Fußball-Uefa-Cup:Fußball ist Mathematik

Beim 5:1 über Aberdeen rotiert Bayern-Trainer Hitzfeld erfolgreich. Angreifer Lukas Podolski bedankt sich mit zwei Toren.

Andreas Burkert

Sehr entspannt und mit einem ,,Bis morgen, zwölf Uhr'' schlenderte Ottmar Hitzfeld hinaus in die Nacht, über dem linkem Arm seinen Mantel tragend. So sieht jemand aus, der auch gegen Ende des Monats Februar immer noch drei Titel gewinnen kann und der auf dem Weg dorthin soeben reichlich Kräfte gespart hatte. 5:1 (2:0) siegte der FC Bayern am Donnerstag im Zwischenrunden-Rückspiel gegen den FC Aberdeen und zog damit locker ins Achtelfinale des Uefa-Cups ein.

Fußball-Uefa-Cup: Lukas Podolski spielte gegen Aberdeen stark und erzielte beim 5:1 zwei Treffer.

Lukas Podolski spielte gegen Aberdeen stark und erzielte beim 5:1 zwei Treffer.

(Foto: Foto: AP)

"Ich bin im Großen und Ganzen zufrieden, natürlich kann man noch das ein oder andere verbessern. Aber wenn man so viele Spiele und einen ausgezeichneten Kader hat, darf man sich auch nicht scheuen, mal ein Risiko einzugehen'', sagte Hitzfeld, für den dieser Abend auch einen Triumph über die eigene Vergangenheit darstellte.

Dreieinhalb Monate ist es ja nun her, dass die Bayern mit einem verbalen Eigentor ihren Trainer beschädigten und diesen letztlich zum Abschied nach Saisonschluss drängten. Fußball sei keine Mathematik, hatte Vorstand Rummenigge genölt nach dem 2:2 gegen Bolton (2:2), nachdem Hitzfeld zeitig einige seiner Größen (wie den zurzeit verletzten Ribéry) vom Feld geholt und seine Männer darauf eine Führung verspielt hatten.

Hoeneß: "Vom Spiel und Ergebnis her eine Gala"

Den Mathelehrer Hitzfeld traf dies damals schwer, denn er wollte ja in dem eher bedeutungslosen Gruppenspiel nur seine Leistungsträger für die Liga schonen. Gegen Aberdeen nun hat sich Hitzfeld wortlos revanchiert, denn vor dem Heimduell am Sonntag mit dem HSV schonte er mehrere Stammkräfte, was den sicheren Aufstieg in den nächste K.o.-Runde dennoch nicht gefährdete. Dort treffen die Bayern übrigens auf den Sieger des Duells Bordeaux - Anderlecht (bei Redaktionsschluss dieser Ausgabe nicht beendet), ,,und das wird sicher schwieriger'', sagte Manager Uli Hoeneß nach einer Vorstellung, die er ,,vom Spiel und Ergebnis her eine Gala'' nannte.

Den markantesten Tausch nahm Hitzfeld im Sturm vor, wo Podolski den Kollegen Klose ersetzte. Eine Maßnahme, die durchaus Sinn ergab. Denn Klose wirkte zuletzt überspielt, und wenn nicht gegen einen vermeintlich chancenlosen Außenseiter - gegen wen sonst sollte er dem Nationalspieler Podolski Spielanteile einräumen? Anstelle des leicht angeschlagenen Schweinsteiger lief zudem das 18-jährige Talent Kroos auf, im Zentrum stabilisierte Ottl für den pausierenden Routinier Zé Roberto die Defensive.

Podolski war es jedoch, der früh zur Geltung kam. Und zu Torchancen. Nach einer Flanke von Lúcio ließ Toni den Ball elegant von seiner breiten Italienerbrust abtropfen - und Podolski zog volley und mit all seiner Schussgewalt ab. Ein Tor des Monats wäre das geworden, mindestens, doch der Prämierung stand leider die Querstange im Weg (2.).

