Gerichtsprozess gegen Franck Ribéry:Bestenfalls ein halber französischer Held

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Nicht immer glücklich: Franck Ribéry im blauen Trikot (Archivbild von 2012).

(Foto: AFP)

Beim FC Bayern wird Franck Ribéry verehrt, auch ohne Weltfußballer-Titel. Doch in der Heimat Frankreich wird er seinen schlechten Ruf einfach nicht los. Als nächstes unrühmliches Kapitel folgt nun sein Gerichtsprozess.

Von Oliver Meiler, Paris

Alles wäre wohl vergessen gewesen, alle Affären und unseligen Geschichten, überstrahlt vom Glanz dieses goldenen Balls. Als Franck Ribéry zum Wochenanfang nach Zürich zur Verleihung des Ballon d'Or reiste, fuhr auch die Sehnsucht mit, dass ihm die Franzosen, seine kritischen Landsleute, nach der Wahl zum Weltfußballer endlich alles nachsehen würden, stolz wären auf ihn und ihn vielleicht sogar ein bisschen zu lieben begännen. Was hatte er sich doch in den Monaten vor der Feier Mühe gegeben, gewandt und selbstbewusst zu reden.

Wie ausgewechselt wirkte er in Interviews. Als hätte man ihm die Sätze diktiert. Nicht weniger als eine Erlösung schien auf dem Spiel zu stehen. Seine Frau Wahiba, so erzählte er es Le Monde , hatte schon ein Plätzchen auf dem Kaminsims freigemacht. Ribéry war nachgerade besessen davon, den Ballon d'Or zu gewinnen. Als fünfter Franzose nach Raymond Kopa (1958), Michel Platini (1983, 1984, 1985), Jean-Pierre Papin (1991) und Zinedine Zidane (1998). In dieser Erblinie sah er sich.

Es sollte nicht sein, noch nicht wenigstens. Nur Dritter wurde er. "Ti Franck", wie sie Ribéry in Boulogne-sur-Mer im hohen Norden der Republik nennen, wo er vor 30 Jahren in einfachen Verhältnissen geboren wurde, nahm frustriert den Hinterausgang des Zürcher Kongresshauses. Wortlos, grußlos. Und weg war er.

Er festigte damit erneut den Ruf des stillosen Vorstadtrüpels, der in der Heimat klischee- und schicksalhaft an ihm klebt. Er bekommt ihn einfach nicht los. Nicht mit Toren, nicht mit Titeln. Mögen sie den Charakterkopf in Deutschland, vornehmlich in Bayern natürlich, lieben für seine frechen Flügelläufe, seine samtenen Pässe und seine Späßchen: In Frankreich, wo der Patriotismus ja schnell einmal blüht, gilt der beste nationale Fußballer der Gegenwart bestenfalls als halber Held, eher als Viertelheld. In einer Umfrage wünschten ihm nur 26 Prozent den Ballon d'Or. Und als ob diese doppelte Niederlage im Smoking nicht schon reichte, folgt nun gleich die nächste unrühmliche Nummer: vor Gericht, garantiert ohne Prämie.

In Paris muss sich Ribéry von Montag an dem Vorwurf stellen, er habe die Dienste einer minderjährigen Prostituierten beansprucht. Die Geschichte wurde 2010 publik, rauschte damals laut durch die Medien und klang nie ganz ab. Zumal in Frankreich. Zu gut passte sie ins Bild. Den Verkehr mit der damals 17 Jahre alten Zahia Dehar, die sich angeblich auch mit Karim Benzema von Real Madrid geschäftlich getroffen haben soll, streitet Ribéry nicht ab. Das wäre auch schwierig, die beiden waren nicht allein. Zahia war mit einer Kollegin als Geburtstagsgeschenk für den Fußballer aus Paris eingeflogen worden. Bei der eigentlichen Bescherung in einem Münchner Hotel, an der dann offenbar mehrere Personen gleichzeitig teilnahmen, war auch der Schwager zugegen.

Ribéry weist jedoch den strafrechtlich relevanten Vorwurf zurück, das Alter der zierlichen Zahia gekannt zu haben. Kämen die Richter zu einem anderen Schluss, dann drohen ihm drei Jahre Haft und 45 000 Euro Buße. Wahrscheinlich ist das aber nicht. Zahia verzichtet darauf, als Klägerin aufzutreten. Sie ist mittlerweile selber ein kleiner Star, verkauft mit einigem Erfolg und mit Hilfe von Karl Lagerfeld Reizwäsche aus ihrer eigenen Kollektion. Sie habe Ribéry vorgemacht, schon volljährig zu sein, sagte sie einmal. Bezahlt worden sei sie aber sehr wohl, obschon Ribéry das abstreitet. So viel kann man wohl sagen: Es ist keine ruhmreiche Geschichte.

2010 war auch das Jahr, als sich die Bleus , die französischen Nationalspieler, bei der Weltmeisterschaft in Südafrika derart unmöglich aufführten, dabei das Training bestreikten und dann kläglich schon nach der Vorrunde scheiterten, dass die damalige Sportministerin die Akteure als "unreife Vorstadtgangster" bezeichnet hatte - "Caïds". Gemeint war damit auch der Star aus München, der sogar ganz besonders. Ribéry hatte sich vor laufender Kamera als Sprecher der Rebellen bezeichnet, als Leader sozusagen.

"Bad Boy aus Boulogne"

Innerhalb von kurzer Zeit mutierte er in der Wahrnehmung vieler Franzosen vom lustigen Filou, der keinen grammatikalisch korrekten Satz zustande bringt (wofür er in einer beliebten TV-Satiresendung verballhornt wird), zum arroganten "Bad Boy aus Boulogne". Da es sich auch herumgesprochen hatte, dass er sehr viel Geld verdient, was den Franzosen grundsätzlich unsympathisch ist, war es um seinen Ruf nachhaltig geschehen. Soziologen wurden schon befragt zum Phänomen des ungeliebten "Kaiser Franck", so kurios erscheint es.

Der bekannte Sportkommentator Pascal Praud schrieb in diesen Tagen in Le Point: "Die Franzosen lieben Sieger, Ribéry aber lehnen sie ab. Er ist das Wunderkind, das die Familie ignoriert, das sie im Keller versteckt, für das sie sich schämt. Ein schlecht erzogener Rotzlöffel, der krumm redet und für Mädchen bezahlt. Ist das ungerecht? Vielleicht. Sicher sogar. Aber so ist das nun mal: Man wird einen schlechten Ruf nie ganz los."

Schaffen ließe sich das wohl nur, wenn er den WM-Pokal aus Brasilien heimbringen würde. Aber auch das ist nicht sehr wahrscheinlich. Die Bleus haben sich nur mühselig qualifiziert. Ribéry ist zwar ein großartiger Kicker, das finden auch die Franzosen. Doch seine Schultern sind zu schmal, um ein Team alleine zu tragen. Zu klein ist auch sein Charisma. Und seine Torgewalt.

Im Trikot der Nationalelf war Ribéry nun mal noch nie so gut wie im Kollektiv des FC Bayern. Nicht annähernd. Er legt sich auch immer wieder mit Mitspielern an. Mal spaßeshalber, mal ernsthaft. Yohann Gourcuff etwa, ein technisch brillanter und sensibler Mittelfeldspieler, zerbrach irgendwann daran, dass ihn Ribéry nie anspielte. Der blendete ihn einfach aus.

Ribéry leidet unter der Missliebe daheim. Er gilt ja als Gefühlsmensch. Aus Trotz sagte er einmal: "Ich fühle mich in München mehr zu Hause als in Frankreich." Das war vor zwei Jahren - und gab viel zu reden. Nun hat er die beste Saison seiner Karriere gespielt, alles gewonnen. Und dennoch wollten ihn die Franzosen in Zürich nicht triumphieren sehen. "Nun ja, so ist das eben", sagte er zu Le Monde mit gehörigem Fatalismus, "c'est la vie".

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