Fußball:Wie die USA den Glauben an Jürgen Klinsmann verloren

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  • Jürgen Klinsmann ist nicht mehr Nationaltrainer der USA. Das Team rutschte nach dem 0:4 gegen Costa Rica auf den letzten Platz seiner WM-Qualigruppe.
  • In jüngster Vergangenheit kritisierten einzelne Spieler öffentlich ihren Trainer.
  • Sein Nachfolger wird Bruce Arena, der das Team bereits von 1998 bis 2006 betreut hat.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Sie haben dann doch noch gewartet, bis er zurück in den USA war. In der vergangenen Woche war Jürgen Klinsmann noch in Berlin, und dinierte mit Kanzlerin Angela Merkel und Barack Obama. Bei der Abendrunde war auch Fußball ein Thema. Der scheidende US-Präsident erwähnte Klinsmanns jüngste Pleite, das 0:4 in der WM-Qualifikation gegen Costa Rica. Obama: "Ist nicht so gut gelaufen in Costa Rica, oder?" Darauf Klinsmann: "Nein, Mr. President - lief gar nicht gut." Seit Montagabend ist es für Jürgen Klinsmann nun endgültig gelaufen. Der US-Fußballverband entließ ihn als Nationaltrainer. Zu ungewiss sind die Aussichten, mit ihm noch die WM-Endrunde 2018 in Russland zu erreichen.

Einige Tage vor der 0:4-Blamage gegen Costa Rica hatten Klinsmanns Kicker bereits unglücklich 1:2 gegen Mexiko verloren. In ihrer WM-Qualifikationsgruppe sind sie aktuell auf dem letzten Platz. "Entwicklung und aktuelle Form haben uns davon überzeugt, dass wir einen anderen Weg einschlagen müssen", sagte Verbandspräsident Sunil Gulati: "Wir haben deshalb beschlossen, uns vom Trainer und Technischen Direktor Jürgen Klinsmann zu trennen." Die eindeutige Botschaft zwischen diesen eher freundlichen Zeilen: Sie glauben beim US-Verband nicht mehr daran, dass Klinsmann diese Mannschaft und den amerikanischen Fußball versteht.

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0:4 gegen Costa Rica - so hoch haben US-Fußballer seit 1957 nicht mehr in der WM-Qualifikation verloren. Trainer Klinsmann gehen die Argumente aus.

Bei seinem Amtsantritt am 29. Juli 2011 wirkte Klinsmann wie ein optimistischer Visionär aus dem Silicon Valley: Er wollte die US-Elf unter den besten acht Nationen der Welt etablieren, eine spektakuläre Spielweise entwickeln und den Verband derart revolutionieren, dass die besten Kicker der Welt nicht mehr nur in Europa oder Südamerika ausgebildet werden, sondern auch in den USA.

Recht schnell bildeten sich bei der Beurteilung von Klinsmanns Arbeit zwei Lager, deren einzige Gemeinsamkeit darin bestand, der jeweils anderen Fraktion komplette Ahnungslosigkeit zu unterstellen. Das gipfelte vor zwei Jahren in der hitzig geführten Debatte, wie das Abschneiden der Amerikaner bei der WM 2014 zu interpretieren sei: War es das glorreiche Entkommen der so genannten Todesgruppe mit Deutschland, Portugal und Ghana, das dramatische Ausscheiden im Achtelfinale gegen Belgien und das Entfachen einer nie erlebten Fußballbegeisterung in diesem Land? Oder war es eine eher ernüchternde Vorstellung mit einem Sieg, einem Unentschieden und zwei verdienten Niederlagen?

Solche Diskussionen gab es häufig in den vergangenen fünf Jahren: War der Titelgewinn beim Gold Cup 2013 ein zu erwartender Erfolg bei einem zweitklassigen Ländervergleich? War das Resultat zwei Jahre später (Platz vier) eine Blamage? War das Abschneiden bei der Copa América Centenario in diesem Jahr (Platz vier) ein ordentliches Ergebnis oder vielmehr der Hinweis, dass der Abstand zur Weltspitze eher größer geworden ist? Wer hat genug Ahnung von Fußball, eine allgemein gütige Antwort darauf zu geben?

Es gab diese Debatten natürlich auch, weil Klinsmann, das kennen auch die Anhänger der deutschen Nationalelf und die des FC Bayern, immer wieder mit ungewöhnlichen Entscheidungen polarisierte: Er nahm Landon Donovan, eine heilige Kuh des amerikanischen Fußballs, nicht mit zur WM nach Brasilien - Klinsmanns Sohn Jonathan sorgte mit einem peinlichen Twitter-Eintrag ("HAHAHAHAHAHAH DONOVAN HAHAHAHAA") für zusätzliche Aufregung. Er wechselte scheinbar willkürlich taktische Formationen und schickte Akteure auf Positionen, auf denen sie noch nie zuvor gespielt hatten. Er lud kritische Spieler wie Benny Feilhaber ("Er nominiert nicht die besten Spieler. Ich weiß nicht, warum das so ist - ob er ihre Gesichter nicht mag oder sie hässlich findet") einfach nicht mehr ein.

Bei Niederlagen kritisierte Klinsmann die Schiedsrichter wie nach dem Gold Cup 2015 ("Sie hatten einen großen Einfluss auf den Ausgang") oder seine Spieler wie nach der Pleite im März gegen Guatemala: "Ich kann doch auch nichts dafür, wenn ich Anweisungen auf eine Tafel schreibe und die dann nicht befolgt werden." Sich selbst kritisierte Klinsmann nur dann, wenn er explizit dazu aufgefordert wurde. Im März etwa sagte er: "Ich hinterfrage mich immer, auch nach Siegen. Aber ich übernehme die Verantwortung - das ist kein Problem, falls Sie das hören wollen."

So was allerdings können die Amerikaner überhaupt nicht leiden, ob sie nun Ahnung vom Fußball haben oder nicht: Scheitern ist in Ordnung, das Abwälzen eigener Fehler jedoch gilt als Charakterschwäche. In der vergangenen Woche wehrten sich einige Akteure dagegen, andauernd als Sündenböcke für Niederlagen herhalten zu müssen. Als Mittelfeldspieler Michael Bradley nach der Niederlage gegen Mexiko von Klinsmanns Kritik ("Wir sind im Mittelfeld nicht in die Zweikämpfe gekommen") hörte, da sagte er: "Wir hätten in der ersten Halbzeit eine klare taktische Marschroute gebraucht." Die klare Botschaft: Diese Mannschaft versteht diesen Trainer nicht mehr.

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Von Jürgen Schmieder

Verbandspräsident Gulati präsentierte am Dienstagabend sogleich einen Nachfolger für Klinsmann: Bruce Arena, der die US-Elf schon von 1999 bis 2006 betreut hat und derzeit Trainer des MLS-Klubs Los Angeles Galaxy ist, kehrt als Trainer zurück. "Wenn wir zur jetzigen Zeit die möglichen Kandidaten für das Amt des Männer-Auswahltrainers begutachtet haben, dann stand Bruce an der Spitze der Liste", sagte Gulati. Es ist eine Rückkehr zu jener pragmatischen Fußballkultur, der sie beim US-Verband gerne entfliehen möchten - aber auch eine Rückkehr zum bislang erfolgreichsten Trainer.

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