Fifa: WM-Vergabe:Putin sitzt schon im Flieger nach Zürich

Erst strafte er die Fifa mit Missachtung, nun will er doch mitfeiern: Ministerpräsident Wladimir Putin hat in Russland immer noch alle Hebel in der Hand - überraschend nun auch jene für die WM 2018.

Frank Nienhuysen

Eine halbe Stunde hat es gedauert, dann war die unappetitliche Hauptnachricht des Tages verdrängt, einfach an die Seite geschoben durch einen großen Briefumschlag in der Hand von Sepp Blatter. Die WikiLeaks-Akten der Amerikaner, der Verdacht, Russland sei korrupt, ein Mafiastaat gar - all das spielte plötzlich keine Rolle mehr. Russland erhält die Fußball-WM 2018.

Wladimir Putin - Wikileaks

Ab nach Zürich: Russlands Ministerpräsident Wladimir Putin.

(Foto: dpa)

"Hurra", twitterte sogleich Präsident Dmitrij Medwedjew und Regierungschef Wladimir Putin erhob sich umgehend in die Lüfte und flog doch noch nach Zürich, von wo aus die große Kunde ihn erreicht hatte.

Dass Putin zunächst die Reise verschmähte, hatte in Russland schon einen verfrühten Blues ausgelöst. Mit Wehmut dachten viele an die Vergabe der Olympia-Entscheidung in Guatemala, die nach Meinung vieler ohne den Sotschi-Zuschlag für die Winterspiele 2014 geendet hätte, wäre Putin nicht dort noch machtvoll aufgetreten für sein Land, für Sotschi. Wo die Spiele ja demnächst auch stattfinden. Es ging auch ohne Putin. Zumindest bei der Losziehung.

Der Ministerpräsident hat im Land noch immer alle Hebel in der Hand, auch im Sport. Die Bewerbung ist gewiss im innersten Zirkel der Macht orchestriert worden. "Bei uns im Land gibt es sechs Millionen Menschen, die Fußball spielen, und viele mehr, die ihn lieben", sagte Putin kürzlich: "Deshalb wollen wir die WM." Schon vor langer Zeit hat das politische Moskau die reichsten Unternehmer des Landes in die Pflicht genommen.

Abramowitsch gefordert

Roman Abramowitsch wurde ermahnt, sich nicht nur für seinen FC Chelsea zu engagieren, sondern sein Geld auch mit deutlich mehr Patriotismus anzulegen. Zusammen mit dem früheren Nationaltrainer Russlands, dem Niederländer Guus Hiddink, entwickelte Abramowitsch eine stattliche Zahl an Leistungszentren in Russland, die Basis für eine Wiedergeburt des russischen Fußballs.

Auch andere große Konzerne wurden freundlich gebeten, mehr in den russischen Fußball zu investieren und damit zugleich die Bewerbung für die Weltmeisterschaft zu beflügeln. Aber es war der unrasierte Abramowitsch, der nun vor den Augen der Welt in Zürich die erste, wichtigste Rendite persönlich in Empfang nehmen konnte.

In Russland sammeln sich so langsam die Trophäen der Sportpolitik. Winterspiele in Sotschi, die Aufnahme in den illustren Kreis der Formel-1-Stätten, und nun die Fußball-WM. Ereignisse innerhalb von vier Jahren, die Russland aufrüsten zur sportlichen Großmacht. Und nach der EM 2012 in Polen/Ukraine das zweite Fußballturnier im Osten Europas.

Die Wunde von Sotschi

Abgeschmettert sind nun die Argumente der Russland-Gegner, die es auch im eigenen Land gibt. Die Zeitung Trud hat die Bedenken noch einmal zusammengestellt und in die These gegossen, dass Russland eben nicht die WM ausrichten dürfe. Weil die Stadien in einem trostlosen Zustand seien, weil die Entfernungen zwischen all den Stadien einfach zu groß sind, die nötige Infrastruktur fehle, Zugstrecken und vernünftige Autobahnen, weil niemand für die Sicherheit garantieren könne und die Kosten zu hoch seien.

Fifa: WM-Vergabe: Großer Jubel in Zürich: Fifa-Präsident Blatter (mitte) neben Russlands stellvertretendem Premierminister Igor Shuvalov (rechts).

Großer Jubel in Zürich: Fifa-Präsident Blatter (mitte) neben Russlands stellvertretendem Premierminister Igor Shuvalov (rechts).

(Foto: AP)

"Glauben Sie etwa, dass beim Bau der Stadien alles transparent sein wird?", fragte der Fußball-Analytiker Alexander Bubnow. Und die kritische Zeitung Nesawissimaja Gaseta puhlte kurz vor der Fifa-Entscheidung noch einmal in der Sotschi-Wunde herum und gab zu bedenken, dass die Kosten für die Winterspiele inzwischen weit höher ausfielen als zunächst angesetzt.

Kaum moderne Stadien

Andererseits: Russland ist ein großes Land, in dem die Infrastruktur des Fußballs mit dem Enthusiasmus der Anhänger nicht mithalten kann. In der obersten Liga, der Premier Liga, zirkuliert eine Menge Geld, von dem inzwischen auch der frühere Schalker Kevin Kuranyi profitiert, der seit einem halben Jahr bei Dynamo Moskau spielt.

Aber moderne Stadien sind eine Rarität, einfache Fußballplätze ebenso. Selbst in Moskau muss das jährliche Großturnier ausländischer Botschaften auf einem Rasenplatz ausgetragen werden, über den sich in Deutschland jeder Bezirksligaspieler beschweren würde. Das soll nun alles anders werden.

Die russische Bewerbung sieht vier Zentren vor, in Moskau, St.Petersburg, an der Wolga und im Süden. Viele Stadien müssen gebaut werden, neue Züge, Hotels. Für Russland sind die Investitionen eine hohe finanzielle Bürde, vielleicht auch der nötige Schub für die Modernisierung des Landes. In einem will Russland dem Westen jedenfalls voraus sein. Es verspricht für alle Kartenbesitzer eine visafreie Einreise.

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