Fußball-WM:Fifa feiert eigenes Anti-Doping-Programm

FIFA president Blatter delivers his speech on the second day of the 57th FIFA congress in Zurich

Wieder gibt es bei der WM keinen Dopingfall - ein Erfolg für die Fifa?

(Foto: REUTERS)

In Brasilien bleiben die Dopingfälle aus - der Weltverband freut sich, Kritiker schütteln den Kopf. Schiedsrichter Felix Brych muss nach Hause fahren, Thiago Silva bleibt gegen Deutschland gesperrt, Kolumbiens Zúñiga kommt nach seinem Foul an Neymar ohne Strafe davon.

Fifa, Doping: Der Weltverband hat sein Anti-Doping-Programm in den höchsten Tönen gelobt - und natürlich gab es auch während der laufenden Endrunde keinen einzigen Dopingfall. Chefmediziner Jiri Dvorak und Michel D'Hooghe, der Vorsitzende der medizinischen Kommission der Fifa, platzten bei der Präsentation der Zahlen am Montag fast vor Stolz: Sämtliche 777 Trainingskontrollen, die seit März im Vorfeld der WM entnommen wurden, sowie die 232 Wettkampfkontrollen während der Endrunde seien negativ ausgefallen. Sollte in den Halbfinals und Finals kein positiver Test mehr auftauchen, wäre es die fünfte WM in Serie ohne eine Dopingfall. Für den letzten hatte Diego Maradona 1994 in den USA gesorgt.

Erst auf Nachfrage offenbarten die Bosse die erste große Schwachstelle des Systems: Es gab während der WM-Endrunde in Brasilien keine einzige unangekündigte Kontrolle abseits der Spiele. "Dabei ist das natürlich das Entscheidende", sagte Dopingexperte Fritz Sörgel: "Natürlich funktioniert Doping auch zwischen den Spieltagen. EPO in Niedrigdosierung oder geschickt gemischt, ist nur ein paar Stunden nachweisbar und damit ein gewaltiges, ungelöstes Problem." Das Gesamtprogramm der Fifa kann der Nürnberger Pharmakologe nicht ernst nehmen. "Es gibt kein unabhängiges Beobachterprogramm, das ist das Entscheidende. Wenn sie alles in Eigenregie machen und keine externe Kontrolle zulassen, ist das alles hinfällig", sagte Sörgel am Montag: "Dass ausgerechnet in diesem Verband in diesem sensiblen Bereich alles mit rechten Dingen zugeht, kann mir niemand erzählen."

Fifa, Sperre: Im Halbfinale gegen Deutschland bleibt es bei der Sperre für Kapitän Thiago Silva. Der Weltverband Fifa lehnte den Antrag der WM-Gastgeber auf die Aufhebung der Gelbsperre gegen den Innenverteidiger erwartungsgemäß ab. Es gebe keine rechtliche Grundlage, sich damit zu befassen, teilte die Disziplinarkommission der Fifa am Montag mit. Silva hatte im Viertelfinale gegen Kolumbien (2:1) von Schiedsrichter Carlos Velasco Carballo Gelb für eine Attacke gegen Torhüter David Ospina gesehen.

Dem Kolumbianer Juan Zúñiga droht für sein Foul an Neymar keine Strafe. Die Disziplinarkommission berief sich auf die Tatsachenentscheidung. Dieser habe das Foul von Zúñiga gesehen und bewertet, er habe es aber nicht mit einer Gelben oder Roten Karte bestraft. Beides schließe eine nachträgliche Untersuchung aus.

Schiedsrichter, Felix Brych: Für den deutschen Schiedsrichter Felix Brych ist die Fußball-WM beendet. Wie die Fifa mitteilte, wird der deutsche Referee bei dem Turnier in Brasilien nicht mehr zum Einsatz kommen. Der Grund für das WM-Aus sind nicht die Leistungen des 38-Jährigen bei seinen zwei Vorrunden-Einsätzen, sondern der Halbfinal-Einzug der deutschen Fußball-Nationalmannschaft. Wie für Brych ist das Turnier auch für den Niederländer Björn Kuipers und Nestor Pitana aus Argentinien vorzeitig vorbei, da deren Heimatländer auch im Halbfinale stehen. Der Brasilianer Sandro Ricci darf hingegen noch bleiben - offenbar ein Tribut an den WM-Gastgeber, er fällt unter die Ausnahmeregelung, die es gibt. Brych hatte mit seinen Assistenten Mark Borsch und Stefan Lupp die Gruppenspiele Costa Rica gegen Uruguay (3:1) in Fortaleza sowie Belgien gegen Russland (1:0) im Maracanã von Rio de Janeiro geleitet und dafür gute Beurteilungen bekommen. Auf einen dritten Einsatz hatte er hingegen in der K.o.-Runde vergeblich gewartet. Insgesamt schickte die Fifa-Schiedsrichterkommission um Obmann Massimo Busacca 17 der 32 WM-Referees in den Sommerurlaub. Der Brasilianer Ricci ist durch seinen Verbleib ein heißer Kandidat für das Finale oder das Spiel um Platz 3 - je nachdem, welches Spiel die Seleçao nicht erreicht.

