Geplatzter Wechsel von Bernd Schuster:Ungute Erinnerungen an Felix Magath

Wissenschaftler: Trainerwechsel in der Bundesliga bringen nicht viel

Überzogene Forderungen: Bernd Schuster wird doch nicht Trainer des VfL Wolfsburg.

(Foto: dapd)

Woran scheiterte der Wechsel von Bernd Schuster nach Wolfsburg? Der Klub verhandelte ernsthaft mit ihm, am Ende waren jedoch Schusters Forderungen zu hoch - und Manager Allofs verpflichtete lieber Dieter Hecking. Verlierer des Theaters sind Schuster und sein Berater Thomas Berthold. Und der "Club" aus Nürnberg.

Von Boris Herrmann und Christof Kneer

Die Geschichte mit dem Weihnachtsengel wäre wirklich ganz nett gewesen. Sicher, sein Haar ist längst nicht mehr so goldblond wie in jenen Tagen, als er noch bei Real Madrid das Mittelfeld sortierte. Und zugegeben, jener rote Strickpulli, mit dem Bernd Schuster, 53, zuletzt einen seiner zahlreichen Bewerbungsauftritte im Fernsehen bestritt, erinnerte weniger an ein Engelsgewand als an das Auswärtstrikot vom Nikolaus.

Dessen ungeachtet war die deutsche Medienlandschaft zuletzt in bemerkenswerter vorweihnachtlicher Einfaltigkeit davon ausgegangen, der nächste Trainer des VfL Wolfsburg heiße selbstverständlich und unabänderlich: Bernd Schuster. Offenbar hatte die Medienlandschaft bei der Verkündung einige Glaubens- und Wissensfragen miteinander verwechselt. Auch das passt ja irgendwie zum Geist der Adventszeit.

Am Wochenende ließ Wolfsburgs Manager Klaus Allofs dann in aller Nüchternheit wissen, er habe Dieter Hecking als neuen Coach verpflichtet; der bisherige Trainer des 1. FC Nürnberg erhält in Wolfsburg einen Vertrag bis 2016. Die Personalie Bernd Schuster hatte sich über Nacht entmaterialisiert. Der blonde Engel muss sich einen anderen Himmel suchen.

Dieter Hecking, 48, soll beim VfL Wolfsburg zwischen Weihnachten und Silvester vorgestellt werden. Er gilt als seriöser Fachmann. Zuletzt hat er drei Jahre lang in Nürnberg bewiesen, dass er mit kontinuierlicher Arbeit eine Mannschaft entwickeln kann, die mehr darstellt als die Summe ihrer Einzelteile. Hecking ist, wenn man so will, ein kleiner Thomas Schaaf. Es ist keine Überraschung, dass Allofs ihn nach Wolfsburg holt. Dort gibt es den Wunsch, ein kleines Werder Bremen (mit deutlich größerer Kriegskasse) zu errichten.

Eine kleine Überraschung mag sein, dass der Deal mit Bernd Schuster doch noch platzte. Eine größere Überraschung ist, dass Schuster überhaupt im Gespräch war. Schuster, der seit vielen Jahren in Madrid lebt, ist ein guter Bekannter des VfL-Aufsichtsratschefs Francisco Garcia Sanz. Der ist in Madrid geboren und im VW-Vorstand für den Bereich "Beschaffung" zuständig. Wolfsburg bestreitet zwar, dass der Aufsichtsrat Einfluss auf die Trainerwahl genommen habe. Der Verdacht liegt trotzdem nahe, dass es nicht Allofs war, der die Idee beschaffte, sich doch mal mit Bernd Schuster zu treffen.

Auch Berthold ist Verlierer

Allofs hat ihn dann auch getroffen. Und wohl auch ernsthaft verhandelt. Allerdings mit dem Hinweis: Nicht nur sportliche Fragen seien bei der Trainersuche entscheidend; man müsse auch Kontinuität und Ruhe in den Verein bekommen. Im Fall Schuster ging das schon schief, bevor er überhaupt da war. Die Fans rebellierten via Internet gegen den einstigen Meistertrainer von Real Madrid. Allofs erlebte gewissermaßen sein zweites Wiesenhof, nachdem er sich schon vor Monaten im Zusammenhang mit dem neuen Trikotsponsor von Werder Bremen wüster Kritik aus dem Netz ausgesetzt sah.

