Fußball: Streit im DFB:Merkel als Friedensengel

Wenn sich die Politik in den Fußball einmischt: Ein Treffen mit der Kanzlerin ebnet den Weg der Einigung zwischen der DFB-Spitze und Bundestrainer Joachim Löw.

Thomas Kistner

Das Wunder von Frankfurt - dieser verblüffend schnelle, mit reumütigen Selbstanklagen garnierte Burgfrieden unter den Spitzenvertretern des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) und der Nationalmannschaft - hat einen Tag danach einen Namen erhalten: Angela Merkel. Am Mittwochabend empfing die Bundeskanzlerin DFB-Präsident Theo Zwanziger, Generalsekretär Wolfgang Niersbach, Bundestrainer Joachim Löw und den Nationalteam-Manager Oliver Bierhoff (nebst Assistenztrainer Hans Flick und dem DFB-Südafrika-Emissär Horst R. Schmidt) an ihrem Berliner Amtssitz.

Fußball: Streit im DFB: Der Draht zwischen Angela Merkel und Theo Zwanziger - hier während der Fußball-WM 2006 - ist kurz.

Der Draht zwischen Angela Merkel und Theo Zwanziger - hier während der Fußball-WM 2006 - ist kurz.

(Foto: Foto: dpa)

Dort wurde nicht dementiert, dass der demonstrative öffentliche Schulterschluss der zerstrittenen Fußballoberen am Vortag mit dem Termin auf höchster nationaler Ebene zu tun hatte; tatsächlich glühten bereits am Montag die Drähte zwischen Frankfurt und Berlin.

Da hatte sich DFB-Chef Theo Zwanziger eingedenk des prekären Personalstreits bei Kanzleramtschef Ronald Pofalla gemeldet, mit der Bitte, die Kanzlerin zu beruhigen: "Sie lesen das ja sicher auch alles in den Zeitungen, da gibt es ein paar Unstimmigkeiten bei uns. Aber die haben wir bis Mittwoch gelöst - die Kanzlerin soll sich keine Sorgen machen."

Der Geist der Regierungschefin als Friedensstifter: Gründe für Besorgnis auf höchster Ebene gab es ja zu dem Zeitpunkt genug. Am vergangenen Wochenende, bei der Gruppenauslosung zur EM 2012 in Warschau, war der interne Verbandsstreit um Vertragsverhandlungen, gesteuerte Medienkampagnen und Ultimaten in eine dramatisch offenkundige Zerrüttung zwischen Zwanziger/Niersbach und Bierhoff/Löw gemündet. Am Sonntagabend hatte DFB-Generalsekretär Niersbach mit Bundestrainer Löw gar ein Sondierungsgespräch geführt, das er bei der Pressekonferenz am Dienstag im folgenden Tenor widergab: "Was sind wir für Hornochsen, dass wir uns der Öffentlichkeit so präsentieren - als zwei feindliche Lager!"

Hornvieh im Kanzleramt, das hätte noch gefehlt. Nun stand aber der Empfang bei Merkel schon seit gut vier Wochen fest, wie Zwanziger sagt, die Initiative zum gemeinsamen Abendessen war wie schon 2006 vor der WM im eigenen Land von der Kanzlerin ausgegangen. Insofern drohte nun die Gefahr, dass just im Kanzleramt die Verbands- zur Staatsaffäre ausufern würde.

Denn Fußballfreundin Merkel hätte ja am Mittwochabend mit den beiden verfeindeten Lagern vor die Öffentlichkeit treten müssen, wobei die Kanzlerin unweigerlich in die Rolle einer Richterin oder Schlichterin gedrängt worden wäre. Keine verlockende Aussicht, zumal es auch abseits des Rasens genug Problemfelder für die Regierungschefin gibt.

Auf der nächsten Seite: Was neben dem Merkel-Termin noch eine wichtige Rolle für die schnelle Einigung spielte - und was Zwanziger der Kanzlerin im Falle eines Scheiterns gesagt hätte.

Kein Wort zu Teammanager Bierhoff

Zwanziger sagte der SZ am Mittwoch, er habe sich aufgrund der Situation in der Verpflichtung gefühlt "zu sagen, Frau Bundeskanzlerin, wir hatten zwar in der letzten Zeit keine sehr harmonische Struktur, doch wir werden am Mittwoch ganz entspannt bei Ihnen erscheinen".

Allerdings räumt der DFB-Chef auch ein, dass der Merkel-Termin im Falle eines Scheiterns wohl geplatzt wäre. Zwanziger: "Dann hätte ich wieder mit der Kanzlerin telefoniert und ihr gesagt: Das müssen Sie wissen, wir sind nicht zu einer Einigung gekommen." Nach SZ-Informationen soll sich allerdings auch Berlin selbst in die verfahrene Gemengelage eingeschaltet haben.

So oder so, die Anschubhilfe aus Berlin hilft erklären, warum sich die DFB-Kombattanten bei ihrer Pressekonferenz am Dienstag so intensiv selbstkritisch gaben - dass sich Sportfunktionäre mit so klaren Selbstbeschuldigungen öffentlich kasteien wie am Dienstag, hat Seltenheitswert. Und vor allem hat es den Weg geebnet, dass die Bundeskanzlerin am Mittwochabend Freude über die schnelle Einigung bekunden konnte.

Seine eigene Freude darüber bekräftigte am Mittwoch auch Verbandschef Zwanziger. Wiewohl er die hohe Eilbedürftigkeit des Burgfriedens nicht nur mit dem Merkel-Termin verknüpfen wollte. "Diese Einigung war nötig. Nach Warschau musste ich schnell mit den Helden sprechen, es wäre unverantwortlich gewesen, diese Sache noch länger hinauszuziehen." Das Vertrauensverhältnis zu Bundestrainer Joachim Löw, erklärte Zwanziger am Mittwoch, sei aus seiner Sicht "zu hundert Prozent wieder hergestellt". Und: "Gern auch über die Weltmeisterschaft hinaus."

Kein Wort indes zu Teammanager Oliver Bierhoff, was alle Spekulationen über die Zeit nach der Südafrika-WM offen lässt. Während erste Medienreaktionen nach dem Franfurter Friedensschluss schon bei Löw herausgehört haben wollten, er sei für die Zeit nach der WM zu Bierhoff auf Distanz gegangen, erklärt der Bundestrainer seine Position zu dieser Frage so: "Oliver Bierhoff wird nach der WM der Erste sein, mit dem ich am Tisch sitze, um zu beraten, wie es für uns weitergeht und was wir wollen."

Zu dieser Frage hat sich Merkel am Mittwoch aber nicht zu äußern brauchen. Das dürfte sie erleichtert haben.

Im Video: Bundeskanzlerin Merkel erhält ein signiertes WM-Trikot 2010 aus den Händen von DFB-Präsident Zwanziger und Bundestrainer.

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