Gaelic Football:Im Dirndl zum irischen Bankett

Gaelic Football ist irischer Nationalsport und Gift für jeden Rasen - eine Mischung aus Fußball, Handball und Rugby. Das Frauenteam Munich Colmcilles reist für ein großes Turnier auf die grüne Insel. Und stößt dort auf viele Traditionen.

Von Nicole Werner

Zu dieser Jahreszeit? Die hiesigen Platzwarte würden einen für verrückt erklären, wenn man vorhätte, sämtliche Rasenplätze der Umgebung an einem Turnierwochenende zu beackern. Die Sportstätten wären ruiniert für den Sommer. In Irland macht sich darüber keiner Gedanken. Trotz der wirtschaftlichen Unsicherheit, die das Land erlebt, ist hier eines gewiss: Das Gras auf den Gaelic-Football-Feldern ist grün und wächst. Immer. Dabei ist diese raue Sportart Gift für jeden Rasen: Gaelic Football sieht aus wie eine Mischung aus Fußball, Handball und Rugby und ist Irlands Nationalsport.

Schon vor Monaten ist das Frauenteam der München Colmcilles GAA von der irischen Gaelic-Football-Legende Páidí Ó Sé eingeladen worden zur 24. Auflage des Traditionsturniers, das auf der im Westen gelegenen Halbinsel Dingle ausgetragen wird, die dem Klischee Irlands ziemlich gut entspricht: Schmale Straßen entlang grüner Hügel, die den Blick freigeben auf das Meer und kilometerlange, leere Strände.

Páidí Ó Sé ist in Irland so bekannt wie Franz Beckenbauer in Deutschland. "Er war einer meiner Football-Helden, als ich ein Kind war", erzählt die rothaarige Maria Kivlehan. Die Projektingenieurin hat die Colmcilles 2001 mitgegründet. So sehr die Gaelic-Football-Gemeinde Ó Sé verehrte, so tief saß der Schock über seinen unerwarteten Herztod im Dezember 2012 im Land. Hunderte Menschen nahmen an der Beerdigung im Fischerdörfchen Ventry teil, Tausende verfolgten den Livestream der Zeremonie im Internet. Fernsehen und Zeitungen berichteten tagelang über den Footballer, der später als Funktionär Außerordentliches für den Sportverband Gaelic Athletic Association (GAA) geleistet hatte.

Das Turnier wurde trotz Ó Sés Tod ausgetragen. "Er hätte es so gewollt", sagen die Menschen auf Dingle. "Es musste weitergehen", ergänzt seine Frau Máire. Von einem Tag auf den anderen war der 19-jährige Sohn Pádraig Ó Sé für die Koordination von etwa 1500 Spielern in 48 Männer- und Frauenmannschaften aus ganz Europa zuständig. Er beaufsichtigt die 24 Rasenplätze, kümmert sich um Verpflegung, Unterkunft und Unterhaltung der Gäste. Maria Kivlehan freute sich über die "wundervolle Gelegenheit, dem Bezirk Kerry und den Iren zu zeigen, dass Football nicht nur die irische Gemeinde anspricht".

Der Münchner Verein besteht nämlich nicht nur aus irischen Einwanderern, sondern auch aus zahlreichen deutschen, aber auch spanischen, österreichischen und amerikanischen Mitgliedern. Das Vereinswappen auf den Sweatshirts zeigt das Münchner Kindl auf einem Kleeblatt vor weiß-blauen Rauten. Der vor den Partien gebrüllte Schlachtruf: "Wia samma? Guad samma!" zeigt, dass sich alle internationalen Einflüsse auf einen bayerischen Nenner bringen lassen.

Ein Sieg, eine Niederlage

Angela Büchler wechselte vom Fußball zum Football. Die 29-jährige Physiotherapeutin mag die Vielseitigkeit des gälischen Sports: "Er ist koordinativ anspruchsvoll, er ist schnell. Trotzdem kann fast jeder mit ein bisschen Training mitspielen." Üblicherweise treffen die München Colmcilles im Turniermodus zweimonatlich auf kontinentaleuropäische Vereine. In das Ursprungsland des Sports zu reisen, wo jede Ortschaft einen eigenen Klub hat, irischen Teams beim Spielen zuzuschauen und selbst aufzulaufen, findet Büchler großartig.

In Dingle gewinnt ihr Team einmal und verliert einmal. Das reicht nicht für das Weiterkommen im Turnier. "Aber wir haben unser Bestes getan, Bayern würdig zu vertreten." Büchler muss lachen. Sie weiß, dass in Deutschland kaum jemand Notiz von ihrer Sportart nimmt. Nicht so in Irland. Überall wo die Münchnerinnen hinkommen, zollen ihnen die Menschen Anerkennung dafür, dass sie die weite Strecke auf sich genommen haben, um ein wenig Football zu spielen. Das Foto von den Frauen im Dirndl beim offiziellen Bankett ist wenig später in irischen Tageszeitungen abgebildet.

Für den Ó-Sé-Pub, den sozialen Mittelpunkt des Turniers, ist es die wichtigste Zeit des Jahres. Auf zahllosen Fotos an den Pub-Wänden sind ehemalige und aktive Iren aus Sport, Politik und Gesellschaft abgebildet. Darunter zapft der junge Pádraig Ó Sé bis in die Morgenstunden im schwarzen Anzug und Krawatte Bier.

Die Region schaut auf den neuen Koordinator. Das lange Turnierwochenende ist in den kargen Wintermonaten eine notwendige Einnahmequelle für die Pensionen, Taxifahrer und Geschäfte. "Es belebt die Gegend", sagt der kleine, muskulöse Ó Sé junior mit sanfter Stimme inmitten des Trubels hereinkommender Gäste. Es wird gelacht, getanzt und getrunken. Doch auf einmal verstummen die Gespräche. Ein Geistlicher hat begonnen, ein Gebet für den Verstorbenen zu sprechen. Selbst für bayerische Katholiken ist es ungewohnt, dieses mit einem Bier in der Hand zu begleiten. "Sláinte!" - "Zum Wohl!" wird sich anschließend zugeprostet.

Fragt man die Iren, was ihr Sport für sie bedeutet, sprechen sie von Kulturerbe, Tradition und Verpflichtung. Seit ihrer Gründung 1884 hatte die GAA die Aufgabe, Identifikation mit irischer Kultur zu stiften, insbesondere als Abgrenzung gegen die der Engländer. Noch heute ist beinahe jeder vierte Ire Mitglied der GAA mit den Sportarten Football, Hurling, Irish Handball und Rounders. "It is everything." - "Es ist alles", sagt ein Spieler vom lokalen Verein "An Ghaeltacht". Tradition verbindet: Ausgewanderte Iren, die nur für ihren Sport in die Heimat zurückreisen, mit Footballerinnen aus Bayern, die auf der Insel herzlich aufgenommen werden in den Kreis der Sportvernarrten.

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