Fußball-WM: Presseschau:Zielloses Kreiseln

Spanien schafft es trotz Ineffizienz ins Viertelfinale, Tristesse im Spiel Paraguay gegen Japan. Die internationale Presse lobt das Team hinter der deutschen Mannschaft und die Jugendarbeit des DFB trägt langsam Früchte.

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WM 2010 - Spanien - Portugal

Im clasico iberico, dem Achtelfinale zwischen Spanien und Portugal, setzten sich David Villa, Xavi und Co. gegen das Team von Cristiano Ronaldo durch.

(Foto: dpa)

Dominik Wehgartner (taz) hat nur Kritik für die Achtelfinal-Partie zwischen Paraguay und Japan über: "Eher wirkte es, als spielten die beiden Teams in der Schwüle eines Berliner Büros zu WM-Zeiten als bei angenehmer Kühle im südafrikanischen Winter, so bleiern und schwerfällig liefen die Akteure über den Rasen, so fahrig war die Partie, so wenig Präzision war in den Zuspielen zu finden. Kaum einmal wurde Fahrt aufgenommen, kaum einmal kam Tempo in die Aktionen, fast konnte man den Eindruck haben, die Mannschaften spekulierten schon beim Anpfiff auf die Verlängerung."

David Villa erlöst einfallslose Spanier

Die zweite Partie des Tages zwischen Spanien und Portugal war zunächst auch eine spielerische Nullnummer, wie Christian Eichler (Faz.net) berichtet: "Und die Spanier? Fast 400 Pässe, 62 Prozent Ballbesitz, null Ertrag - die Bilanz einer fruchtlosen ersten Hälfte. Der Europameister kreiselte ziellos herum. Vor allem Andres Iniesta ließ die sonst gewohnte Präzision im Timing seiner Zuspiele vermissen. Nimmt man die drei Einzelaktionen der siebten Minute aus, so gingen die Spanier in die Pause, ohne sich viele Torchance herausgespielt zu haben." Grund dafür, so Eichler, sei das Abwehrbollwerk der Portugiesen gewesen, "zumal das Sturmzentrum zwischen den eher als Außenstürmern platzierten Villa und Torres ein Vakuum war."

Sven Goldmann (Zeit Online) ist mutig und spart die Abseitsposition des Siegtorschützen im clasico iberico aus: "Als es so aussah, als würden sie den Teufelskerl im portugiesischen Tor gar nicht mehr überwinden, war dann endlich doch David Villa zur Stelle. Eingefädelt hatten es seine künftigen Barceloneser Klubkollegen Xavi und Iniesta, aber Villa brauchte schon den Nachschuss für das alles entscheidende Tor. Es war der erste Gegentreffer für die Portugiesen im Turnier und seit insgesamt 764 Länderspielminuten."

Fitness als Schlüssel zum Erfolg

Die ausländische Presse sucht das Geheimnis des deutschen Erfolgs. Scheinbar fündig geworden ist Ben Lyttleton im Irish Examiner mit der Fitnessarbeit des DFB-Teams: "Shad Forsythe lebt in Deutschland, um mit jedem Club zu arbeiten und zu interagieren, zum Wohle jedes Spielers. Eine Sache, die wir zuvor erkannt haben, ist der Zusammenhang zwischen dauerhafter Leistung (...) und den optimalen Voraussetzungen im Verein, wo sie die meiste Zeit des Jahres verbringen", erklärt Mark Verstegen. Lyttleton führt als Negativbeispiel Wayne Rooney an, der wohl zu früh wieder für Manchester United spielen musste: "Rooney hat seit März kein Tor mehr geschossen. Seitdem wird Manchester United angeschuldigt, ihn nach einer Knöchelverletzung zu früh wieder spielen gelassen zu haben. (...) Dies steht im Gegensatz zum Schicksal des Duos Klose und Podolski."

