Fußball-WM 2006:Millionentransfer ohne Freigabe

FUSSBALL: DFB DELEGATION/PK ZUR WM - VERGABE 2006

Deutsche Daumendrücker: Boris Becker, Claudia Schiffer, Franz Beckenbauer, Günter Netzer, Gerd Schröder, Otto Schily und Rudi Völler im Jahr 2000 bei der WM-Vergabe.

(Foto: Andreas Rentz/Getty Images)
  • Die WM-Vergabe an Deutschland soll gekauft gewesen sein - doch noch bleiben in dem Fall viele Fragen offen.
  • Warum das Organisationskomitee den Betrag von 6,7 Millionen Euro von der Fifa nicht zurückgefordert hat, ist unklar.

Von Hans Leyendecker und Klaus Ott

Die Fifa ist verkommen; das weiß die Welt inzwischen. In das Bild einer korrupten Fußballwelt passt der Vorwurf des Spiegel, auch die Weltmeisterschaft 2006 sei gekauft worden. Hier die wichtigsten Fragen und, so weit möglich, Antworten zum angeblich zerstörten Sommermärchen.

Was räumt der Deutsche Fußball-Bund ein?

Der DFB bestätigt eine Zahlung des WM-Organisationskomitees (OK) vom April 2005 in Höhe von 6,7 Millionen Euro an den Weltverband Fifa. Das Geld sei möglicherweise zweckwidrig verwendet worden. DFB-Präsident Wolfgang Niersbach nennt das den "offenen Punkt". Aufklären sollen das der Kontrollausschuss des DFB und eine Wirtschaftskanzlei.

Wofür hat der DFB offiziell gezahlt?

Am 8. April 2005 unterrichtete das WM-Organisationskomitee den Präsidialausschuss des Aufsichtsrats bei einer Sitzung in Köln, dass man nicht benötigte Mittel aus dem mit zwölf Millionen Euro dotierten Kulturetat umschichten wolle. Diese Mittel sollten "zu einem größeren Teil zu Gunsten der Auftaktveranstaltung" der WM genutzt werden. So steht es nach Angaben des damaligen Bundesinnenministers Otto Schily, der dem Aufsichtsrat und dessen Präsidialausschuss angehört hatte und der nun auf SZ-Anfrage antwortete, unter Ziffer sechs des Sitzungsprotokolls. Der Ausschuss, dem alle Verträge ab einem Volumen von 500 000 Euro zur Genehmigung vorgelegt werden mussten, nahm diese Absicht des OK laut Schily allerdings lediglich "zur Kenntnis".

Hat der Aufsichtsrat das Geld für die Fifa damit überhaupt freigegeben?

Das ist zumindest fraglich. Das Bundesinnenministerium erklärte auf Anfrage der SZ, "ein zustimmender Beschluss wurde jedoch nicht gefasst". Im Nachhinein lasse sich "die Freigabe entsprechender Finanzmittel bzw. die tatsächliche Zahlung nicht nachvollziehen".

Wer war mit diesem Vorgang befasst?

Theo Zwanziger, damals einer der Vizechefs des OK und für dessen Finanzen verantwortlich, hatte laut Sitzungsprotokoll das Kulturbudget erläutert. Von diesem Vorgang müsste also die ganze OK-Spitze gewusst haben: Franz Beckenbauer, Wolfgang Niersbach, Horst R. Schmidt. Dazu natürlich die Mitglieder des Präsidialausschusses im Aufsichtsrat, darunter Schily. Damals sah die geplante Zahlung an die Fifa auf den ersten Blick nach einem ganz normalen Vorgang aus.

Warum der krumme Betrag von 6,7 Millionen Euro?

Das ist das nächste Rätsel. Laut Innenministerium sah der Beschlussvorschlag des OK vor, der Fifa sieben Millionen Euro für die Eröffnungsgala zu geben. Schily schrieb der SZ, er nehme an, dass in der Sitzung am 8. April 2005 ein konkreter Betrag genannt worden sei. "Aller Wahrscheinlichkeit nach ist dieser konkrete Betrag eine runde Summe gewesen. Wenn ein Betrag von 6,7 Millionen Euro genannt worden wäre, hätte es vermutlich Nachfragen gegeben, wie er zustande kommt." Für den unrunden Zuschuss zur Auftaktgala der WM, die 20 bis 25 Millionen Euro kosten sollte, gibt es bislang keine plausible Erklärung.