Dass sich Podolski im Training nicht hängen lässt und vielmehr konzentriert auf seine Chance wartet, wie er das ja im Winter angekündigt hatte, belegte er eine Viertelstunde später: An der Seitenlinie behauptete er robust den Ball, passte kurz zurück und sprintete flugs in die Spitze, auf dass ihn dort ein direktes Zuspiel erreichte; und dies kam wirklich, Podolski behauptete sich abermals und spielte in höchster Bedrängnis quer zum heraneilenden Altintop. Der Türke scheiterte zwar an Gäste-Keeper Langfield, und doch hatte Podolski in dieser Szene erhebliche Fortschritte in seinem Bewegungsablauf dokumentiert.

Die ersten Treffer erzielten freilich zwei Herren, die fürs Toreverhindern fürstlich entlohnt werden. Lúcio und Daniel van Buyten firmieren jedenfalls in München als Verteidiger und wagen sich nur bei Standards in den gegenüberliegenden Strafraum. So auch gestern Abend. Zur Führung traf Lúcio mit einem Freistoß, bei dem sich Langfield nur kurz überlegen konnte, ob er einen Handgelenksbruch in Kauf nimmt oder doch eher das 0:1. Das Unterbewusstsein des Schotten entschied sich offenbar für die sportliche Demütigung, den mit Urgewalt getretenen Ball des Brasilianers ließ er jedenfalls an seinem rechten Handschuhe vorbei unter die Latte zischen (17.). Beim 2:0 hob Kroos, Spezialist des ruhendes Balls, einen Freistoß an die Fünf-Meter-Linie, wo van Buyten trotz der Gefahr für seine Langhaarfrisur seine Stirn hinhielt und einköpfte (36.).

Die Partie galt damit natürlich als entschieden, denn dass den erneut ersatzgeschwächten Schotten wie im Hinspiel zwei oder gar mehr Tore gelängen, war nun so wahrscheinlich wie ein Freistoßtor von Oliver Kahn. Der Bayern-Torwart verlebte in seinem Revier lange einen recht geruhsamen Abend, nur beim einzigen Konter Aberdeens über Mackie sah sich Kahn zu einer Flugeinlage genötigt (24.). Ansonsten war bis zur Halbzeit nicht viel zu sehen von Aberdeens Teenagern Walker und Aluko, die vor einer Woche auf der Insel für gehöriges Aufsehen gesorgt hatten mit ihren Toren.

Die 1b-Ausgabe kontrolliert den Gegner

Ihrem Team fehlte im Rückspiel neben dem Glauben an die Überraschung wohl vor allem das technische Vermögen, sicher aus der Abwehr und/oder in die Spitze zu kombinieren. Erst nach Wiederbeginn nistete sich Aberdeen einige Male in der Münchner Hälfte ein, wo Hitzfeld nun häufiger vergebens nach Lúcio Ausschau hielt; der aufgedrehte Innenverteidiger, vor dem Halbzeitpfiff noch mit einem Pfostentreffer auffällig, tendierte diesmal zur Hauptrolle in der Offensive.

Dies eröffnete Aberdeen selbstredend Möglichkeiten, und hätte sich Mackie bei seinem Abseitstor (56.) nicht tatsächlich bei der Ballabgabe auf irregulärem Terrain befunden - Rummenigge hätte vermutlich oben in seinem Logensitz nervös das Rechnen begonnen. So kontrollierte die 1b-Ausgabe der laufstarken Bayern unter den lauten Gesängen der mehr als 6000 schottischen Besuchern die Partie.

Der beifallumrauschte Abgang des diesmal unauffälligen Toni nach einer guten Stunde bildete dann den Auftakt des stimmungsvollen Kehraus, bei dem auch Podolski zu seinem Recht kam: Nach einem von Langfield unzureichend abgewehrten Schuss des eingewechselten Klose setzte er nach und hämmerte den Ball ins Netz (71.). Per Kopfballaufsetzer glückte ihm sogar noch das 4:0 (77.), dem von Aberdeens Fans stürmisch bejubelten Ehrentreffer Lonells (83.) ließ Mark van Bommel einen strammen Flachschuss zum Endstand (85.) folgen. Und draußen saß Ottmar Hitzfeld, er freute sich. Denn diesmal ist Fußball auch Mathematik gewesen.

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