Gladbach besiegt die Bayern 3:1:Zerlegt am Niederrhein

Beim verdienten 1:3 in Mönchengladbach wird der FC Bayern gnadenlos ausgekontert. Angeführt von Marco Reus nutzt die Borussia das träge Abwehrverhalten der Münchner und macht die Meisterschaft spannender denn je. Bayern-Keeper Manuel Neuer patzt wie im Hinspiel - Daniel Van Buyten verletzt sich schwer am Fuß.

Bisher dachte man, dass es für die Existenz der Winterpause vor allem zwei Gründe gibt. Zum einen sollen die Spieler durchschnaufen, um mit frischem Schwung ins Wintertrainingslager zu starten. Und zum anderen sollen die Fans die Rückrunde kaum erwarten können, sie sollen gespannt sein, ob ihr Verein noch einen Spieler kauft oder im Trainingslager geheime, neue Dinge einübt.

Borussia Mönchengladbach - FC Bayern München

So hatte man eigentlich die Bayern erwartet - und dann das: Jubelnde Gladbacher freuen sich über den Sieg gegen die Münchner. 

(Foto: dpa)

Und dann das: Dann kommen Mönchengladbach und der FC Bayern aufs Spielfeld und präsentieren: keine einzige Überraschung. Die Aufstellung: genau so, wie es schon am Vortag in allen Zeitungen gestanden hatte. Die Einstellung: auch so, wie es die Experten erwartet hatten. Die Bayern hängten den Herbstmeister raus, schoben sich die Bälle zu. Die Gladbacher lauerten auf Lücken. Das Ergebnis aber war dann so überraschend, dass es für alle anderen Vorhersehbarkeiten entschädigte.

Mit 3:1 (2:0) bezwangen die Gladbacher völlig verdient einen FC Bayern, dessen Spielplan von einem kuriosen Manuel-Neuer-Fehler früh über den Haufen geworfen wurde. In Führung liegend, taten die Gladbacher das, was sie am besten können: Sie konterten nach Herzenslust und liegen nun nur noch einen Punkt hinter den Münchnern.

"Wir sind unnötig in Rückstand geraten, und dann ist es schwer, ein Spiel zu drehen", sagte Philipp Lahm. "In die Karten gespielt" habe man den konterstarken Gladbachern, bilanzierten Trainer Jupp Heynckes und Bastian Schweinsteiger wortgleich.

Neuers Hauptrolle im Spiel war auch eine Überraschung, über ihn waren keine Geschichten geschrieben und gesendet worden im Winter, warum auch? Stattdessen wurde jede verfügbare Zeitungs-Druckmaschine und jedes verfügbare TV-Mikrofon mit Bastian Schweinsteiger und Marco Reus belästigt. Es waren die Themen der Winterpause: Dass der eine - Schweinsteiger - nach seiner Verletzung wieder da ist. Und dass der andere - Reus - bald weg ist.

Der Spielverlauf brachte es mit sich, dass der eine schnell einen besseren Eindruck machte als der andere. Neuers kolossaler Fehler beim 1:0 (11.) veränderte das Spiel komplett: Er drängte dem Torschützen Reus eine Heldenrolle auf, die dieser gut gebrauchen konnte. So kamen Gladbachs Anhänger gar nicht auf die Idee, ihrem Besten den Wechsel übel zu nehmen. Stattdessen bekam Schweinsteiger eine Rolle zugeschanzt, die ihn überfordern musste: Er musste nun plötzlich eine Elf anleiten, die etwas irritiert war von diesem frühen Missgeschick.

Zwar sind die Bayern in der Lage, ihr passbetontes Aufbauspiel verlässlich zu reproduzieren, aber immer noch fehlt ihnen mitunter das Gespür für den Rhythmuswechsel. Gegen nervtötend gut organisierte Gladbacher reichte es nicht, den Ball zu kontrollieren. Gladbachs Trainerkauz Lucien Favre hat seine Elf mit zwei kräftigen und trotzdem feingliedrigen Viererketten gesichert, das weiß jeder, und trotzdem ist es nicht so einfach, mit diesem Wissen etwas anzufangen.

Stilsicher, aber zu statisch

Nach allem, was die Fußballwissenschaft weiß, gibt es nur drei Methoden, solche Ketten zu überwinden. Entweder - erstens - man ist zufällig der FC Barcelona; ansonsten braucht man - zweitens und drittens - Tempo oder individuelle Qualität. Weil es den Bayern an ersterem dramatisch mangelte, kamen sie nur zu Chancen, wenn die Solisten sich ein Herz fassten.

Einmal setzte sich Robben am Flügel durch, seine schöne Flanke fand den Kopf von Gomez, aber Gladbachs junger Torwart ter Stegen drehte den Ball um den Pfosten (14.). Einmal zog Toni Kroos aus der Distanz ab (39.), diesmal boxte ter Stegen den Ball über die Latte.

Die Münchner blieben zwar stilsicher, aber das war genau das Problem: Sie spielten statisch, berechenbar und viel zu wenig zwingend. Mit jeder Spielminute, die verstrich, wurde die Aufgabe schwieriger für die Bayern, weil sie in jeder dieser Spielminuten merkten, wie gefährlich diese Gladbacher im Konterspiel sind. Das ist es, was Favres Borussen als Gegner so unangenehm macht: Man muss schnell und riskant spielen gegen sie, aber man traut sich nicht so richtig. Es kann einem dann nämlich so gehen wie den Bayern in der 41. Minute: Robben verlor den Ball gegen Daems, und dann flitzten die Gladbacher los.

Über Arango gelangte der Ball zu Hanke, der in einem früheren Leben einmal ein rustikaler Mittelstürmer war und sich unter Favre zum Kombinationsspieler entwickelt hat. Scharf schnitt sein Pass durch die aufgerückte Bayern-Abwehr, Herrmann nahm Fahrt auf und schoss den Ball ins Eck (41.). Es war das Tor, das man von Gladbach erwartet, und das man doch nicht verhindern kann.

Das 3:0, ein Kunstwerk

Nun tat Heynckes, was Trainer in so einer Situation halt tun. Er tauschte Offensiv- gegen Defensivspieler (Alaba für Timoschtschuk), er schickte Müller nach vorne zu Gomez und am Ende sogar den riesenhaften van Buyten, der später mit Verdacht auf Mittelfußbruch ausschied. Die Folge waren: null Torchancen - und ein weiteres Konter-Gegentor, das an ein Kunstwerk grenzte. Nach Arangos Steilpass steckte Reus den Ball durch drei Bayern-Verteidiger zu Herrmann, der Neuer zum 3:0 umkurvte.

Ein Debakel? Nun machte sich Schweinsteigers Mitwirken doch bezahlt, nach einer Ecke nutzte er die einzige Unordnung in Gladbachs Defensive zum 1:3. Das hört sich nicht mehr so dramatisch an, ist aber immer noch dramatisch genug für eine Elf, die zuletzt nur noch vom FC Barcelona träumte.

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