Bastian Schweinsteiger soll die Zukunft des deutschen Fußballs und das Sinnbild einer neuen Männlichkeit sein, behauptet die Geschlechterforscherin Sabine Hark im Gespräch mit Ines Kappert (taz): "Gefragt ist der kommunikative, emotionale Mann, der die weltweite, neoliberale Aufwertung der sogenannten Softskills widerspiegelt. Schweinsteiger etwa. Weil er so viel auf dem Platz kommuniziert, bezeichnen ihn die Kommentatoren wahlweise als Herz oder Seele der Mannschaft. Früher hätte ihn eine solche Anteilnahme zum Weichei gestempelt, heute verkörpert er den neuen Mann, quasi die Zukunft." Davon ist Kappert immer noch nicht überzeugt: "Mir geht dieses Loblied zu weit. 'Nun mal halblang', entgegne ich, 'die Spieler zeigen eine gewisse soziale Kompetenz, sie reden mehr, sie dürfen auch mal depressiv sein, sie halten zusammen und spielen den gewünschten Kompaktfußball.' Hark unterbricht mich: 'Ohne deswegen auf Kreativität zu verzichten, wie ja viele meinen.' - Ich lass mich nicht abwimmeln: 'Richtig. Aber das macht den Profifußball doch längst nicht zum Motor einer neuen Männlichkeit, die weibliche Elemente wie Emotionalität und Fürsorge nicht mehr abwertet. Du übertreibst!' Nicht unbedingt, findet Hark: 'Der Erfolg von Zweigeschlechtlichkeit basiert ja immer auf der Gleichzeitigkeit von Beharrungsvermögen und Flexibilität. Insofern haben wir es jetzt mit dem Modell des harten und gefühlvollen Mannes zu tun. Und das ist etwas Neues.'"

Löw hat nicht gezweifelt

Für seine Spielerauswahl bekommt der Bundestrainer von Michael Rosentritt (Tagesspiegel) lobende Worte, der neben der fußballerischen jetzt auch auf die mentale Stärke vertraut: "Joachim Löw ist mit einer interessanten, aber auch experimentellen Ansammlung talentierter Spieler an den Start gegangen, er hat sich von Ausfällen und Rückschlägen nicht beirren lassen. Löw hat nicht gezweifelt. Seine Überzeugung liegt in der fußballerischen Qualität seiner Spieler begründet.

Bastian Schweinsteiger, Thomas Mueller

Zukunft des deutschen Fußballs: Thomas Müller (li.) und Bastian Schweinsteiger.

(Foto: ap)

Auch Philipp Lahm hat mehrfach betont, dass er die fußballerisch beste Mannschaft als Kapitän anführe, in der er gespielt hat. Gerade bei großen Turnieren aber hat sich gezeigt, dass Talent und fußballerische Qualität nicht zwangsläufig reichen. Eine große Mannschaft muss auch beweisen, dass sie einen erfahrenen, individuell hochwertigen Gegner wie England auseinander nehmen kann. Nur so wird aus Glauben an die eigene Stärke Gewissheit."

Die neue Qualität und Tiefe der deutsch Fußballressourcen komme nicht von ungefähr, erinnert Michael Ashelm (Faz.net): "Als der Mittelfeldmann Sami Khedira am Montag gefragt wurde, wodurch sich der dynamische Fußball dieser neuen deutschen Machart auszeichne, sagte er: 'Wir sind technisch und taktisch top ausgebildet und nicht nur auf, sondern auch neben dem Platz gut geschult.' Die Aussage des Deutsch-Tunesiers aus Stuttgart gibt den Hinweis auf einen der Hintergründe dieses Erfolgs. Als Khedira gerade mal 13 Jahre alt war, schuf der Deutsche Fußball-Bund eines der engmaschigsten Netze, um Fußballtalente früher zu erkennen und zu fördern.

Über das ganze Land wurden Stützpunkte verteilt, in denen starke junge Spieler neben der Vereinsarbeit eine besondere Ausbildung erfahren sollten. Der frühere DFB-Präsident Mayer-Vorfelder hatte das aufwendige Programm im Jahr 2000, als Folge der desaströsen EM, auf den Weg gebracht, das auch von einigen heute aktuellen Nationalspielern durchlaufen wurde. So gesehen schloss sich am Sonntag in der Kabine der deutschen Elf auch ein Kreis, als Mayer-Vorfelder auf die neue Generation traf."

Presseschau zusammengestellt von Jens Peters und Jan-Carl Ronnecker.

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