Fußball-Weltverband:Ungeeignet für den Job

Der Europarat fällt ein desaströses Urteil über Chefermittlerin Rojas. Die Südamerikanerin habe selbst Bezüge zu fragwürdigen Figuren.

Von Thomas Kistner

Was macht eigentlich Maria Claudia Rojas? Immerhin ist die Kolumbianerin eine Schlüsselfigur für die Fußball-WM 2018 in Russland. Als Chefermittlerin des Fifa-Ethikkomitees obliegt ihr die Prüfung, ob der auf Lebzeit bereits von allen Olympia-Events verbannte Witalij Mutko noch tragbar ist als Cheforganisator der Fußball-WM 2018. Russlands Fußballboss spielt eine zentrale Rolle in der Staatsdoping-Affäre. Die Fifa eiert wie üblich zum heiklen Thema herum, sie hat aber ihre Hausethiker für zuständig erklärt: Rojas. Und die hüllt sich in Schweigen.

Aussitzen und diskrete Fluchtwege sondieren, so agiert die Fifa in der Doping-Affäre bisher. In der geht es auch um Fußball; Russland-Sonderermittler Richard McLaren vermutet sogar ein eigenes Betrugsprogramm nur für die Kicker des Landes. Sein Report listet 155 Verdachtsfälle auf, dabei ist der ganze WM-Kader 2014 für Brasilien. Doch Fifa-Boss Gianni Infantino sieht nicht einmal die Notwendigkeit, bei dieser WM die Wada-Fahnder zuzulassen. Was andere Weltverbände längst tun.

Die Europäer wollen die Geschäfte des Fußballs selber überwachen

Von Infantino hat die angeknockte Fifa keinen Imagewandel zu erwarten, das entlarven auch seine Personalrochaden. Handstreichartig setzte er alle unabhängigen Kontrolleure matt, zuletzt bugsierte er die Chefs der Ethikkammern ins Abseits, Cornel Borbely (Schweiz) und Hans-Joachim Eckert (München). Die Männer, die Sepp Blatter und Michel Platini zu Fall brachten, wurden durch Rojas und den griechischen Richter Vassilis Skouris ersetzt. Wobei die zentrale Rolle der Verwaltungsjuristin zufällt: Sie müsste ja Verfahren anstoßen.

Doch Rojas tat bisher nichts Nennenswertes. Und nun wird ihre Eignung substantiell angezweifelt: Der Europarat moniert ihre Berufung im Zuge einer soeben präsentierten Fifa-Untersuchung. Erstellt wurde der Report von Anne Brasseur, vormals Präsidentin der Parlamentsversammlung des Europarats (Pace), er mündet in einen heiklen Antrag an die EU-Gremien. Geschaffen werden soll eine unabhängige Aufsichtsstelle "für die gute Geschäftsführung im Fußball, mit Betonung auf Ethik und integre Wahlen". Der Pace-Kulturausschuss sieht hohen Handlungsbedarf, um Systemprobleme des Fußballs mit "fragwürdigen Drähten zur Spitzenpolitik, Korruption, finanziellem Fehlverhalten, Steuerhinterziehung und anderem" in den Griff zu kriegen. Fußball dürfe keine gesetzlose Zone sein, heißt es in der Erklärung. Der Bericht wird im Januar im Straßburger Parlament verhandelt. Die Europarat-Untersuchung trifft desaströse Einschätzungen zu Infantinos Amtsführung und zu Chefermittlerin Rojas. Deren Berufsvita als Verwaltungsjuristin lasse sie als ungeeignet für finanzielle und strafrechtliche Ermittlungen erscheinen. Auch spreche Rojas weder Deutsch, Englisch noch Französisch, in diesen Sprachen sind aber die meisten Arbeitsakten gehalten. Sie sei auf Übersetzer angewiesen und, "viel problematischer: Sie hängt viel mehr von der Hilfe des Fifa-Sekretariats ab". Das dürfte Hinweisgeber abstoßen. Haarsträubend ist eine andere Feststellung: Rojas habe selbst Bezüge zu fragwürdigen Figuren im Fußball. Unklar sei, ob das für Integritäts-Checks zuständige Fifa-Komitee "ordnungsgemäß über die freundschaftliche Bande von Frau Rojas zu Herrn Bedoya informiert war, Ex-Fifa-Vorstand und Präsident des kolumbianischen Verbandes" FCF. Die Vorgänger Rojas hatten Luis Bedoya lebenslang gesperrt, im New Yorker Fifagate-Prozess räumte er eine Reihe von Kriminaldelikten ein. Und Rojas dementierte nun in der New York Times: Bedoya und sie seien "keine Freunde".

Erstaunlich. Rojas selbst hatte 2014 im Zuge einer Klage, die Bedoyas FCF gegen eine Behörde vor ihrem Gericht geführt hatte, Befangenheit wegen der Freundschaft zum FCF-Chef erklärt. Laut Gerichtspapier von April 2014 wurde ihr Antrag abgewiesen mit der Begründung, dass aus "einfacher Freundschaft keine tiefen Gefühle von Affinität und intimer Nähe abgeleitet werden können, die die erforderliche Unparteilichkeit beeinträchtigen" könnten.

In diesem Milieu bewegt sich Infantinos Fifa-Reform. Mark Pieth, der das Projekt 2012 initiiert hatte, sieht die Fifa nur noch als "Lachnummer". Im Zürcher Tagesanzeiger erinnert der Basler Compliance-Experte nun daran, dass Infantino ja auch den Fifa-Governance-Chef Miguel Maduro entfernt habe. Maduro, Ex-Generalanwalt am Europäischen Gerichtshof, hatte im April Russlands Fußballzar Mutko von der Wiederwahl für den Fifa-Rat ausgeschlossen. Heftig rügt der Pace-Report Infantinos Regime. Gegen die Regeln agiere der Präsident als Chef des "Makro- wie des Mikromanagements". Die von ihm als Generalsekretärin berufene Senegalesin Fatma Samoura stehe nur abseits: Man "hoffe, dass sie ihre Position langsam stärken und die erforderliche Ämtertrennung bewirken kann, die bisher nicht existiert". Die Hoffnung ist wohl vergebens. Infantinos nächster Coup, Samouras Absetzung als Generalsekretärin, ist wohl nur eine Frage der Zeit; die Branche erwartet, dass spätestens zur WM Marco Villiger den Job erhält. Der langjährige Chefjustiziar, der so viele Geheimnisse der Fifa kennt.

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