Fußball: Strafe für Togo:Die Toten zählen nichts

Weil Togos Nationalelf nach einem tödlichen Attentat vom Afrika-Cup abreiste, wird sie nun vom Verband gesperrt. Die Spieler sind empört - zurecht.

Johannes Aumüller

Zynischer geht es nicht mehr: Der afrikanische Fußballverband (Caf) hat tasächlich Togo für die beiden nächsten Afrika-Cup-Austragungen gesperrt und zu 50.000 Dollar Geldstrafe verdonnert - weil sich die Politik unerlaubterweise in die Belange des Fußballs eingemischt habe, als sie anordnete, dass die Nationalmannschaft Togos vom Afrika-Cup abreisen müsse.

Fußball: Strafe für Togo: Spieler der togoischen Nationalmannschaft nach dem Überfall.

Spieler der togoischen Nationalmannschaft nach dem Überfall.

(Foto: Foto: AFP)

Hauptsache, die Regeln werden eingehalten. Hauptsache, der Sport wahrt seinen Schein der politischen Unabhängigkeit. Die Schüsse, die Verletzten, die Toten - das alles zählt nichts.

Dabei geht es um schlimme Momente, die Togos Nationalspieler nie mehr vergessen werden. Wie während ihrer Anreise zum Afrika-Cup in Angola auf einmal eine bewaffnete Rebellengruppe ihren Mannschaftsbus attackierte. Wie die Schüsse durch die Fensterscheiben krachten. Wie die Spieler und ihre Betreuer versuchten, sich unter den Sitzen vor den tödlichen Geschossen zu verstecken. Wie sie 20 Minuten lang im Feuer der Maschinengewehre um ihr Leben fürchteten. Wie sie sich in Tränen aufgelöst um die Verwundeten sorgten. Und wie sie nach einiger Zeit begreifen mussten: Nicht alle von uns haben diesen Angriff überlebt. Drei von uns, der Assistenztrainer, der Pressesprecher und der Busfahrer, sind im Kugelhagel gestorben.

Doch als die Spieler diese schrecklichen Geschehnisse noch gar nicht richtig begriffen hatten, noch während sie um die Toten trauerten und noch während im Krankenhaus Ärzte um das Leben von Verwundeten kämpften, mussten sie eine wichtige Frage beantworten: Wie geht es nun weiter? Kann und soll Togo wie geplant am Afrika-Cup teilnehmen oder nicht?

Es gibt für solche Fragen in solchen Momenten keine Musterlösungen. Es gibt kein richtig oder falsch, und entsprechend debattierten auch die Mannschaft und ihr Umfeld.

Zuerst wollten die Spieler unbedingt abreisen, dann wollte ein Teil von ihnen doch antreten. So gingen die Argumente hin und her, bis Togos Premierminister Gilbert Houngbo eine dreitägige Staatstrauer und ein Machtwort sprach: "Die Mannschaft muss abreisen und sofort nach Togo zurückkehren. Wenn Spieler oder andere Personen während der Eröffnungsfeier unter der Flagge Togos stehen, repräsentieren sie nicht unser Land."

Mit diesem Satz hätte die Debatte beendet sein können. Togo fährt nach Hause, die anderen 15 qualifizierten Länder spielen einen Afrika-Cup-Sieger aus - fertig. Doch dem war nicht so. Statt in der Folgezeit Trauer und Mitgefühl zu zeigen, bewiesen die Fußballfunktionäre zum wiederholten Mal, dass Sensibilität für sie ein Fremdwort ist. Zuerst glabuten die Organisatoren des Afrika-Cups, Togo nach der Abreise unbedingt formal disqualifizieren zu müssen; nun folgte die Zwei-Jahres-Sperre.

Dass sich die Welt des Sports Interventionen aus der Politik grundsätzlich verbittet, ist ihr gutes Recht und eine sinnvolle Haltung. Dass sie diesen Ansatz selbst des Öfteren mit Füßen tritt - oder netter formuliert: im Umgang damit eine gewisse Flexibilität an den Tag legt -, gehört allerdings auch zur Wahrheit. Es ist schlichtweg unverständlich, warum der afrikanische Fußballverband im Falle Togo so wild entschlossen ist, seine Regularien durchzupeitschen. Drei Menschen sind gestorben, da müsste es eigentlich egal sein, ob die Mannschaft, der Premierminister oder der Papst den Turnierrückzug beschließt.

Die togoischen Spieler jedenfalls reagieren empört über die Entscheidung des Caf - und das zurecht. "Wir sind Fußballer, auf die geschossen wurde. Und nun dürfen wir kein Fußball mehr spielen", sagt Angreifer Thomas Dossevi. "Als wir nach Hause gefahren sind, um drei Tage zu trauern, haben sie gesagt, sie seien in Gedanken bei uns. Und nun bestrafen sie uns."

Dossevi fordert seinen nationalen Verband auf, gegen die Sperre in Berufung zu gehen. Die Öffentlichkeit hätte Togo sicherlich auf seiner Seite. Es dürfte interessant sein zu sehen, wie in einer solchen Situation der Weltfußballverband reagiert. Die Fifa unter ihrem Chef Sepp Blatter gehört zu den Sportorganisationen, die das Nichteinmischungsgebot für die Politik gerne verkünden - doch kann sie diese Haltung auch im Fall von Togo aufrecht erhalten?

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