Gelbe Karten in der Champions League:Über die Bande gegrätscht

Insgesamt sechs Spieler fehlen im Finale der Champions League, weil sie im Verlauf des Wettbewerbs zu viele Gelbe Karten gesammelt haben. Der Verteidiger Walter Frosch schaffte einst 27 Verwarnungen in einer Saison, auch deshalb müssen Fußballprofis nun öfter aussetzen - kurioserweise hat die Uefa verschiedene Verfahren für die Gelbsperre.

Jürgen Schmieder

Walter Frosch ahnte schon im Jahr 1976, dass ihm einmal eine bedeutsame Rolle im Weltfußball zukommen würde. Als er vom damaligen Bundestrainer Jupp Derwall in die B-Nationalelf berufen wurde, da sagte er trocken: "Ein Walter Frosch spielt nur in der A-Mannschaft oder in der Weltauswahl."

Dass der FC Bayern München und der FC Chelsea im Champions-League-Finale nicht mit ihren A-Mannschaften antreten können, hat auch mit Frosch zu tun. Bei den Münchnern fehlen David Alaba, Holger Badstuber und Luiz Gustavo, Chelsea muss auf Ramires, Branislav Ivanovic und Raul Meireles verzichten - weil ein Spieler nach drei, fünf oder sieben Verwarnungen für die jeweils kommende Partie gesperrt ist.

In der Saison 1976/77 wurde Frosch mit dem FC St. Pauli Meister in der zweiten Bundesliga, er schaffte dazu einen persönlichen Rekord. Bei 37 Einsätzen bekam er 27 Mal die gelbe Karte gezeigt. "Irgendwann hatte ich auch Bock darauf, verwarnt zu werden. Zur Not habe ich den Schiedsrichter angemeckert", sagte Frosch einmal, "die 27 Dinger sind jedenfalls Rekord und der Grund, warum die Gelbsperre eingeführt wurde."

Die Sperre nach damals vier gelben Karten gab es in der Bundesliga zwar erst zur Saison 1979/80, doch lag das laut eines DFB-Sprechers daran, "dass die Mühlen damals doch sehr langsam mahlten". Tatsächlich konnte die Süddeutsche Zeitung trotz intensiver Recherchen weltweit keinen Profikicker finden, der jemals mehr gelbe Karten innerhalb einer Saison gesehen hat.

Es ist auch schwer, einen Typen wie Walter Frosch zu finden. Im Jahr 1974 wäre er beinahe zu Bayern München gewechselt - er hatte einen Vertrag unterzeichnet und trainierte bereits mit. Er gab Jupp Kapellmann eine Ohrfeige und lieferte sich mit Trainer Udo Lattek ein kleines Wortgefecht, das Frosch so beschrieb: ",Wenn du keine Lust mehr hast, dann geh' doch duschen', hatte der Lattek wieder gebrüllt. ,Mach' ich auch', habe ich gesagt und bin ab in die Kabine."

Warten in El Arenal

Wenig später stellte sich heraus, dass Frosch noch bei Kaiserslautern unter Vertrag stand. Also wartete Frosch am Strand von El Arenal auf das Urteil des DFB - und spielte danach in Kaiserslautern. Dort brachte er Erich Ribbeck zur Verzweiflung. Vor dem Spiel gegen Schalke 04 veranstaltete er um drei Uhr morgens sturzbetrunken einen Wettlauf mit Freunden (er gewann), die geröteten Augen begründete er mit einer Bindehautentzündung.

"Den Erwin Kremers habe ich in den ersten Minuten drei Mal über die Bande gehauen, damit da Feierabend war", sagte Frosch über die Partie. Kremers wurde nach 18 Minuten ausgewechselt. 1976 wechselte der gelernte Schornsteinfeger zu St. Pauli und durfte die Karten sammeln, die erst sechs Jahre zuvor eingeführt worden waren. Die erste gelbe Karte hielt der deutsche Referee Kurt Tscheschner beim Eröffnungsspiel der Weltmeisterschaft 1970 dem Russen Givili Nodiya entgegen.

Der europäische Fußballverband Uefa pflegt kurioserweise zwei unterschiedliche Verfahrensweisen mit Gelbsperren: Bei Europameisterschaften werden seit sechs Jahren - wie auch bei Weltmeisterschaften, die vom Weltverband Fifa geregelt werden - nach dem Viertelfinale die Karten gestrichen. In der Champions League sowie in der Europa League dagegen gibt es diese Streichung nicht.

Trotz bitteren Lamentierens (Bayern-Präsident Uli Hoeneß: "Das ist eine Katastrophe für die Jungs.") und zahlreicher Proteste werden die sechs Spieler auf der Tribüne sitzen müssen - die Mühlen der Uefa haben noch nicht einmal angefangen zu mahlen.

Beim FC Chelsea wird im Finale gegen Bayern München zusätzlich noch John Terry fehlen. Der Brite hatte für seinen törichten Tritt in den Hintern des Gegenspielers die rote Karte gesehen. Für die daraus resultierende Strafe kann Walter Frosch nichts. In seiner gesamten Profikarriere wurde er kein einziges Mal des Feldes verwiesen.

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