Halbfinale, Schiedsrichter: Der mexikanische Schiedsrichter Marco Rodríguez pfeift das WM-Halbfinale der deutschen Fußball-Nationalmannschaft am Dienstag (22.00 Uhr MESZ/ZDF) in Belo Horizonte gegen Gastgeber Brasilien. Das gab der Weltverband Fifa am Sonntag bekannt. Für den 40-Jährigen ist es der dritte Einsatz bei diesem Turnier. Er leitete bereits die Gruppenspiele zwischen Belgien gegen Algerien (2:1) und Italien gegen Uruguay (0:1). In letzterem übersah er den Biss des Uruguayers Luis Suárez in die Schulter von Gegenspieler Giorgio Chiellini. Suárez wurde nachträglich für neun Spiele und vier Monate gesperrt. Bei der WM 2010 war Rodríguez unter anderem für das deutsche Gruppenspiel gegen Australien (4:0) zuständig. Der Unparteiische für das zweite Halbfinale Niederlande gegen Argentinien am Mittwoch (22.00 Uhr MESZ) in São Paulo ist noch nicht angesetzt.

Brasilien, Neymar: Bei der Suche nach einem Ersatz für Brasiliens verletzten Neymar haben sich zwei Seleção-Akteure mit ähnlichen Qualitäten in Stellung gebracht. "Ich habe noch nie in der Startelf der Seleção gestanden. Wenn dies jetzt im Halbfinale geschähe, wäre das ein unglaubliches Ding für mich", sagte Offensivspieler Willian auf der Pressekonferenz am Sonntag im WM-Quartier Teresópolis. Schnell, dribbelstark, mit Auge für den Mitspieler: Diese Eigenschaften machen auch Bernard zu einem möglichen Kandidaten auf der Neymar-Position für das Duell gegen Deutschland am Dienstag (22 Uhr) in Belo Horizonte. "Wir dürfen jetzt nicht in Panik verfallen, denn wir haben Spieler, die das Problem lösen können", sagte der Angreifer von Schachtjor Donezk. Der Ausfall von Neymar belastet anscheinend noch immer das Klima innerhalb des Teams. "Er wird uns fehlen", bekannte Bernard, der auch zugab, sich bei dem Gedanken, auf diese Art und Weise ins Team zu rutschen, nicht wohlzufühlen.

Niederlande, Krul: Der niederländische Nationaltorwart Tim Krul hat sich gegen Kritik wegen der Verunsicherung der gegnerischen Elfmeterschützen im WM-Viertelfinale gegen Costa Rica verteidigt. "Ich habe nichts Falsches gemacht, ich habe sie nicht in aggressiver Art angeschrien", erklärte der Keeper am Sonntag in Rio de Janeiro. "Ich habe ihnen nur gesagt, dass ich weiß, wohin ihr Schuss geht. Ich habe versucht, in ihren Kopf zu kommen und, sie psychologisch fertigzumachen." Krul war erst kurz vor dem Elfmeterschießen für den Stammschlussmann Jasper Cillessen eingewechselt worden und hatte zwei Elfmeter gehalten. Vor mehreren Schüssen redete er auf den Gegner ein, der Weltverband FIFA schloss deshalb Untersuchungen gegen den Profi von Newcastle United nicht aus. Cillessen war im Gegensatz zu seinem Positionskollegen nicht in den Plan von Trainer Louis van Gaal eingeweiht gewesen. "Ich wollte alles spielen, aber ich muss die Entscheidung akzeptieren", sagte der Keeper von Ajax Amsterdam. Ob es einen ähnlichen Plan auch für das Halbfinale gegen Argentinien am Mittwoch gibt, ließen beide offen. "Wir sind für alles bereit. Hoffentlich brauchen wir kein Elfmeterschießen gegen Argentinien", sagte Cillessen.

