Fußballstadien:Weniger Polizisten, weniger Konfrontation

Polizeieinsatz bei Fußball-Spiel

Polizei? Ja, aber in Zukunft bitte etwas weniger - auch im Frankfurter Bundesliga-Stadion.

(Foto: dpa)

Weniger Polizisten in den Bundesliga-Stadien? Die Pläne aus Nordrhein-Westfalen sorgen für Aufregung - jedoch nicht bei den Sicherheitsbeauftragten der Vereine. Manche Klubs sehen die Chance, dass dadurch die Gewalt sogar zurückgeht.

Von Lisa Sonnabend

Ralf Ziewer hat einen hektischen Job, doch jede Woche nimmt er sich Zeit und geht Kaffeetrinken. Er unterhält sich dann über Fußball, fast ausschließlich über seinen Verein Bayer Leverkusen. In den Gesprächen geht es aber nicht um die Chancen im nächsten Spiel, um Verletzungssorgen oder Transfergerüchte. Ralf Ziewer spricht über Notfallpläne und Deeskalationsstrategien.

Ziewer, 56, ist seit 30 Jahren Sicherheitsbeauftragter von Bayer Leverkusen. Seine Aufgabe ist es, die Zuschauer vor Ausschreitungen im Stadion zu schützen.

Ihm gegenüber am Kaffeetisch sitzen Polizisten aus Nordrhein-Westfalen. Deren Regierung hat am Montag einen Plan vorgelegt; sie will in der kommenden Saison die Zahl der Polizisten bei Bundesligaspielen reduzieren, zumindest für Partien, bei denen keine Krawalle zu erwarten sind. Ein Aufschrei ging durchs Land, da befürchtet wird, dass die Vereine im Nu überfordert sind, wenn sie alleine für die Sicherheit im Stadion sorgen sollen.

Ralf Ziewer kann die Aufregung nicht nachvollziehen. "Im Grunde machen wir das schon seit 15 Jahren so", sagt Ziewer, "wenn die Gastmannschaft mit nur wenigen Fans anreist, fahren wir das Polizeiaufgebot herunter." Bayer Leverkusen befürwortet deswegen das neue Konzept der NRW-Polizei grundsätzlich. "Unser Verhältnis ist eng und gut und das bleibt auch so", sagt Ziewer. Veränderungen für den Verein und seine Arbeit erwartet er kaum.

Andere Bundesligisten in Nordrhein-Westfalen sehen das ähnlich. Werner Spinner, Präsident des 1. FC Köln, findet: "Es gibt Spiele, in denen eine massive Polizeipräsenz gar nicht nötig ist." Bernhard Nießen, Sicherheitsbeauftragter bei Borussia Mönchengladbach, sagt: "Die Polizei muss das Nötige tun, um die Sicherheit zu gewährleisten." Auch in Gladbach überlegt der Sicherheitsbeauftragte vor einem Spiel gemeinsam mit der Polizei: Wer ist der Gegner? Welches Potenzial an Problemfans gibt es? Die Polizei entscheidet dann, ob 100 oder 1000 Beamten geschickt werden. Angst, dass künftig zu wenige Polizisten vor Ort sein könnten, hat Nießen nun keine. "Das kann sich der Staat gar nicht leisten."

Ganz zufrieden mit der neuen Regelung ist der Gladbacher dennoch nicht. Er kritisiert, dass Innnenminister Ralf Jäger nicht mit den Vereinen über das Vorhaben gesprochen habe. "Er hätte die Fangruppierungen ernst nehmen sollen", sagt Nießen. Sie hätten Vorschläge einbringen können, nun vermisse er die Transparenz. Auch wenn er keine großen Probleme erwartet.

Chance zur Deeskalation

Die NRW-Regierung rechtfertigt das neue Konzept damit, dass sie höhere Kosten dem Steuerzahler nicht zumuten will. Schon jetzt verwende die Bereitschaftspolizei zwei Drittel ihrer Einsatzzeit nur auf die Sicherung von Fußballspielen. Durch die Aufstiege des SC Paderborn und 1. FC Köln hat sich die Lage in NRW in der neuen Bundesligasaison zusätzlich verschärft. Der neue Einsatzplan soll nun vier Spieltage lang getestet werden.

Manche Verantwortliche sehen die Reduzierung der Polizei als Chance. "Die Polizei kann sich auch mal ein Stück weit zurücknehmen, sie braucht sich nicht immer zu zeigen", sagt Gladbachs Sicherheitsbeauftragter Nießen. "Das wirkt deeskalierend." Fanforscher Gunter A. Pilz ist sogar der Meinung: "Ein massives Polizeiaufkommen führt in der Fanszene zu Solidarisierungs-Effekten gegen diese Machtdemonstration und in der Regel zu mehr Konfrontation", sagte er dem Sport-Informations-Dienst.

Eine Sorge jedoch haben die Vereine: Bei Risikospielen dürfe die Polizeipräsenz auf keinen Fall reduziert werden, die Sicherheit der Stadionbesucher sei sonst nicht gewährleistet. "Es dürfen nicht die Vereine oder die DFL in die Verantwortung oder gar Haftung genommen werden", sagte FC-Präsident Spinner.

Die Heimspiele von Bayer Leverkusen und Gladbach gelten als relativ unproblematisch, die Fans als wenig gewaltbereitet, Risikospiele gibt es nur selten. "Toi toi toi, die vergangenen Jahre haben wir weitgehend Ruhe gehabt", sagt Leverkusens Ziewer. In den Neunzigern dagegen gab es Probleme mit der Hooliganszene, zuletzt vor allem mit Pyrotechnik. Doch das sei besser geworden. "Die Fans sind wohl zur Einsicht gekommen, dass es tatsächlich gefährlich ist, dem Nachbarn eine 2000 Grad heiße Fackel in den Nacken zu halten." Und wenn doch einmal etwas passiere, gebe es ja die Stadionwache. Die ist immer besetzt.

Sicherheitsexperte Ziewer bleibt gelassen und sagt über das neue Konzept: "Erstmal kommen lassen, dann kann man es ja immer noch anpassen." Aufregung gibt es im Fußball ohnehin schon genug.

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