Warum hat das OK den Zuschuss nach der Absage der Gala durch die Fifa Anfang 2006 nicht zurückgefordert?

Darauf gab der DFB bis heute keine Antwort. Das Bundesinnenministerium hatte der Fifa sofort vorgehalten, Absprachen über Planung und Ablauf der Veranstaltung gebrochen zu haben. Seitens des WM-OK herrschte dagegen offenbar Funkstille.

Warum tut sich der DFB so schwer mit der Aufklärung?

Auch das ist ein Rätsel. Der damalige Finanzchef des OK arbeitet heute in der DFB-Zentrale, er könnte vieles wissen. Doch Verbandschef Niersbach laviert. Er sagt, er habe eine Prüfung veranlasst, das Ergebnis sei offen. Andererseits sagt Niersbach, er könne "schon jetzt definitiv ausschließen", dass die Zahlung mit der im Jahr 2000 durch die Fifa erfolgten Vergabe der WM nach Deutschland zusammenhänge. Eine ergebnisoffene Prüfung also, bei der das wichtigste Ergebnis vorab feststeht.

Angeblich seien die 6,7 Millionen Euro von der Fifa auf ein Konto des früheren Adidas-Chefs Robert Louis-Dreyfus (RLD) weitergeleitet worden, der im Jahr 2000 eine schwarze Kasse für die deutsche WM-Bewerbung gefüllt und das Geld zurückverlangt haben soll.

Intern beteuern Mitglieder des Führungszirkels, sie wüssten davon nichts. Sicher seien sie aber, dass es weder eine schwarze Kasse noch einen Stimmenkauf gegeben habe. Keiner habe Verwerfliches getan.

Aber Niersbach soll doch im Hinblick auf die angeblich geplante Rückzahlung an Dreyfus im November 2004 "Das vereinbarte Honorar für RLD" notiert haben.

Niersbach sagt zu der angeblichen Notiz, er könne sich an einen solchen Vorgang "absolut nicht erinnern". Zudem sei er damals "nur sehr bedingt in wirtschaftliche Transaktionen eingebunden" gewesen. Er bat die Macher des Spiegel, ihm das Papier zu überlassen, damit er nachvollziehen könne, worum es sich handele und "ob es überhaupt" seine Handschrift sei.

Ist es seine Handschrift?

Das steht offenbar nicht fest. Einer der Spiegel-Autoren hat im Fernsehen auf die Frage, ob man die Handschrift mit der von Niersbach verglichen habe, erklärt: "Das haben wir noch nicht prüfen lassen."

Wie kommt bei Presseberichten über die angebliche Geldgabe von Dreyfus für die deutsche WM-Bewerbung das Jahr 2002 ins Spiel?

Das ist DFB-Geraune. Man habe jetzt ein bisschen ermittelt, und da könne es schon einen Vorgang im Jahr 2002 gegeben haben, der mit Dreyfus zu tun habe. Aber mit der WM-Vergabe im Jahr 2000 habe das garantiert nichts zu tun.

Hat Dreyfus überhaupt gezahlt?

Es gilt als wahrscheinlich, dass er irgendjemandem für irgendetwas Geld geliehen hat. Der DFB könnte auf etwas gestoßen sein, das unangenehm wäre, wenn es bekannt würde. Aber das ist Spekulation.

Gibt es Belege, dass Fifa-Funktionäre vom OK gekauft worden seien?

Der Spiegel hat den damaligen OK-Aufsichtsrat Günter Netzer mit dem Satz zitiert: "Damit haben wir die vier Asiaten bezahlt." Netzer dementiert das. Ähnlich verhält es sich mit einem Treffen, das 2013 am Frankfurter Flughafen stattgefunden hat. Angeblich hat dort der Niersbach-Kritiker und frühere DFB-Chef Zwanziger über die Geschichte, die nun im Spiegel steht, und die 6,7 Millionen Euro geredet: "Klärt das auf, sonst sind wir die Gejagten", soll Zwanziger zu Niersbach und anderen gesagt haben. Andere Gesprächs-Teilnehmer behaupten, über die 6,7 Millionen Euro sei gar nicht gesprochen worden.

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