Die Sache mit Schuster ist aber wohl nicht an der öffentlichen Meinung gescheitert. Eher an überzogenen Forderungen aus dem Umfeld des Kandidaten, der offenbar der falschen Information aufgesessen war, wonach es neben ihm gar keinen anderen Kandidaten mehr gebe. Schuster wird vom ehemaligen Nationalspieler Thomas Berthold beraten. Und der soll im Glauben an einen bereits besiegelten Deal offenbar einen komplett neuen Trainerstab für seinen Klienten gefordert haben, was in Wolfsburg ungute Erinnerungen an das Modell-Magath geweckt haben dürfte. Allofs hatte plötzlich gute Gründe, sich für den Kandidaten Hecking zu entscheiden, der parallel längst kontaktiert war. Der fügt sich gerne in die gerade wieder frisch angepflanzten Vereinsstrukturen ein und gibt sich damit zufrieden, seinen langjährigen Assistenten Dirk Bremser aus Nürnberg mitbringen zu dürfen.

Als großer Verlierer der Vorweihnachtszeit steht damit, neben Schuster und Berthold, der 1. FC Nürnberg da. Sportchef Martin Bader wurde am Donnerstag von Hecking von dem Abwerbeversuch informiert. Und obwohl er, wie er der SZ am Sonntag sagte, stets "wie eine Löwenmutter" für und um Hecking gekämpft hatte, wusste er schnell, dass er gegen das wildernde Wolfsrudel keine Chance haben würde. Das hängt mit einer Ausstiegsklausel zusammen, die sich Hecking vor drei Jahren in seinen Vertrag schreiben ließ; auch als er seinen Vertrag bis 2014 verlängerte, bestand er auf der Klausel, obwohl Bader versucht hatte, sie aus dem neuen Entwurf zu streichen. "Ohne Klausel wäre Dieter nicht gekommen und auch nicht geblieben", sagt Bader.

Deshalb konnte Hecking nun für 750.000 Euro gehen. Besonders bitter für den Club: Nach SZ-Informationen wäre die Klausel am 31.12.2012 ausgelaufen. Vor diesem Hintergrund ist es nachvollziehbar, dass Bader seinem Trainer "eine Brücke bauen" wollte, wie er es nennt; er wollte Hecking überreden, bis Sommer zu bleiben, in dieser Zeit hätte Bader in aller Stille einen Trainer suchen können. Aber Allofs wollte Hecking sofort.

Bader muss sich nun auf die Schnelle eine andere Brückentechnologie ausdenken, was durchaus nicht seiner ursprünglichen Festtagsplanung entspricht: "Sagen wir es so: Es hat sich dadurch mehr Arbeit aufgestaut. Alle Verwandten bekommen in diesem Jahr nur Gutscheine." Bader stellt allerdings auch klar: "Wir haben 20 Punkte. Wir sind ein gut geführter Verein, der in den letzten Jahren immer einen roten Faden in seiner Arbeit hatte. Wir brauchen keinen Feuerwehrmann." Zahlreiche Initiativbewerbungen aus der Feuerwehrmannbranche sind bei ihm zwar schon eingegangen, wahrscheinlicher ist allerdings, dass sich Bader für eine Doppellösung entscheidet. Demnach könnte bis Saisonende der bisherige Co-Trainer Armin Reutershahn Heckings Arbeit fortsetzen - gemeinsam mit U23-Coach Michael Wiesinger oder einem externen Kandidaten. Bader könnte immer noch in Ruhe einen Trainer suchen.

Die Wolfsburgern haben nun binnen weniger Wochen ein neues Führungsduo aus gültigen Verträgen heraus gekauft, aber man muss auch sagen, dass sich sowohl Allofs als auch Hecking bereitwillig abwerben ließen. Das hat mit Geld zu tun, aber nicht ausschließlich. Heckings Familie wohnt gut 100 Kilometer entfernt von Wolfsburg, und nicht zuletzt begreift er seinen neuen Job auch als logischen Karriereschritt. Bislang musste er stets seine interessantesten Spieler abgeben, ab sofort kann er die interessantesten Spieler selber abwerben. Und sein großes Karriereziel hat er bisher ja immer nur vorsichtig in der dritten Person formuliert: "Ein Dieter Hecking möchte natürlich auch mal einen Titel gewinnen."

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