Fußball: Wettskandal:Die Risikogruppe Fußball

Der Prozess um den Fußball-Wettskandal bringt immer neue Details zu Tage. Schon in der A-Jugend soll manipuliert worden sein. Dieses Geschäftsfeld liegt auf der Hand.

Thomas Kistner

Zäh zieht er sich dahin, der Bochumer Fußballwettprozess, liefert aber mit jedem Prozesstag neue Einblicke in das halbseidene Umfeld, das gleich jenseits der Spielfeldmarkierungen beginnt. Hatte das Publikum zuletzt manches zu einschlägigen Torhüter-Fragen gelernt - über Profis mit Sehschwäche bei Flutlicht wurde gefachsimpelt und sogar über Pläne, einen Ballfänger einfach auszuknocken, um dessen Ersatzmann in ein Regionalliga-Team zu befördern - so lenkte der Montag den Blick auf ein anderes, bisher nur schwach beleuchtetes Aktionsfeld.

Jahresrueckblick 2005: Fussball-Wettskandal

Wetten gehört scheinbar zum Fußball: Schon nach dem Hoyzer-Skandal 2005 protestierten einige Zuschauer mit Plakaten wie diesem: "Top die Wette stinkt."

(Foto: ddp)

Nicht mal die Fußball-Jugend wird verschont von der globalen Zockermafia, an Asiens Wettmärkten kann man auf alles wetten, selbst auf die Nachwuchsteams im sternenfernen Ostwestfalen. Gleich vier U-19-Spieler von Arminia Bielefeld sollen 2009 in fragwürdige Vorgänge verstrickt gewesen sein.

Was in gewissem Sinne auf der Hand liegt: Warum sollten Wettbetrüger eine lukrative Kombi-Wette rund um ein locker erworbenes Jugendspiel verschmähen, wenn hier die Anreize doch viel preiswerter zu setzen sind als beispielsweise bei arrivierten Erstligaprofis, die sechsstellige Monatsgehälter nach Hause schleppen?

Auf diese Systemlogik verwies jetzt explizit der Verdächtige Mario C. Diese besonders leicht zu inszenierende Betrugsvariante lässt sich nur vermeiden, indem Nachwuchsspiele gar nicht gewettet werden dürfen. Da will man übrigens gar nicht wissen, wer ganz vertraulich von solchen Tipp-Gelegenheiten Gebrauch machen könnte rund um die Fußballhoffnungen von morgen.

Bochum öffnet den Blick auf die Risikogruppe Fußball. Jedenfalls für den Publikumsteil, der das Zocker-Knowhow nicht aus all den Wett-Foren kennen, wo Seh-, Fang-, Finanz- und sonstige Schwächen von Profikickern rauf und runter diskutiert werden. Zudem sind Fußballer ja oft selbst begeisterte Spieler, es gilt, chronische Monotonie zwischen Trainingsfron und Spielen zu bekämpfen.

Da wechseln, am Spieltisch unter Sportskameraden, flott kleine, große oder sehr große Beträge den Besitzer; Spielsucht zählt zu den Berufskrankheiten. Wo steter Orts- und Klubwechsel Teil des Geschäfts ist, findet sich der Anschluss an neue Kollegen am besten in der Zockerrunde.

Vielleicht sollten die Verantwortlichen verstärkt auf diese Systemprobleme achten. Gewiss, Sportverbände können nicht Wettbetrügern und Geldwäschern das Handwerk legen. Doch tritt ja nun - neben den merkantilen Bezügen des Industriebetriebs Fußball zur Zockerbranche - auch die selbstgewählte Nähe immer deutlicher zutage.

Die Bochumer Ermittler hatte es bei ihrer Arbeit lange Zeit vermieden, die Verbände in den neun betroffenen Ländern einzuweihen. Dabei dürften sie sich etwas gedacht haben.

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