Fußball-Weltverband nach Blatter-Rücktritt:Wie es bei der Fifa weitergeht

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Die Fifa-Zentrale in Zürich - wer regiert hier als nächster Präsident?

(Foto: AFP)

Sepp Blatter ist weg, nun soll ein "Reformprogramm" her, überwacht von einem Interimschef. Dann kommt ein neuer Mann. Womöglich einer, der Blatter nützt.

Von Saskia Aleythe, Martin Anetzberger und Lisa Sonnabend

Warum ist Blatter zurückgetreten?

Was Sepp Blatter letztlich zum Rücktritt als Fifa-Präsident bewogen hat, weiß nur er selbst. Auf der kurzfristig organisierten Pressekonferenz ließ er so gut wie nichts über seine Motive verlauten. "Zwar habe ich das Mandat der Mitglieder, aber es fühlt sich nicht so an, als hätte ich das Mandat der gesamten Fußballwelt", sagte er im Hinblick auf seine erneute Wahl. Die Fifa benötige eine tiefgreifende Umstrukturierung. Er habe hart für Reformen gekämpft, "aber ich kann das nicht alleine machen". Dieses Statement lässt Raum für Spekulationen.

Wie der amerikanische TV-Sender ABC News und die New York Times berichten, steht der 79-Jährige nun selbst im Fokus der Ermittlungen von FBI und US-Staatsanwaltschaft. Es wird also eng für Blatter. Bereits am Dienstag war Blatters Generalsekretär Jérôme Valcke ins Visier geraten. Und damit indirekt Blatter selbst, denn ihm als Präsidenten oblag laut Fifa-Statuten die "Kontrolle des Generalsekretariats".

Diese Version hat Blatters Tochter Corinne Blatter-Andenmatten in der Zeitung Blick umgehend dementiert. Sein Schritt habe "gar nichts mit den kursierenden Anschuldigungen zu tun", sagte sie. Er habe vielmehr seine Familie schützen wollen. Was sich Blatter durch seinen Rücktritt jedenfalls ersparte, ist eine Reise zur am Samstag beginnenden Frauen-WM in Kanada. Gut möglich, dass die federführenden amerikanischen Ermittler ihn im Nachbarland nicht vollkommen unbehelligt gelassen hätten. So kann er nun in seiner verbleibenden Zeit im Amt in Zürich ein paar Dinge in Ordnung bringen.

Was wird Valcke vorgeworfen?

Er soll eine Schmiergeldzahlung zwischen Südafrika und der Karibik über die Fifa abgewickelt haben. Zehn Millionen Dollar sollen 2008 von der Fifa auf ein Konto des Concacaf, also des nord- und mittelamerikanischen Verbandes, überwiesen worden sein, im gleichen Zeitraum hatte der Generalsekretär einen Brief der südafrikanischen Regierung erhalten, in dem es um versprochene zehn Millionen für ein "Diaspora Legacy Programme" ging - eine Unterstützung der afrikanischen Diaspora in der Karibik.

Chef des Concacaf war damals Jack Warner, gegen den die US-Behörden ebenfalls ermitteln. Er soll im Gegenzug für die Zahlungen bei der Wahl für den WM-Gastgeber 2010 für Südafrika gestimmt haben. Die Fifa dementierte, dass Valcke die Überweisung autorisiert hat, räumte aber bereits ein, dass er von der Überweisung wusste. Als Generalsekretär ist er laut Fifa-Statuten für alle "administrativen Geschäfte" des Weltverbandes verantwortlich.

Wie geht es mit der Fifa weiter?

Blatter wird noch bis mindestens Dezember Präsident der Fifa bleiben. In den letzten Monaten seiner Amtszeit kommt Domenico Scala, Chef der Audit-Kommission, eine Schlüsselposition zu. Er soll Blatter zufolge nun ein "signifikantes Reformprogramm" auf den Weg bringen und wird außerdem die Wahl des Nachfolgers leiten. Die Wahl soll auf einem außergewöhnlichen Fifa-Kongress zwischen Dezember 2015 und März 2016 stattfinden.

Wer ist Domenico Scala?

Einer, der sich mit Geldgeschäften auskennen müsste: Seit 2012 leitet er die Fifa-Compliance-Kommission, die die Geschäfte des Weltverbandes überwacht - und darauf achten soll, dass alles sauber vonstatten geht. Die Ungereimtheiten, die die US-Behörden entdeckt haben, sind ihm allerdings nicht aufgefallen. An korrupte Vorgänge in der Fifa glaubt Scala nicht: "Sie werden in der Fifa niemanden finden, der Fehlverhalten toleriert."

Unbescheiden sagte Scala zu seiner Berufung: "Unter den gegenwärtigen Umständen ist das der verantwortlichste Weg, einen geordneten Übergang zu gewährleisten." Scala ist 1965 in Basel geboren, hat aber auch einen italienischen Pass. Vor seiner Zeit bei der Fifa arbeitete er als Manager bei einem Dentalunternehmen, war außerdem für Nestlé und Roche tätig.

Wer wird neuer Präsident?

Nur wenige Minuten nach dem Blatter-Rücktritt gab es erste Bewerbungen für das Präsidentschaftsamt. Der ehemalige französische Nationalspieler David Ginola möchte antreten, Brasiliens Zico kann es sich ebenso vorstellen. Auch Prinz Ali bin al-Hussein kündigte an, dass er für Neuwahlen bereitstehe. Der Jordanier war beim Kongress in Zürich als Kandidat der Uefa angetreten, hatte jedoch gegen Blatter verloren. Bei der Neuwahl werden die Europäer aber wohl nicht noch einmal auf den blassen Jordanier setzen, sondern einen eigenen Kandidaten ins Rennen schicken. Wer dies sein könnte? Interessant ist, wie sich Uefa-Chef Michel Platini in den kommenden Tagen verhält, Interesse an dem Posten als Fifa-Chef hat er mehrmals bekundet. Auch Luís Figo oder Michael van Praag könnten ins Rennen gehen. Die Konkurrenz ist jedoch nicht zu unterschätzen.

Blatter selbst wird die kommenden Monate nutzen, um einen Nachfolger aufzubauen, der die Fifa in seinem Sinne weiterführt - und nicht zu viel in der Vergangenheit forscht. In den vergangenen Monaten brachte Blatter immer wieder einen Funktionär von den Kaimaninseln als seinen Nachfolger ins Gespräch. Das Problem: Jeffrey Webb wurde vergangene Woche im Zuge der US-Ermittlungen festgenommen. In Blatters Sinne könnte nun sein, dass der mächtige Scheich Ahmad al Fahad al Sabah für das höchste Amt im Weltfußball kandidiert. Der Kuwaiter sitzt zwar erst seit vergangener Woche im Fifa-Exekutivkomitee. Doch Chancen werden ihm durchaus eingeräumt: So gut wie al Sabah ist kaum einer vernetzt im Weltsport.

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