Deutschland, Kader: Bundestrainer Joachim Löw kann im Halbfinale am Dienstag (22.00 Uhr MESZ/ZDF) personell aus dem Vollen schöpfen. Auch Per Mertesacker hat seinen grippalen Infekt überwunden. "Es ist ein wunderbare Situation. Alle verfügbaren 22 Spieler sind fit und gesund", sagte Assistenzcoach Hansi Flick am Sonntag. Mertesacker hatte am Samstag beim Auslaufen noch gefehlt. Nach dem kräftezehrenden 1:0 im Viertelfinale gegen Frankreich und vor dem Giganten-Duell gegen Brasilien war Regeneration angesagt. "Einfach ausruhen, wenig machen, abschalten", gab Kapitän Philipp Lahm als Motto bis Dienstag aus. So fuhren beim Training am Samstag einige Spieler locker Fahrrad, die anderen liefen entspannt um den Platz. Zudem stand Gymnastik und Dehnen im Mittelpunkt. Auch am Sonntag stand Regeneration im Campo Bahia an. Den Samstagnachmittag hatte Löw wie bisher immer nach den Spielen frei gegeben. Auch die Frauen und Familien durften zu Besuch kommen und über Nacht bis Sonntagfrüh bleiben. Am Samstagabend hatte ein gemeinsames Essen stattgefunden. Entgegen der bisherigen Gepflogenheiten fliegt der DFB-Tross diesmal erst Montag nach Belo Horizonte, "um mehr Zeit zur Regeneration zu haben", wie Teammanager Oliver Bierhoff betonte. Bislang war die Mannschaft immer schon zwei Tage vor den Spielen von Porto Seguro aus abgeflogen.

Kolumbien, Viertelfinale: Kolumbiens Fußball-Nationalspieler Juan Zúñiga hat nach seiner folgenschweren Attacke gegen Brasiliens Neymar Morddrohungen erhalten. Der 28-Jährige wurde in den sozialen Netzwerken zudem als "Monster" und "größter Verbrecher in der Fußball-Geschichte" bezeichnet. Zúñiga hatte Neymar in der 88. des WM-Viertelfinalspiels gegen den Gastgeber (1:2) mit dem Knie und voller Wucht im Lendenwirbelbereich getroffen. Der Spieler vom FC Barcelona erlitt eine Fraktur eines Querfortsatzes, für den 22-Jährigen ist die WM vorzeitig beendet. "Ich wollte ihn nie verletzen", sagte Zúñiga bereits dem brasilianischen TV-Sender Globo: "Wenn ich auf dem Feld stehe, tue ich alles, um mein Land und das Trikot, das ich trage, zu verteidigen - aber immer ohne die Absicht, jemanden zu verletzen."

Fifa, Ticket-Skandal: Der Fußball-Weltverband FIFA hat im Zuge des Ticket-Schwarzmarkt-Skandals insgesamt 141 Karten untersucht. Dabei handelt es sich um 131 für die WM 2014, 6 für die WM 2010 in Südafrika und 4 für den Confed Cup 2013 in Brasilien. Von den WM-Tickets gehören 71 zum Hospitality-Bereich, 59 zum normalen Kartenkontingent und eine dem Kontingent des brasilianischen Verbandes CBF an. Dies gab FIFA-Marketing-Direktor Thierry Weil am Samstag auf einer Pressekonferenz bekannt. "Ich habe mich mit der Polizei und anderen Autoritäten getroffen. Wir werden sie voll unterstützen. Wir hatten Zugriff auf die Tickets und können die Besitzer zurückverfolgen", sagte Weil. Nicht Teil der FIFA-Ermittlungen war laut Weil Humberto Mario Grondona, der Sohn des Senior Vize-Präsidenten der FIFA, Julio Grondona (Argentinien). "Die Tickets, die wir gescannt haben, hatten seinen Namen nicht, von keinem FIFA-Offiziellen. Er ist nicht Teil der Untersuchung", betonte der Direktor: "Soweit ich weiß, ist kein FIFA-Mitarbeiter von der Polizei verhört worden." Natürlich habe man mit dem Grondona-Sohn gesprochen, als sein Name aufgetaucht sei, "das ist doch klar". Es gebe zwei Versionen, so Weil: "Die Karten wurden verkauft und verteilt. Verschenken wäre kein Problem, man darf auch den regulären Preis verlangen. Nur nicht deutlich mehr."

Fifa, Disziplinarkommission: Der Fußball-Weltverband Fifa wird die Szene, die zum WM-Aus von Brasiliens Neymar geführt hat, unter die Lupe nehmen. Die Disziplinarkommission wird die Szene analysieren, teilte die Fifa mit. Der 22-jährige Neymar hatte am Freitag im Viertelfinale gegen Kolumbien (2:1) einen Bruch des Querfortsatzes des dritten Lendenwirbels erlitten. Der Stürmer des FC Barcelona war in der 88. Minute von seinem kolumbianischen Gegenspieler Juan Zuñiga mit dem Knie am Rücken getroffen worden. Ob es sich bei dem Vorfall um ein Foul oder ein Versehen gehandelt hat, soll nun eine Untersuchung klären. Unterdessen kündigte der brasilianische Fußball-Verband CBF an, die Möglichkeit einer juristischen Klage gegen Zuñiga zu prüfen.

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