Fußball-WM:War's das?

France v Argentina: Round of 16 - 2018 FIFA World Cup Russia

Lionel Messi konnte bei dieser WM nur selten sein fußballerisches Arsenal in den Dienst des weiß-himmelblauen Erfolges stellen

(Foto: Getty Images)
  • Lionel Messi scheidet mit Argentinien im WM-Achtelfinale aus.
  • Zwei seiner Mitspieler treten aus der Nationalelf zurück. Messis Zukunft im Team ist offen, er selbst schweigt.
  • Hier geht es zu allen Ergebnissen der WM.

Von Benedikt Warmbrunn, Kasan

Langsamen, schwerfälligen Schrittes hatte er sich die 30 Meter aus dem eigenen Strafraum zur Mitte des Spielfeldes bewegt, mit der Dynamik eines gebrochenen Mannes, nun stand er dort, unbewegt, zwei Minuten lang, drei Minuten, vier Minuten. Sie kamen alle zu ihm, wie bei einer Audienz, die gesamte Mannschaft. Als dann alle Franzosen ihn umarmt hatten, ihm die Hand auf den Kopf gelegt, ihm, so wie Kylian Mbappé, kurz etwas ins Ohr geflüstert hatten, kamen auch seine Mitspieler. All die Argentinier kamen zu ihrem unbewegten Kapitän, einer nach dem anderen tröstete Lionel Messi.

Eine weitere Minute stand Messi unbewegt im Kreis seiner Mitspieler, er drehte sich einmal halb um die eigene Achse. Alle Argentinier applaudierten den mitgereisten und wirklich sehr enthusiastischen Fans. Dann verließen sie das Spielfeld. Als Erster ging Messi.

Es waren die letzten Minuten des 31-Jährigen bei diesem Turnier in Russland, wenige Minuten zuvor hatte er mit Argentinien 3:4 (1:1) gegen Frankreich verloren. Aber waren es auch seine letzten Minuten überhaupt bei einer WM?

"Es ist vorbei" - das sagte Javier Mascherano, 34, dieser Arbeitsbüffel im Mittelfeld. "Jetzt bin ich nur noch ein Fan der Nationalmannschaft. Ich hoffe, dass diese Jungs in Zukunft etwas erreichen können." Lionel Messi sagte: nichts.

Im vierten Spiel probiert es Argentinien mit der vierten Taktik

Zum vierten Mal hat Messi an einer WM teilgenommen, viermal hat er den Titel nicht gewonnen. Zweimal scheiterte er im Viertelfinale an Deutschland, einmal im Finale. Nun also dieses Achtelfinal-Aus gegen die Franzosen, bei dem er, dem die Rolle des Hauptdarstellers im argentinischen Team zugedacht war, nur ein Nebendarsteller war. In Erinnerung bleiben von diesem Spiel der schnelle Kylian Mbappé, die Traumtore von Ángel Di María und von Benjamin Pavard. In Erinnerung bleibt nicht Messi.

Im vierten Turnierspiel hatte Argentinien zum vierten Mal mit einer neuen Taktik gespielt, Messi agierte gegen Frankreich als eine sogenannte falsche Neun. "Wir haben den besten Spieler der Welt. Wir haben verschiedene Taktiken probiert, damit er das Beste aus sich rausholt", sagte Trainer Jorge Sampaoli, der möglicherweise verantwortlich war für diese Taktik. Möglicherweise auch nicht - es haben sich zuletzt die Anzeichen gemehrt, dass die Aufstellung eher aus dem Mannschaftskreis kommt. Doch egal, wer dafür verantwortlich war: Gemein war diesen verschiedenen Taktiken, dass es ihnen nicht gelungen ist, um Messi herum eine Struktur aufzubauen.

Messi war oft alleine, war nicht eingebunden ins Spiel - gerade in der ersten halben Stunde wirkte es so, als ob ihm ein zusätzlicher Stoßstürmer fehlte, einer, der die Bälle sichert, der Lücken öffnet, der auch mal einen von Messis Bewachern auf sich zieht. Einer wie zum Beispiel Paulo Dybala von Juventus Turin. Der saß aber nur auf der Bank. Seine erste nennenswerte Szene hatte Messi daher nach 13 Minuten, als er am Mittelkreis stand, die Lippen gespitzt, den Blick nach oben. Dann führte er den Anstoß nach dem 0:1 aus. In der gesamten ersten halben Stunde berührte Messi den Ball nur 15 Mal. Die nächste nennenswerte Szene hatte er in der 41. Minute, als er der erste Gratulant bei Traumtorschütze Di María war.

Messi fuchtelt mit dem Arm in Richtung seines Trainers Sampaoli

Erst in der zweiten Halbzeit nahm Messi dann auch tatsächlich Einfluss auf das Spiel seiner Mannschaft. In der 48. Minute schoss er den Ball vom rechten Strafraumeck aufs Tor, und in einem Anflug der Majestätsbeleidigung stolperte Gabriel Mercado in diesen Schuss hinein. Erschrocken versuchte er, seinen Fuß zurück zu ziehen, doch es war zu spät. Er fälschte den Schuss Messis ab. Und ihn rettete nur, dass er den Schuss ins Tor abfälschte.

Messi war auch in dieser zweiten Halbzeit weiterhin nicht der zentrale Spieler, der er sein wollte, den eine ganze Nation sich erhoffte; er holte weiterhin nicht das Beste aus sich heraus, er nicht, und auch die Mannschaft nicht. Insgesamt spielte er in der Partie nur 39 Pässe. Einmal schoss er aufs Tor, in der 85. Minute, es war ein schwacher Schuss, direkt auf Frankreichs Torwart Hugo Lloris. In der 93. Minute spielte er dann einen von zwei längeren Pässen, eine Flanke in den Strafraum hinein, auf Kun Agüero, das 3:4. Es kam zu spät.

Nach dem Abpfiff stand Messi zunächst einsam im gegnerischen Strafraum, seine ersten Meter zur Mittellinie lief er gemeinsam mit dem französischen Verteidiger Lucas Hernandez, sie unterhielten sich, und irgendwann fuchtelte Messi wild mit dem linken Arm zur Ersatzbank, dorthin, wo Sampaoli während der 90 Minuten wie ein Pitbull herumgehüpft war.

Dass Sampaoli nach dieser WM nicht mehr lange Trainer der Argentinier bleiben wird, dürfte beschlossen sein, vermutlich mit Messis Zustimmung. "Es ist zu früh, konkrete Fehler zu analysieren", sagte Sampaoli, angesprochen auf einen Rücktritt, "es ist sehr schmerzvoll. Ich werde das heute nicht entscheiden."

Viel mehr interessiert die Fans der argentinischen Nationalmannschaft, zu denen neben Javier Mascherano auch der ebenfalls nach Schlusspfiff zurückgetretene Mittelfeldspieler Lucas Biglia, 32, zählt, ohnehin, ob Messi einer ihrer Jungs bleiben wird.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: