TSV 1860 München:Verantwortungs-Jo-Jo

TSV 1860 München - 1. FC Union Berlin

"Einer muss ja die Verantwortung übernehmen": Torsten Fröhling.

(Foto: Matthias Balk/dpa)

Dass es beim TSV 1860 weiterhin keine Diskussion über Trainer Fröhling gibt, liegt auch am Machtvakuum im Verein.

Von Philipp Schneider

Am Mittwoch war kalendarischer Herbstanfang in Deutschland. Astronomen machen den Moment des Sommerendes daran fest, dass Tag und Nacht exakt gleich lang dauern und die Sonne den Äquator überquert, um sich allmählich in Richtung Südhalbkugel aufzumachen. Fußballfreunde erkennen den Herbstbeginn auch daran, dass sich immer mehr Klubs von ihren Trainern trennen, in der Hoffnung, dass sich ihre Mannschaften doch noch irgendwann in Richtung Nordseite der Tabelle aufmachen. In der zweiten Liga entließ Union Berlin schon im Spätsommer Norbert Düwel, pünktlich zum Herbstbeginn verabschiedete sich Kosta Runjaic beim 1. FC Kaiserslautern. Beide Klubs standen in der Tabelle zum jeweiligen Zeitpunkt besser da als der TSV 1860 München, bei dem Torsten Fröhling auch nach dem 1:1 gegen den SV Sandhausen vom Dienstagabend weiterarbeiten darf.

"Fröhling ist unser Trainer und kriegt das Maximum an Zeit", sagte Noor Basha nun der Sport-Bild, der ja nach dem Rücktritt des ehemaligen Präsidiums um Gerhard Mayrhofer zum Geschäftsführer ernannt worden war. Und dass es im Bauch des Löwen offenbar nicht einmal eine Trainerdiskussion gibt, ist sogar schlüssig. Denn wer sollte denn Fröhling infrage stellen? Sportdirektor Necat Aygün, der vor wenigen Wochen noch für Fröhling gescoutet hat? Geschäftsführer und Marketingexperte Markus Rejek, der mehrfach betont hat, die Organisation des sportlichen Bereichs gerne anderen zu überlassen? Oder gar Basha, der Cousin von Investor Hasan Ismaik, der nach seiner zumindest für den Rest der Welt überraschenden Beförderung gerade die erste Saison in Verantwortung erlebt?

Am Mittwoch sitzt Torsten Fröhling im Pressestüberl an der Grünwalder Straße. Soeben hat er eine Weile über das Unentschieden gegen Sandhausen geredet, als er gefragt wird, wie die Saison wohl gelaufen wäre, hätte die Sportliche Leitung im Sommer auch nur einen einzigen seiner Wunschspieler verpflichtet. Fröhling lacht kurz auf, dann sagt er: "Das kann man nie sagen, wie es dann gelaufen wäre." Immerhin sei es ja so: Milos Degenek habe er auch sehr gerne verpflichten wollen, als sich die Gelegenheit ergab. Und warum, wird Fröhling also weiter gefragt, weist er die Verantwortung für die Zusammenstellung des Kaders im Sommer nicht deutlicher von sich? "Einer muss ja die Verantwortung übernehmen." Dann lacht er wieder.

Es ist schon ein beachtliches Machtvakuum, in das sich 1860 nach dem Fastabstieg der Vorsaison manövriert hat. Positiv formuliert ist es ein branchenunüblicher Schulterschluss zwischen Trainer und Vorgesetzten, der sich beobachten lässt. Ein Zusammenrücken des "inneren Kreises", so hat es Fröhling schon vor Wochen genannt. Doch wie lang kann sich Sechzig noch verbarrikadieren vor den Realitäten der zweiten Liga?

Im Heimspiel gegen Leipzig droht der Ausfall aller Innenverteidiger

Zumal die Probleme zunehmen: Am Mittwoch hat der Trainer die nächsten Nachwuchsspieler aus der U21 zu den Profis geladen. Die Innenverteidiger Felix Weber und Sertan Yegenoglu trainierten am Vormittag mit, beide sind 20. Diesmal allerdings geht es Fröhling nicht um eine Radikalisierung seines Jugendkonzepts; er muss auf die nächsten Verletzungen reagieren; beim Heimspiel gegen Leipzig am Sonntag droht der Ausfall von Sechzigs gesamter Innenverteidigung, auch Stümer Stefan Mugosa ist angeschlagen. Christopher Schindler plagt sich mit einer Dehnung des Innenbands im Knie, Kai Bülow hat bei einem Zusammenprall mit einem Gegenspieler eine leichte Gehirnerschütterung erlitten. Und Mugosa hat sich schon in der ersten Halbzeit den Oberschenkel gezerrt und bis zum Schlusspfiff weitergespielt. "Er hat nichts gespürt, lag wohl am Adrenalin", sagt Fröhling.

Es deutet sich also der nächste Einsatz von Innenverteidiger Rodnei an. Der Brasilianer (der genau wie Michael Lindl kein Wunschspieler von Fröhling gewesen sein dürfte) hatte gegen Sandhausen eine Halbzeit als Ersatz für Bülow aufs Feld gedurft. Defensiv hat er sich dabei mit einigen klärenden Kopfbällen hervorgetan, in der Offensivbewegung war er allerdings kaum aufgefallen. Rodnei habe "einen gewissen Fitnesszustand", sagte Fröhling - was sich ja als ein etwas verunglücktes Lob interpretieren lässt. Zumal der Trainer sich die Option offenhalten möchte, auf ein System mit Dreierkette umzustellen. Ein wagemutiges Projekt. Und eine ambitionierte Aufgabe für eine Mannschaft, die sich nach nur vier Punkte in acht Spielen längst im Abstiegskampf befindet.

"Wir müssen uns da was überlegen", sagt Fröhling. "Sonst schmeißen wir den Weber rein, wie im letzten Jahr schon die anderen Jungen."

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