Fußballer Manuel Friedrich in Indien:Schuhe föhnen mit Del Piero

Manuel Friedrich, Mumbai City

Einst Mainz und Dortmund, jetzt Mumbai City FC: Manuel Friedrich.

(Foto: Gina Schmidt/dpa)

Mit der Rikscha zum Training: Der frühere Nationalspieler Manuel Friedrich leistet Entwicklungshilfe in Indiens neuer Fußball-Liga. Seine Truppe gleicht einer internationalen Altherren-Star-Mannschaft.

Von Matthias Schmid

Vor ein paar Tagen hat sich Manuel Friedrich, 35, endlich in den Käfig getraut. Er war oft von seinen indischen Mitspielern darauf angesprochen, ja fast bedrängt worden, dort endlich hinzugehen. Doch Friedrich fühlte sich noch nicht so weit, Angst ist kein guter Begleiter. Aber nach vier Wochen in Indien fielen ihm keine neuen Ausreden mehr ein, er hat es also getan, "Und es war gar nicht schlimm", bekennt der ehemalige deutsche Fußball-Nationalspieler.

Er hat den Ball getroffen. Es gibt Hunderte dieser Käfige in den Kaufhäusern Mumbais, wo er seit Mitte Oktober in der neu gegründeten Indian Super League (ISL) kickt, abgetrennte Räume, in die viele Besucher von außen hineinstarren, in den Käfigen gibt es keine wilden Tiere, es fliegen nur Bälle, ähnlich wie bei einer Ballmaschine im Tennis. In Indiens Käfigen fliegen Cricketbälle, mal hoch, mal tief, oder ganz schnell. "Bei mir war die leichteste Stufe eingestellt", erzählt Friedrich mit einem Lächeln. Er hat schnell erfahren, dass Cricket das Leben hier bestimmt, nicht der Fußball.

Fußball-Meldungen stehen im Sportteil ganz hinten

Daran muss er sich erst einmal gewöhnen als Fußballer aus Deutschland, an die Tatsache, dass über ein Spiel des örtlichen Klubs am nächsten Tag nur eine kleine Meldung ganz hinten im Sportteil erscheint, "die man noch mit der Lupe suchen muss", wie er sagt. Die Inder lieben Cricket, sie verehren diese Spieler wie sonst nur ihre Götter Brahma oder Vishnu. An jeder Ecke schwingen die Kinder ihre Schläger, kaum jemand rennt einem Ball nach. "Manchmal sehe ich aber Menschen im Trikot der deutschen Nationalmannschaft", sagt Friedrich.

Es ist vieles neu und aufregend für ihn, seit er sich im Sommer entschloss, für Mumbai City FC in der neuen Profiliga aufzulaufen. Manchmal wünscht er sich, dass bei der Fahrt zur Arbeit auch die dreirädrige Rikscha von einem Käfig umgeben wäre. Im indischen Straßenverkehr herrschen eigene Gesetze, eigentlich gibt es nur eine einzige Regel in der Zwölf- Millionen-Einwohner-Metropole, aus dem Chaos mit Menschen, Autos und Kühen heil rauszukommen.

"Ich brauche manchmal zwei Stunden für zehn Kilometer", sagt Friedrich. Es ist genau das Abenteuer, das er gesucht hatte nach einer langen Karriere als Bundesligaspieler mit mehr als 250 Einsätzen sowie neun Länderspielen. In Indien ist alles anders. Das fängt schon bei der Fahrt zum Trainingsgelände an und hört damit auf, dass die Klubvertreter ihm ernsthaft raten, die nassen Kickschuhe nach dem Training im Hotelzimmer mit dem Föhn zu trocknen.

Friedrich war nie ein Kicker, der sich den ganzen Tag mit Fußball beschäftigen wollte; er war niemand, der sich nach getanem Tagwerk aus purer Langweile auch noch Drittligaspiele in England anschaute, weil er nichts anderes mit sich anzufangen wusste. Deshalb findet er das Projekt in Indien auch so reizvoll, "wir wollen den Sport im Land populärer machen und gehen auch in die Schulen, um die Jungen und Mädchen zu begeistern", sagt Friedrich.

70 000 Zuschauer im ersten Spiel

Es gibt acht Klubs in der Liga, die ihren Meister in nur knapp zwei Monaten in einer Turnierform ermittelt. Friedrich ist nicht der einzige prominente Kicker, der sich davon - und natürlich vom ordentlichen Geld - hat überzeugen lassen. In seiner Mannschaft spielen zum Beispiel der Franzose Nicolas Anelka, 35, und der Schwede Fredrik Ljungberg, 37. Die große Attraktion des Hauptstadtklubs Delhi Dynamos ist Italiens Weltmeister Alessandro Del Piero, 39.

Der Brasilianer Zico arbeitet als Trainer in Goa, wo auch Robert Pires, 41, kickt. Die alternden Größen sollen mit ihren auch in Indien prominenten Namen die Zuschauer ins Stadion locken. Das klappt bisher ganz gut. Beim Eröffnungsspiel mit Mumbai City füllten 70 000 Menschen das Stadion. "Die Stimmung war phantastisch", sagt Friedrich.

Alle drei, vier Tage steht ein Spiel an

Es scheint so zu sein, dass die Macher aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt haben. Im Jahre 2002 fehlten einem ähnlichen Projekt die Sponsoren, die schillernden Namen. Am erforderlichen Geld dürfte es diesmal nicht scheitern. Indiens reichster Mann Mukesh Ambani, der US-amerikanische Vermarktungsriese IMG und der australische Fernsehmogul Rupert Murdoch haben Gefallen am Fußball in Indien gefunden, auch der Cricketsport und die Bollywood-Filmindustrie: Cricketlegende Sachin Tendulkar kaufte sich für eine Viertelmillion Dollar ebenso einen Klub wie Schauspieler Ranbir Kapoor, der nun Chef von Manuel Friedrich ist.

Umgerechnet 90 Millionen Euro lassen die ISL-Finanziers dem indischen Fußballverband AIFF für die kommerziellen Rechte bis 2025 zukommen, im Gegenzug kassierten sie für eine zehnjährige Vereinslizenz 20 Millionen Euro. Der Marktwert der ISL von 160 Millionen Euro kommt allerdings noch eher bescheiden daher: Die deutsche Bundesliga soll geschätzt 2,4 Milliarden Euro wert sein, Indiens Cricketliga IPL gar vier Milliarden Euro. Manuel Friedrich mag die Vergleiche nicht, er glaubt an den Erfolg der ISL. "Das Potenzial ist riesig ", sagt der 35-Jährige. Davon gehen auch europäische Klubs wie Inter Mailand, AC Florenz oder Atlético Madrid aus, sie alle halten Anteile an indischen Klubs.

Friedrichs Verein zählt dabei zu den Meisterschaftsfavoriten. Der Auftakt misslang aber, nur eines der ersten vier Spiele konnte Friedrich gewinnen. Das ärgert ihn. Viel Zeit zum Grübeln hat er aber nicht, alle drei, vier Tage steht ein Spiel an. Diesen straffen Terminkalender hatte er sich ein wenig anders vorgestellt, als er nach Indien kam: "Ich dachte, dass ich mehr von Land und Leuten mitbekomme und in einem eigenen Apartment wohne."

Doch sein Leben spielt sich wie hinter einem goldenen Käfig ab, er muss im Hotel wohnen, das schreibt sogar sein Vertrag vor. Nach zwei Monaten ist dann schon alles wieder vorbei. Manuel Friedrich will dann weiterziehen. Er sagt: "Thailand würde mich und meine Frau reizen."

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