Fußball-WM in Russland:Putins Freund in der roten Volunteer-Jacke

Closing Press Conference - 2018 FIFA World Cup Russia

Ist natürlich voll zufrieden: Fifa-Boss Gianni Infantino.

(Foto: Getty Images)
  • "Es ist die beste Weltmeisterschaft, die jemals stattgefunden hat", adelt Fifa-Boss Gianni Infantino das Turnier in Russland.
  • Es dürfte eine weitere Gefälligkeit an den russischen Staatspräsidenten Wladimir Putin sein.
  • Die Menschenrechtsorganisation "Human Rights Watch" erinnerte unlängst daran, dass in Russland unter Putin "die größte Menschenrechtskrise seit der Sowjet-Ära" herrsche.

Von Johannes Kirchmeier

Joseph S. Blatter hatte schon ein paar Weltmeisterschaften bei der Fifa erlebt - und so war sich der damalige Fifa-Präsident sicher nach der WM 2006 in Deutschland. "Dies ist die beste Weltmeisterschaft aller Zeiten. Noch nie ist ein Event so emotional und global dargestellt worden", sagte Blatter. Natürlich, warum auch nicht? Den Deutschen ist dieses Turnier bis heute als Sommermärchen in Erinnerung, Blatter ließ sich anscheinend anstecken vom deutschen Hochgefühl, das unter dem Motto "Die Welt zu Gast bei Freunden" stand.

Um Blatters Worte einzuordnen: Vier Jahre später wusste der Schweizer bereits vor dem Turnier in Südafrika, dass es die "beste WM aller Zeiten" werde. Zwischendurch übernahm die Frauen-WM 2011 die Pole Position als "die beste aller Zeiten". Für nicht mal drei Jahre, dann holte sich Brasilien den Titel, als Blatter gar die "WM der WMs" ausrief.

Mit Mattäus zum Kaffeekränzchen bei Putin

Lange währte auch Brasiliens Hochgefühl nicht. Blatters Nachfolger Gianni Infantino hat, noch während seine erste Weltmeisterschaft in Russland zu Ende geht, in einer Pressekonferenz sein Fazit formuliert: "Seit ein paar Jahren sage ich, dass es die beste WM wird. Heute kann ich es mit größter Überzeugung sagen. Ich habe es erlebt und Sie haben es auch erlebt: 'Es ist die beste Weltmeisterschaft, die jemals stattgefunden hat'", sagte der Weltverbandschef am Freitag in Moskau.

Er zog die Bilanz in einer roten Volunteer-Jacke, so als wollte er der Welt mitteilen, dass hier ein "Freund zu Gast bei Freunden" sei, der halt nur unwesentlich mehr Geld als die Freiwilligen verdient (1,5 Millionen Schweizer Franken Jahressalär). Doch so dick musste er gar nicht auftragen. Wer Infantino in den vergangenen Wochen beobachtet hat, der dürfte ihn verstehen. Hoch droben auf den Vip-Sesseln scherzte Infantino in den Stadien mit verschränkten Beinen mit den Staatslenkern dieser Welt. Er hat sich zudem sogenannte Fifa-Legenden gegen Geld einfliegen lassen, wie den bisweilen unterhaltsamen, bisweilen allerdings auch befremdlichen Diego Maradona oder den im Gegensatz dazu handzahmen Lothar Matthäus, mit dem Infantino ein Kaffeekränzchen beim russischen Präsidenten Wladimir Putin genoss.

Doch inmitten dieser "besten WM" erinnerte die Menschenrechtsorganisation "Human Rights Watch" unlängst daran, dass in Russland unter eben jenem Putin "die größte Menschenrechtskrise seit der Sowjet-Ära" herrsche. Während der Endrunde hielten sich die Polizei- und Sicherheitskräfte im Lichte der Öffentlichkeit auffallend zurück. Ob das auch danach so bleibt, ist fraglich. Es sei an das Jahr 2014 erinnert: Am Morgen der Abschlussfeier der Olympischen Winterspiele in Sotschi gab Putin den Befehl für die geheime Krim-Annexion.

Ungereimtheiten gab es auch um diese WM. Die Medienberichte, dass Nordkoreaner unter sklavenähnlichen Bedingungen für Subunternehmen an den WM-Stadien arbeiteten, mehrten sich in den vergangenen Jahren. Die englische Zeitung Observer berichtete schon vor dem Confed Cup im vergangenen Jahr, dass mindestens zehn Arbeiter bei Unfällen auf der Baustelle des teuersten WM-Stadions in Sankt Petersburg ums Leben kamen.

"Wir konnten hier Fußball atmen", sagt Infantino noch

Ohnehin bleibt in allen Stadien der WM die Nachnutzung ein Problem. In der abgelaufenen Saison lag der Schnitt in der russischen Premjer Liga bei 13 971 Zuschauern, der russische Nationalsport ist Eishockey. Und in der Hälfte der Stadien spielt ja gar kein Erstligist. "Ein großer Dank an das russische Volk, die Regierung und Wladimir Putin. Wir konnten hier Fußball atmen", sagte Infantino noch. Es dürfte letztlich eine etwas zynische Aussage bleiben, ob der Gefahr der wie in Südafrika oder Brasilien bereits beklagten "Weißen Elefanten", also der Stadien, die schlecht genutzt vor sich hinvegetieren.

Abseits des Fußballs steht den Russen ihr WM-Kater bevor: Im Schatten des Turniers hatte die Regierung eine Rentenreform angekündigt. Das Eintrittsalter soll von 2019 an stufenweise angehoben werden, bei Frauen von 55 auf 63 Jahre und von 60 auf 65 bei Männern, die in Russland nur eine durchschnittliche Lebenserwartung von 67,5 Jahren haben. Am Montag, einen Tag nach dem Endspiel, trifft Putin erst einmal den US-Präsidenten Donald Trump in Helsinki. Infantinos "beste Weltmeisterschaft aller Zeiten" wird dann schnell von der Weltpolitik verschluckt werden.

Mit Material von dpa

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