Fußball-Weltverband:Cas statt Ethikkammer

Michel Platini

Strippenziehen für die globale Macht: Uefa-Chef Michel Platini wäre gerne Chef des Weltverbandes Fifa.

(Foto: Georg Hochmuth/dpa)

Der Uefa-Chef Michel Platini strebt offenbar einen Strategiewechsel an, um noch ein Kandidat der Fifa-Präsidentenwahl zu werden.

Von Thomas Kistner

Sepp Blatter hat sich zu Wort gemeldet, kürzlich gab er ein recht klägliches Bild ab in der Rundschau des Schweizer Fernsehens. Zittrig und fahrig wehrte er allerlei Vorwürfe ab, die Weltentrücktheit des suspendierten Fußballchefs gipfelte in einer neuen Jobbeschreibung: Er, Blatter, sei ja gar "nicht Funktionär der Fifa, ich bin der vom Kongress gewählte Präsident". Woraus er folgerte, über dem Ethik-Recht zu stehen: Ihn könne nur der Kongress absetzen, "der mich gewählt hat".

Die originelle Compliance-Interpretation des Nicht-Fifa-Funktionärs Blatter, der den Weltverband 34 Jahre lang in Spitzenämtern geführt hat, entlarvt die Denkart des 79-Jährigen: Was auch passiert, den Daumen über ihn senken können nur die 209 Mitgliedsverbände - deren Mehrheit er qua Amt allzeit im Griff hätte. Relevante Fußballnationen wie Deutschland, Spanien oder Frankreich haben selbst zu viele einschlägige Probleme, als dass sie den Finger auf ihn richten könnten. Und die zahllosen Klein- und Kleinstverbände von Guam über Vanuatu bis Guinea wollen wohl kaum ganz genau wissen, in welcher Klemme der Fifa-Boss steckt. Der Mann, dessen Fifa sie stets so großzügig zu versorgen pflegte, ohne allzu akribisch zu prüfen, wo die Fördergelder hinwanderten.

Blatter wähnt sich über den Statuten, das ist die Verteidigungslinie im Hinblick auf den anstehenden Prozess vor der Spruchkammer des Ethikkomitees. Dieses lastet ihm und seinem Ex-Getreuen Michel Platini eine Zahlung von zwei Millionen Schweizer Franken an. Platini will das Geld im Februar 2011 als Nachzahlung für seine Tätigkeit als Fifa-Berater von 1998 bis 2002 erhalten haben. Der Betrag taucht aber nirgendwo in den Fifa-Bilanzen auf, auch liegt kein Vertrag vor. Was den Verdacht nährt, dass der Millionentransfer - neun Jahre nach Fälligkeit - aus anderem Grund erfolgt sein könnte. 2011 war ein heißes Wahljahr in der Fifa, weshalb die Ethik-Ermittler der Korruptionsfrage nachgingen. Konkret, ob Blatter mit dem Geld die Hilfe Platinis und von dessen Uefa erwarb. Damals stand er gegen Mohamed Bin Hammam im Ring; der Katarer war Chef des 50 Voten starken Asien-Verbands AFC und hatte beste Drähte ins Lager Afrikas.

Vor einer Woche erhielten die Beschuldigten die Klageschrift

Blatter und Platini bestreiten jedes Fehlverhalten. Den Ethikern reichte nun aber schon ein Interessenskonflikt aus - der liegt offenkundig vor. Anders als bei Korruption, wo es des Leistungsnachweises bedarf, braucht es hier nur eine anrüchige Situation: den Gefallen einerseits, die Position mit Einfluss andererseits. Den Musterfall gibt die Sieben-Jahre-Sperre für Harold Mayne-Nicholls vor: Der Chilene war Chef des Prüferstabes, der die WM-Bewerber 2018/22 abcheckte, als er in Katar nach Trainingsmöglichkeiten für Verwandte anfragte. Der Interessenskonflikt war gegeben und wurde glashart geahndet, obwohl es zu gar keiner Leistung gekommen war. Umso gravierender stufen die Ethiker die Causa Blattini ein: Hier flossen zwei Millionen Franken an Platini, kurz vor Blatters Wiederwahl. Zudem hatte der Franzose erst selbst die Kandidatur erwogen, und Wochen nach der Zahlung seine Uefa auf Pro-Blatter-Kurs bei der Präsidentenwahl eingeschworen. Blatter behauptet nun zum angeblichen Handschlagvertrag mit Platini, alles sei "in unseren Büchern"; er sei aber "nicht der Buchhalter der Fifa". Die Taktik, Verantwortung auf andere zu schieben, hat bei Blatter Tradition. So oder so, in den Büchern wurde nichts gefunden.

Vor einer Woche wurde den Beschuldigten die Klageschrift zugestellt, seitdem ist unklar, ob sie überhaupt noch auf einen raschen Prozess bauen wollen. Platinis Ziel ist ja trotz seiner Suspendierung noch immer, bei der Neuwahl des Fifa-Präsidenten am 26. Februar als Kandidat im Ring zu stehen. Dafür aber müsste er spätestens Ende Januar frei sein, wenn die Traktandenliste für den Sonderkongress erstellt wird - als Suspendierter kann er da gar nicht auftauchen. Insofern schließen Beobachter nicht aus, dass Platini wegen der Aussichtslosigkeit seiner Lage im Ethikverfahren vor Eckerts Kammer auf Zeit spielen könnte - und lieber auf eine vorläufige Aufhebung seiner Suspendierung setzt, die er parallel beim Sportgerichtshof Cas betreibt. Ob dies funktionieren würde, ist indes fraglich: Die Anhörung bei Eckert gilt als Angebot, Anspruch darauf kann nicht erhoben werden. Also könnte der Kammerchef auch auf Basis der Anklage entscheiden. Das ist nicht der einzige Unterschied des Ethikverfahrens zum Strafrecht. Mancher Verteidiger, so hat es den Anschein, tut sich schwer damit.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: