Futsal-Weltmeisterschaft:Stiefkind und kleiner Bruder

Am Dienstag beginnt die WM im Futsal. Während viele klassische Fußball-Nationen dabei sind, schaut Deutschland nur zu - weil es noch gar keine Nationalmannschaft hat. Das soll sich bald ändern.

Johannes Aumüller

Es ist Weltmeisterschaft, Fußball-Weltmeisterschaft, und viele starke Fußball-Nationen sind wie selbstverständlich dabei. Brasilianer und Argentinier, Italiener und Spanier, Portugiesen und Russen. Und Deutschland? Der DFB hat den Sprung zur Weltmeisterschaft nicht geschafft. Er konnte ihn auch gar nicht schaffen, weil er erst gar nicht an der Qualifikation teilgenommen hat. Und er hat erst gar nicht an der Qualifikation teilgenommen, weil er überhaupt nicht über eine Nationalmannschaft verfügt.

Futsal-Weltmeisterschaft: Brasilien (gelbe Trikots) und die USA bei einem Spiel der Futsal-WM 2004 in Taiwan.

Brasilien (gelbe Trikots) und die USA bei einem Spiel der Futsal-WM 2004 in Taiwan.

(Foto: Foto: AP)

Dies ist kein Schreckensszenario für die WM 2050, wenn Deutschland keine Nationalmannschaft mehr stellen kann, weil aufgrund von Überalterung grassierender Kinderlosigkeit kein Mensch mehr Fußball spielt. Dies ist eine Beschreibung des Hier und Heute, des Jahres 2008. Am Dienstag beginnt in Brasilien die sechste Fifa-Futsal-Weltmeisterschaft, und von deutschen Farben ist weit und breit keine Spur.

Der in den 1930er Jahren entstandene Futsal hat sich zum kleinen Bruder des Elf-Mann-Fußballs entwickelt. Es gibt einige Parallelen, aber auch klare Unterschiede. Fünf Spieler stehen in einer Mannschaft, anders als beim normalen Hallenfußball gibt es keine Bande, der Ball ist sprungreduziert. Die Fouls werden wie beim Basketball pro Mannschaft angesammelt und ab dem sechsten Mannschaftsfoul in einer 20 Minuten dauernden Halbzeit gibt es Strafstöße für den Gegner. Rempeln und Tacklings sind rigoroser verboten als beim Fußball, technische Fähigkeiten hingegen stärker gefragt.

"Ein zartes Pflänzchen"

Spötter meinen, dass dieser Satz über die Technik ausreichend ist, um zu erklären, warum Deutschland nicht an der Futsal-WM teilnimmt - und auch niemals teilnehmen wird. Für die Rumpel-Ära mag das ja noch zustimmen, doch in Zeiten von feinen Technikern wie Helmes, Marin oder Schweinsteiger ist dieser Hinweis unangebracht.

Wenn es nach Willi Hink geht, soll die deutsche Abstinenz bei Futsal-Weltmeisterschaften bald beendet sein. Lange wurde Futsal in Deutschland stiefmütterlich behandelt, nun ist die Sportart "ein zartes Pflänzchen", wie der zuständige DFB-Direktor sagt. Doch peu à peu will Hink die Kleinfeld-Variante des Fußballs voranbringen. Seit 2003 gibt es eine inoffizielle, seit 2006 eine offizielle deutsche Meisterschaft, mit dem UFC Münster nimmt zum mittlerweile dritten Mal eine deutsche Vereinsmannschaft an einem europäischen Klubwettbewerb teil, in Münster fand vor kurzem das erste internationale Futsal-Turnier auf deutschem Boden statt, und in einigen Landesverbänden formieren sich bereits die ersten Auswahlteams.

Aus diesen Auswahlteams wiederum soll so rasch wie möglich eine Futsal-Nationalmannschaft entstehen. Wenn alles ideal läuft, könnte bereits bei der nächsten Futsal-WM eine deutsche Fünf an den Start gehen. Und dann soll der Rückstand auf die führenden Futsal-Nationen wie den dreimaligen Weltmeister Brasilien oder den zweimaligen Titelträger Spanien schnell aufgeholt werden. "Jeder erwartet, dass sich Deutschland vorne einnistet, wenn wir das ernsthaft angehen. Und wir erwarten das auch von uns", sagt Hink.

Futsal hilft den Fußballern

Für dieses Ziel setzen Hink und seine Mitstreiter nun schon im Jugendbereich an. Sie haben die Idee konzipiert, dass alle Hallen-Turniere konsequent auf die Futsal-Variante umgestellt werden und nicht mehr nach gusto des jeweiligen Ausrichters stattfinden. Gleichzeitig muss er aber die Fußball-Traditionalisten dahingehend beruhigen, dass Futsal den klassischen Fußballvereinen Mitglieder und Spieler abjagen könnte. Hink argumentiert in dieser Frage immer mit Blick auf den Nachbarn Niederlande: "Dort erleben wir es, dass viele Menschen Fußball und Futsal spielen. Wir nehmen dem klassischen Fußball niemanden weg."

Überhaupt hat die Fußball-Futsal-Beziehung zwei Seiten. Zum einen möchte Hink reine Futsal-Spezialisten, um international auch mithalten zu können. Zum anderen setzt er im Breitensportbereich eher auf eine Symbiose der beiden Sportarten. So haben zum Beispiel Wissenschaftler der Universität Frankfurt in einer Studie ermittelt, dass regelmäßiges Futsalspielen hilft, auch beim normalen Fußball bessere Fähigkeiten in der Ballkontrolle zu erarbeiten.

Somit soll also der Futsal seinen Beitrag dazu leisten, dass sich die deutschen Nachwuchs-Fußballspieler technisch verbessern. Dass begnadete Kicker auch in der Hallenvariante glänzen können, zeigen einige prominente Beispiele. Unter anderem die Brasilianer Ronaldinho, Robinho und der frühere Berliner André Lima spielten in ihrer Kindheit Futsal.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: