanern das Genick zu brechen. Nach einem Fernschuss von Stindl, der zur Ecke abgefälscht worden war, entschied der Schiedsrichter auf Weisung der Kollegen, die in Köln vor dem Fernseher sitzen, auf Strafstoß; der Belgier Thorgan Hazard verwandelte sicher.

Davie Selke stürmt erstmals an der Seite von Vedad Ibisevic

Für die Berliner kam es noch schlimmer: Raffael, der vor einigen Jahren bei Hertha agierte, spießte im Rückraum einen zu kurz geratenen Abwehrball der Hertha artistisch mit der Pike auf - und jagte dann den aufhüpfenden Ball volley aus 25 Metern ins Netz. Aber Spiel gelaufen? Von wegen! Denn die Borussia war so frei, Hertha wieder ins Spiel kommen zu lassen. "Nach dem 3:0 waren wir zu passiv, wir müssen uns ankreiden lassen, dass wir Berlin zurück ins Spiel kommen gelassen haben", sagte Stindl.

Zu spüren bekam dies Gladbach nach 28 Minuten, als sich Davie Selke, der erstmals an der Seite von Kapitän Vedad Ibisevic von Beginn an als Doppelspitze agierte, auf der rechten Angriffsseite gut freigelaufen hatte. Selkes flachen Pass jagte Ibisevic aber dem Gladbacher Torwart Yann Sommer in die Füße. Den Abpraller schoss Mitchell Weiser aus 14 Metern auf Tor - und Ibisevic lenkte ihn ins Netz. Danach war Gladbach in Gedanken schon beim Aperitif, vor allem bei den Standards der Herthaner. In der 40. Minute konnte Keeper Sommer einen Ibisevic-Kopfstoß an die Querlatte lenken; wenige Sekunden später traf Herthas Bosnier den Außenpfosten, wieder per Kopf, wieder nach einer Ecke. Kurz vor der Pause hatte dann Salomon Kalou eine vielversprechende Chance, doch seinen Schuss lenkte Jannik Vestgergaard zur Ecke ab. Die Gladbacher hatten dem nur einen einzigen Entlastungsangriff entgegenzusetzen.

Nach dem Wechsel mengte die Hertha ihrem Spiel eine größere Dosis Risiko bei, die Borussia setzte dem eine größere Entschlossenheit zu Kontern entgegen. Allein: Ereignisreiche Torszenen ergaben sich daraus lange nicht. Bis zur 70. Minute eine Standardsituation zum zweiten Tor der Hertha führte. Marvin Plattenhardt, der in der ersten Halbzeit arg mit sich selbst zu kämpfen hatte, spielte Kalou an, der auf Weiser ablegte. Und dieser schoss flach von der rechten Seite an den linken Innenpfosten. Doch die Euphorie, die aus diesem 2:3 resultierte, beendete Raffael. Nach einer Kurzpasskombination am Strafraum zwischen dem eingewechselten Patrick Hermann und Lars Stindl sah sich Raffael plötzlich allein Torwart Jarstein gegenüber - und traf aus kurzer Distanz (77. Minute). Das war dann tatsächlich der Moment, als es Prost zu sagen galt. Trainer Dardai war gleichwohl gnädig. "Ich kann der Mannschaft keinen Vorwurf machen, sie haben gut gekämpft. Beim 2:3 hätte man vielleicht noch etwas mehr riskieren müssen, aber die Jungs sind 90 Minuten marschiert."

Dennoch war der Blick auf die Tabelle ähnlich bitter wie die Getränke am Hermannplatz: Hertha befindet sich als Tabellen-14. in Nähe der Abstiegsplätze.

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