Fußball:Welche Eskapaden Fifa-Präsident Infantino zu Fall bringen könnten

Gianni Infantino

Gianni Infantino ist noch nicht lang das Oberhaupt des Weltfußballverbands - und steht schon wieder enorm unter Durck.

(Foto: dpa)

Im Hauptquartier der Fifa rumort es. Allein ein Familientrip im Privatjet eines Oligarchen könnte geeignet sein, Infantino eine Ethik-Sanktion einzutragen.

Von Thomas Kistner

In Frankreich rollt der Ball, das drängt die Kabalen der Fußballfunktionäre in den Hintergrund. Dass so ein Großturnier problemlos ohne eitle Kostgänger auf den Ehrentribünen auskommt, zeigen diese Wochen. Jedoch sorgt die Fokussierung auf das Geschehen in den Stadien dafür, dass die Amtsträger im Schatten rasant weiterwursteln. Vorneweg der Mann, der bis Ende Februar als Generalsekretär der Europa-Union Uefa fungierte, aber all seine Energien statt in die EM-Vorbereitung in die Fifa-Throneroberung investierte: Gianni Infantino, neuer Chef des Fußball-Weltverbandes.

Nach Lage der Dinge darf der Neue bereits als Noch-Chef gelten. Seit Infantinos Amtsantritt rumpelt und rumort es in der Fifa, aber auch in den Medien, die regelmäßig und in bemerkenswerter Detailfülle die Selbstbedienungs-Mentalität des Patrons ausbreiten. Dabei schießen sie sich auch auf das Gremium ein, das zur Behebung solcher Missstände installiert wurde: das Fifa-Ethikkomitee.

Infantinos Wahl hat die Pläne einer Gruppe altgedienter Spitzenleute torpediert

Publik sind etliche Verfehlungen, die sich Infantino vor allem bei Reisen und Spesen geleistet haben soll, aber auch der Tonbandmitschnitt einer geheimen Fifa-Ratssitzung. Am Wochenende folgte die nächste Welle: Es gibt weitere Abgänge auf der Führungsetage. Dort herrschen anarchische Zustände, auch, weil die Wahl von Infantino die Pläne einer Gruppe altgedienter Spitzenleute um den jüngst geschassten Interims-Generalsekretär Markus Kattner torpediert hatte. Diesem Kreis ist auch Domenico Scala zuzurechnen. Der abgetretene Compliance-Chef hatte üppige Boni-Zahlungen für Kattner ebenso fürsorglich abgesegnet wie den Geldregen für den langjährigen (inzwischen gefeuerten) Generalsekretär Jérôme Valcke. Weil Scala daneben auch Meriten erwarb bei der Kürzung anderer Vorstands-Boni und der Konzeption der Fifa-Reformen, prägt letzteres bis heute die Wahrnehmung. Was sich ändern könnte: Sein ambivalentes Wirken wird von diversen Instanzen geprüft.

Vertragsverlängerung in einer heiklen Phase

Kattner, Valcke und Infantinos Vorgänger Sepp Blatter hatten einander allein über die letzten fünf Jahren Boni von insgesamt 79 Millionen Franken zugeschanzt. Scala war Chef des Kompensations-Komitees, das seit 2013 die Luxus-Deals der hohen Fifa-Kader absegnete. Noch im Mai 2015, Tage nach den ersten FBI-Zugriffen in Zürich und Blatters skandalumtoster Wiederwahl, hatte Scalas Gremium offenbar nichts Wichtigeres zu tun, als Kattners bis 2019 laufenden Vertrag um vier Jahre zu verlängern. In einer so heiklen Phase - und inklusive Goldener-Fallschirm-Klauseln für den Fall des Rauswurfs. Der folgte nur wenige Monate später.

Diese Hintergründe prägen den Grabenkrieg auf dem Zürichberg. Das Gros der brisanten, ans Licht gedrungenen Fifa-Interna in jüngerer Zeit waren in Kattners/Scalas Umfeld bekannt, zum Teil dort aufgelaufen oder initiiert worden. Weshalb besonders auffällt, dass das Thema politisch auf die Ethik-Ermittler zugespitzt wird - der starke Eindruck ist, dass diese und Infantino aufeinander gejagt werden. Ein Crash würde beide Parteien massiv beschädigen, und eine dritte, die im Schatten wirkt, könnte etwas Atem holen.

