Gaudi-Spiel des FC Bayern:Männer, die Binden tragen

Der FC Bayern wirbt für die Winterspiele 2018 in der Stadt und spielt Fußball gegen ehemalige Olympiasieger und Weltmeister. Der einzige Torschütze gegen den Rekordmeister hat nur ein Bein.

David Binnig

Die Blauen liegen 0:11 hinten und sind zu achtundzwanzigst auf dem Feld, als Georg Hackl zaubert. Die etwa zwölfte Minute der Nachspielzeit läuft - der Schiedsrichter nimmt es mit der Spielzeit nicht so genau; was aber rein gar nichts damit zu tun hat, dass er Karl Valentin heißt - und die Blauen haben etwa zwanzig hundertprozentige Torchancen vergeben. Also tut Hackl das, was ein Kapitän tun muss: Er kämpft, setzt sich durch und gibt die Vorlage zum Anschlusstreffer. Was Hackl da in den Strafraum des FC Bayern bringt, ist keine schnöde Flanke, es ist ein Genuss. Er streichelt den Ball und spielt einen gefühlvollen Heber über die Bayern-Verteidiger hinweg.

Saisoneroeffnung des FC Bayern Muenchen

Früherer und aktueller Bayern-Kapitän: Lothar Matthäus (re.) und Mark van Bommel.

(Foto: ddp)

Mit Wojtek Czyz' Tor zum 1:11 endet das Spiel zwischen Hackls Blauen und dem FC Bayern München. Ein Gaudi-Kick, gesponsert von einer Fitnessstudio-Kette, dem neuen offiziellen Fitness-Partner der Bayern. Gleichzeitig diente das Duell als Werbung für die Münchner Olympiabewerbung, die der FC Bayern unterstützt. Da es um die Winterspiele geht, ist es nur logisch, dass der Hackl-Schorsch beim Einmarsch der Athleten zwar nicht die deutsche Fahne, aber zumindest die Kapitänsbinde trägt. "Wir sind dankbar dafür, dass wir hier auf diesem heiligen Rasen auf und ab traben durften und die Olympiabewerbung in ein positives Licht rücken konnten", sagte Hackl nach dem Spiel. Sein Trainer hieß an diesem Abend Willy Bogner, seine Mitspieler waren eher Schnee und Eis gewohnt als Rasen.

Capitano Schorsch

Georg Hackl kann mit Druck umgehen, er hat alles gewonnen, was es im Rennrodeln und Wok-Fahren zu gewinnen gibt, und als Hauptfeldwebel der Bundeswehr strahlt er die Autorität aus, die ein Kapitän braucht. Er führt seine Mitspieler, ob jung oder alt, fußballerfahren oder nicht. Der einzige Torschütze seiner Mannschaft ist eigentlich Leichtathlet - und hat nur ein Bein.

Wojtek Czyz ist vierfacher Goldmedaillen-Gewinner bei Paralympics. Er war einst Fußballer, stand 2001 kurz vor einem Wechsel zum damaligen Regionalligisten Fortuna Köln, doch nach einem brutalen Foul und einer Kette ärztlicher Behandlungsfehler verlor er sein linkes Bein. Er ließ sich eine federnde Carbon-Schwinge anfertigen, um zu trainieren, wurde Sprinter und Weitspringer. 2004, in Athen, lief er die 100 Meter in 12,51 Sekunden. Gestern, in der Münchner Arena, lief er viel und schnell. Er hatte drei Chancen, einmal nahm er eine halbhohe Flanke per Seitfallzieher. Die spektakulärste Szene des Spiels.

Ballkünstler gegen Biathleten

Die Beteiligten auf dem Platz boten den 28.000 Zuschauern das, was sie sehen wollten: Show. Es ging um den Spaß und um Olympia 2018. Die beiden Kapitäne Mark van Bommel und Georg Hackl verkörpern den Geist ihrer Mannschaften: Der eine führte Spieler wie Ribéry, Gomez oder Kroos auf den Platz, der andere Spieler wie Luck, Loch oder Weißflog. Ballkünstler gegen aktive und ehemalige Biathleten, Rodler, Skispringer. Doch der erfahrene Anführer Hackl ging trotz der gegnerischen Übermacht optimistisch in die Partie. Er erfüllte die Aufgaben eines Kapitäns voll und ganz: Interviews geben, Hände von Schiedsrichtern und Mark van Bommel schütteln, rennen, reden, antreiben, nach Gegentoren verzweifelt abwinken, nie aufgeben.

Bis zur Hälfte der ersten Halbzeit hält er seine Abwehr zusammen, dann schießt Mario Gomez das 1:0 für die Roten. Und Georg Hackl wandelt sich vom Mittelstürmer in einen Mittelfeldspieler. Später in einen Sechser, dann in einen Innenverteidiger, zuletzt wird er zum Libero. Der Kapitän lässt sich im Laufe der ersten Halbzeit immer weiter nach hinten zurückfallen, dorthin, wo Not am Mann ist. Hackl macht die Räume eng. Das Zustellen und Autorität-Ausstrahlen gelingt nur einem besser: Aber der wiegt auch 110 Kilogramm und war mal Football-Profi. Richard Adjei ist eigentlich Anschieber im Vierer-Bob. Heute gibt er einen besonders robusten Verteidiger. Sein Gegenspieler: Frank Ribéry. Dem ist seine Angst nicht anzusehen. Er nimmt es sich sogar heraus, zwei Tore zu schießen.

Man wächst mit den Aufgaben

Zur Halbzeit, nach 20 Spielminuten, steht es 5:0 für den FC Bayern. Nach der Pause bleibt Georg Hackl erst mal draußen. Die Blauen haben inzwischen einen Ersatz-Leitwolf: Lothar Matthäus. Auch er rackert - meist ganz hinten, als Libero. Er ist ruhig heute, dirigiert und kommuniziert wenig. Vielleicht hat er andere Dinge im Kopf. Er war Weltmeister, Weltfußballer, Kapitän der Nationalmannschaft. Letztgenannter Posten ist zurzeit heiß umworben. "Ich habe gesagt, dass ich gerne Kapitän bleiben möchte, da mir das Amt großen Spaß macht. Aber das ist allein die Entscheidung des Bundestrainers", sagte Philipp Lahm nach dem Spiel. Wie man in diesem Amt aufblühen kann, zeigt der Hackl-Schorsch.

Hackls Amtseinführung verlief auch sehr unkompliziert: "Ich weiß auch nicht, wer das bestimmt hat, dass ich Kapitän werden soll." Doch Hackl nahm die unverhoffte Rolle an. Er vermittelte seinen Glauben an den Sieg - wenn auch nicht sehr erfolgreich: "Ich habe gesagt: auf geht's, das packen wir! Aber irgendwie hat das keiner gehört."

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