Georgien in der EM-Qualifikation:Unterricht vom Weltmeister

Georgia's Okriashvili shoots to score a penalty against Gibraltar during their Euro 2016 qualifying soccer match in Tbilisi

Georgiens Nationalspieler Tornike Okriashvili trifft per Elfmeter gegen Gibraltar.

(Foto: David Mdzinarishvili/Reuters)
  • Georgiens Fußball trauert besseren Zeiten nach. Der neue Verbandspräsident Levan Kobiaschwili soll das nun ändern.
  • Das EM-Qualifikationsspiel in Deutschland wollen die Georgier als "Unterricht" nutzen.
  • Hier geht es zur Tabelle in Gruppe D.

Von Johannes Aumüller

Als die deutsche Fußball-Nationalelf zum bisher letzten Mal ein Heimspiel gegen Georgien bestritt, konzentrierte sich beim Gegner vieles auf zwei Akteure. Der eine war der Kapitän Kakha Kaladze, der andere der langjährige Bundesliga-Profi Levan Kobiaschwili (Freiburg, Schalke, Hertha BSC). 2006 stieg das Spiel, inzwischen sind die beiden als Fußballer zurückgetreten, aber für den georgischen Fußball noch von großer Bedeutung.

Kaladze amtiert seit 2012 als Vize-Premierminister, offiziell zuständig für Energie, aber mit einem bemerkbaren Hang, sich auch in sportliche Dinge einzumischen; und Kobiaschwili ist seit dem vergangenem Wochenende Vorsitzender des nationalen Fußballverbandes.

Es war georgischen Medienberichten zufolge keine ganz störungsfreie Präsidentschaftswahl. Ein Delegierter, der Kobiaschwilis Kontrahenten nahestand, kam leider zu spät zur Registrierung als Wahlmann, weil ihn auf dem Weg zum Kongress die Polizei wegen Drogenkonsums mit auf die Wache nahm und erst gegen die Zahlung einer kleinen Geldstrafe wieder frei ließ.

Nahezu alle Akteure der Nationalelf spielen bei ausländischen Klubs

Zwei andere der Gegenseite zugerechnete Funktionäre beschwerten sich, warum sie auf einmal kein Abstimmungsrecht mehr hatten. Und während des Wahlkampfes positionierte sich die Regierung des Landes so eindeutig zugunsten ihres Kandidaten Kobiaschwili, dass aus den Zentralen der internationalen Verbände Fifa und Uefa der obligatorische Mahnbrief kam, nach dem eine politische Einmischung in Angelegenheiten des Fußballs doch bitte zu unterbleiben habe. Am Ende siegte Kobiaschwili jedenfalls mit 18:15 Stimmen, und jetzt hat er also dieses Amt, das er einerseits als "Traum" bezeichnet, in dem ihn andererseits aber viel Arbeit erwartet.

Denn der georgische Fußball trauert gerade seinen guten Tagen nach. Zu Zeiten der Sowjetunion zählte die Dynamo-Mannschaft aus der georgischen Hauptstadt Tiflis durchaus zu den prägenden Teams, je zweimal gewann sie den Meistertitel und den nationalen Pokal, in der ewigen Tabelle lag sie beim Zerfall der UdSSR auf Rang vier. 1981 holte der Klub mit einem 2:1 gegen Carl Zeiss Jena sogar den Europapokal der Pokalsieger. Und in den Neunziger- und frühen Nullerjahre kamen immer mal wieder starke georgische Fußballer nach Westeuropa, allen voran Kaladze beim AC Mailand, Schota Arweladze bei Ajax Amsterdam und rund um Kobiaschwili eine stattliche Fraktion in der Bundesliga, bevorzugt in Freiburg.

Doch heute stellt sich die Lage deutlich anders dar. Die Nachwuchsarbeit darbt dahin, und anders als in vielen anderen früheren Sowjetrepubliken steckt in der heimischen Liga nur wenig Geld. Die Zahl der Stadiengänger ist auch gering, in Schalke kämen manchmal mehr Leute zum Training als in Georgien zu einem Spiel, sagte Kobiaschwili kürzlich.

Wegen dieser schlechten Rahmenbedingungen spielen nahezu alle Akteure der Nationalelf bei ausländischen Klubs - jedoch nicht mehr bei Milan, Ajax Amsterdam oder ambitionierten Bundesligisten. Sondern bestenfalls bei Stade Reims (Kapitän Dschaba Kankawa), Genk (Tornike Okriaschwili) oder dem deutschen Zweitliga-Schlusslicht MSV Duisburg (Lasha Dvali, Giorgi Chanturia). Seit einem halben Jahr trainiert die Elf Kachaber Zchadadse, auch einer der vielen früheren georgischen Bundesliga-Profis (73 Spiele für Frankfurt).

Die alte Verbandsspitze hatte noch die Parole ausgegeben, in der Qualifikationsgruppe Rang drei und damit die Playoffs für die EM-Endrunde zu erreichen. Doch davon sind sie Georgier weit entfernt. Immerhin gab es neben den beiden Siegen gegen Gibraltar zuletzt auch noch ein 1:0 gegen Schottland. Das sei "ein Aufbruch zu neuen Zielen und Erfolgen", sagte Zchadadse. Das Spiel gegen den Weltmeister Deutschland aber, dem er die direkte Qualifikation für die EM-Endrunde vermiesen könnte, betrachtet er vor allem als "Unterricht".

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