Fußball-WM:Chile protestiert sich ins Verderben

WM-Qualifikation: Bolivien - Chile

Hat am grünen Roulette-Tisch zurzeit mehr Glück als auf dem grünen Rasen: Arturo Vidal vom FC Bayern enttäuschte mit Chile in Bolivien.

(Foto: dpa)
  • Argentinien und Chile, die Finalisten der Copa América, müssen fürchten, die WM in Russland zu verpassen.
  • Chile hatte vergangene Woche gegen die Wertung des 0:0 gegen Bolivien protestiert - doch auch Konkurrent Peru profitierte davon.
  • Alexis Sánchez (FC Arsenal) und Bayern-Profi Arturo Vidal deuten an, dass sie die Nationalelf bald verlassen wollen.

Von Javier Cáceres

Es gibt vieles, was Chilenen und Argentinier trennt; angefangen mit der lange Andenkette, die gleichsam die Grenze darstellt. Es gibt aber auch einiges, was ihnen gemeinsam ist; manches davon ist strukturell, anderes konjunkturell. Zurzeit haben sie vor allem dieses gemein: Ihr Fußball ist dem Gesetz Murphys unterworfen, und das lautet bekanntermaßen wie folgt: "Alles, was schiefgehen kann, wird auch schiefgehen."

Beide Teams standen in den Jahren 2015 und 2016 in den Endspielen der Copa América, es siegte jeweils Chile; bei der Weltmeisterschaft 2014 in Brasilien waren die Chilenen das Überraschungsteam, während die Argentinier im Finale von Rio de Janeiro immerhin gegen Deutschland verloren. Das alles scheint bloß noch welke Erinnerung zu sein. In der Qualifikationsrunde für die WM 2018 in Russland läuft es für die beiden theoretisch stärksten Teams des amerikanischen Subkontinents so suboptimal, dass man meinen könnte, sie tanzten einen Tango ins Verderben.

Für die Argentinier reichte es am Dienstagabend (Ortszeit) gegen Venezuela, ein Fußball-Entwicklungsland, bloß zu einem 1:1, und das auch nur deshalb, weil der einst beim MSV Duisburg aktive, gebürtige Schweizer Verteidiger Rolf Feltscher (54. Minute) ins eigene, also venezolanische Tor traf. Fünf Minuten zuvor hatte Jhon Murillo bei einem der wenigen Konter die Führung für Venezuela erzielt. Venezuela hatte damit als abgeschlagener Tabellenletzter 18 Tore erzielt, zwei mehr als Argentinien.

"Zu wem sollen wir nur beten?", jammerte die Sportzeitung Olé am Mittwoch in gigantischen Lettern auf dem Titelblatt, forderte dann aber auf Seite zwei doch professionelle Hilfe. Ein Psychologe solle die Spieler auf die Couch legen, ihre Köpfe seien blockiert. Die Argentinier stehen nach dem Remis in der Südamerikagruppe auf dem fünften Tabellenplatz, und der eröffnet immerhin noch die Option einer Playoff-Runde mit Neuseeland (das sich im Ozeanien-Finale gegen die Salomon-Inseln durchsetzte).

"Die Lage ist kompliziert", sagte Trainer Jorge Sampaoli, der in bisher vier Spielen keinen einzigen Sieg einfahren konnte. Und es war ihm kein Trost, dass für Chile die Lage noch schwieriger ist. Denn nach der 0:1-Niederlage im bolivianischen La Paz (das heißt: auf 3400 Meter Höhe) sind die Chilenen nur Tabellensechster. Und das liegt kurioserweise auch daran, dass sich ein Sieg am grünen Tisch als Bumerang erwies. Murphys Gesetz, wie gesagt.

Die verflogene Freude über einen juristischen Sieg

Vergangene Woche hatte der Internationale Sportgerichtshof Cas einen erfolgreichen Einspruch der Chilenen gegen die Wertung des 0:0 aus dem Hinspiel in Santiago bestätigt. Die Chilenen hatten protestiert, weil Bolivien einen gebürtigen Paraguayer namens Nelson Cabrera eingesetzt hatte, der nicht hätte auflaufen dürfen. Cabrera hatte nach seiner Einbürgerung nicht die vorgeschriebene Frist von fünf Jahren in Bolivien residiert.

Die Freude über den juristischen Sieg ist in Chile nun verflogen, weil eben nicht nur die Chilenen nachträglich einen Sieg gegen Bolivien zugesprochen bekamen - sondern auch die Peruaner, gegen die Cabrera ebenfalls gespielt hatte. Anders als die Chilenen hatten die Peruaner ihr Spiel gegen Bolivien aber verloren. Nun zogen sie, dank der unerwarteten Punkte aus dem Urteil und dank eines 2:1-Siegs in Ecuador, in der brutal umkämpften Südamerika-Tabelle ausgerechnet an Chile vorbei. Anders gesagt: Hätte Chile nicht (erfolgreich) protestiert, läge Peru wegen des schlechteren Torverhältnisses hinter Chile.

Dort kreisten die Debatten derweil wieder mal um Alexis Sánchez (FC Arsenal) und Bayern-Profi Arturo Vidal. Beide deuteten an, dass sie die Nationalelf bald verlassen wollen. "Es macht einen müde, wenn dich alle am Boden sehen wollen", klagte Sánchez, und Vidal setzte eine Botschaft ab, die sich wie ein Epilog auf seine Karriere las: "Mir bleiben noch zwei Spiele und eine WM, danke für all die Zuneigung in all diesen Jahren!!!!", schrieb Vidal. Doch die Gefahr, dass er die WM verpasst, ist angesichts der verbleibenden Aufgaben real: Die beiden Spiele sind Anfang Oktober gegen Ecuador und in Brasilien. Argentinien wiederum muss am letzten Spieltag in die dünne Luft von Quito (2800 Meter) und empfängt zuvor Peru - die einzige Mannschaft, die Argentinien jemals eine WM-Qualifikation (1970) vermasselte.

Auf eine Wiederholung der Geschichte hoffen vor allem die schon qualifizierten Brasilianer, sie kamen in Kolumbien zu einem 1:1. Dabei zog nicht nur der Bayern-Zugang James die Blicke auf sich, er überzeugte nach seiner einmonatigen Pause (Muskelbündelriss). Star des Abends war ein streunender Hund, der kurz vor der Pause aufs Feld lief und Kolumbien derart aus dem Tritt brachte, dass Willian (FC Chelsea) in der Nachspielzeit der ersten Halbzeit mit einem Traumtor Brasiliens Führung erzielte. Radamel Falcao glich aus, als der Wauzi die sozialen Netzwerke erobert hatte, im realen Leben aber im Zwinger gelandet war.

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