Unablässig sickern die Interna

Denn die Mühlen der Schweizer Bundesjustiz, die sich für das Salärkartell der alten Fifa-Spitze interessiert, mahlen langsamer als die der Fifa-Ethiker. Auch haben letztere gezeigt, dass sie keine Angst vor großen Namen haben. Sie haben die mächtigsten Patrone der Fußballwelt - Blatter und Uefa-Präsident Michel Platini - gesperrt, es darf erwartet werden, dass sie nun nicht vor einem hemdsärmeligen Emporkömmling auf dem Fifa-Thron einknicken. Welches Interesse sollten sie haben, sich mit dem in Rekordzeit schwer angeknockten Infantino zu verbrüdern?

Unablässig sickern die Interna. Im jüngsten Fall ein Memo, das darlegt, dass Infantino neben dem teuren Dienstwagen ein zweites Auto plus Fahrer bezahlen ließ, was sich im März auf 19 600 Franken addiert haben soll, im April auf 13 500. Kleingeld im Vergleich zur Pflege des präsidialen Hobbys: Ein Gaudi-Kick beim Mexiko-Kongress im Mai mit alten Größen soll die Fifa eine Million Franken gekostet haben. Nebenbei hält der Exodus auf der Führungsetage an, der Chef des internen Reisebüros und der Protokollführer des Generalsekretariats sollen geschasst worden sein.

Das erfuhren erneut mehrere Medien gleichzeitig. Und einheitlich wurde das Info-Paket an die politische Frage gebunden: Worin liegt die Gemeinsamkeit dieser Weggänge? Klar: Die Betroffenen haben - wie Kattner und Scala - dem Ethikkomitee Vorfälle angezeigt, bei denen Infantino angeblich gegen Regeln verstoßen habe. Und damit hätten sie sich, der Schluss wird nahegelegt, selbst ans Messer geliefert. So eine Lesart verfestigt den Eindruck, die Ethiker leiteten Vorwürfe gegen Infantino einfach an diesen weiter - statt sich den ruppigen Schweizer selbst vorzuknöpfen. Ist es so?

Die Fallen lauern überall

Ein Strukturproblem des Gremiums ist, dass es sich nicht explizit äußern darf. Ständig droht Befangenheit, und im intriganten Reizklima rund um die Fifa lauern die Fallen überall. Infantino soll um Vorermittlungen gegen sich wissen, heißt es, und äußerst wütend darüber sein. Dass dem Mann gewisse Unbeherrschtheit eigen sind, lässt sich aus seinem bisherigen Wirken ebenso herauslesen wie der Verdacht, dass er nicht jede Verhaltensregel für sich persönlich als sinnvoll erachtet.

Das führt in den Wirkbereich der Ethiker. Ohne Frage sind Infantinos Eskapaden auf dem Prüfstand, Vorabklärungen laufen. Allein sein Familientrip zum Papst im Privatjet eines Oligarchen könnte geeignet sein, ihm eine Ethik-Sanktion einzutragen. Und die könnte ihn zu Fall bringen. Hinzu sollen weitere Privatflüge im Gesamtwert von bis zu 150 000 Dollar kommen, ermöglicht von Russlands Staatschef Putin und dem Emir von Katar.

Brisant sind aber auch Vorwürfe, die sich gegen die neu berufene Generalsekretärin Fatma Samoura richten und nach SZ-Informationen ebenfalls angezeigt wurden: Die frühere UN-Mitarbeiterin aus dem Senegal war mit Infantino zum Finale der Copa America gereist, angeblich soll sie im Fifa-Reisebüro ein Flugticket für den Gatten gefordert haben.

Inmitten all der Turbulenzen müssen die Ethiker arbeiten. Warum sollten sie sich da ohne Not in Infantinos Hände begeben? Der Fifa-Chef darf mit seinem Vorstand die Komitee-Mitglieder absetzen, die Karte könnte er spielen, falls ihm die Ethiker zu Leibe rücken. Dass letzteres passieren wird, wirkt immer realistischer. Das gilt aber auch für den Kreis um Kattner und Co. - weshalb der Zürichberg noch manche Intrige erleben wird.

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