Fußball:"Sie lieben das Spiel"

Indische Jugend Fußballer

Die indischen Jugendlichen, die in Bad Aibling trainieren, sollen ihre Fußballbegeisterung irgendwann in ihrer Heimat weitergeben - als Trainer, Manager, Physiotherapeuten oder Medienschaffende.

(Foto: oh)

Eric Benny hat indische Jugendfußballer nach Bad Aibling gebracht. Dort sollen sie lernen - nicht nur, um Profis zu werden.

Von Christian Bernhard

Kurz vor Weihnachten hat Marco Materazzi einige seiner Fußballer zum Weinen gebracht. Der italienische Weltmeister von 2006, der mittlerweile als Trainer tätig ist, freute sich über die feuchten Augen, denn es waren Freudentränen. Sein Klub, der Chennaiyin FC, hatte sich den Titel in der indischen Super League (ISL) gesichert, im Finale bezwang er den FC Goa um Trainer Zico und Ex-Bayern-Verteidiger Lucio. Materazzis Trainerkollegen Roberto Carlos und Nicolas Anelka waren bereits zuvor aus dem Rennen gewesen.

Eric Benny hat das logischerweise verfolgt, der 37-jährige Inder spielte einst selbst für sein Heimatland und war später Manager der indischen Nationalmannschaft. Vom Hocker gerissen haben ihn die großen, alten Namen aber nicht; er würde das Geld lieber in die Jugend investieren, statt in die Jahre gekommene Fußball-Größen noch einmal mit Geld zuzuschütten. Indien sei ein "schwieriges Fußballland", erzählt Benny, weshalb es für ihn zwei Möglichkeiten gebe: "Entweder ich sage: Mein Land kotzt mich an. Oder ich sage: Ok, kein Problem, wir ändern das."

Benny hat sich für das Zweite entschieden - und er geht dieses Projekt in Bayern an. Er hat neun indische Jugendfußballer, darunter zwei U19-Nationalspieler, in einer Fußballakademie in Bad Aibling untergebracht, wo sie zwei Jahre lang deutsches Fußball-Know-how aufsaugen sollen. Im vergangenen Sommer hatte er die U17-Nationalmannschaft seines Landes, die im kommenden Jahr Gastgeber der U17-Weltmeisterschaft ist, für ein Trainingslager nach Bad Aibling vermittelt. Benny bastelt in der bayerischen Gegenwart an der indischen Fußballzukunft.

Der 37-Jährige ist ein Macher, einer der begeistern und mitreißen kann. Vor seiner Zeit als Manager der indischen Nationalmannschaft war er in seiner Heimat bei Weltkonzernen tätig, im indischen Fernsehen tritt er als Kommentator und Experte auf. Sevala Naik, der Leiter des indischen Generalkonsulats in München, bezeichnet ihn als "meinen Freund". Bennys Traum ist es, den ersten indischen Fußballprofi in eine der großen Ligen Europas zu bringen. Indien ist trotz seiner rund 1,3 Milliarden Einwohner ein Fußball-Entwicklungsland, im Moment belegt es Platz 166 in der FIFA-Weltrangliste - eingeklemmt zwischen Liechtenstein und den Cook-Inseln. Für eine Weltmeisterschaft hat es sich noch nie qualifiziert. Trotzdem ist die Fußball-Euphorie am Ganges groß, der Sport wird sehr emotional gelebt. Sevala Naik sieht im Fußball "enormes Potenzial", dieses soll bis zur U17-WM 2017 weiter ausgeschöpft werden.

Als Kind hat Benny Lothar Matthäus bewundert, in Deutschland ist er mit seinem Projekt aber in erster Linie deshalb gelandet, da die Bundesrepublik über die "größte Anzahl von Lizenz-und Jugend-Trainern" verfüge. Bad Aibling soll seine erste und letzte Station in Deutschland sein, ein ähnliches Projekt läuft bereits seit 2012 in Zusammenarbeit mit dem französischen Erstligisten FC Metz. Bennys Vision ist langfristig, er spricht von "fünf, acht, zwölf Jahren", in denen das Projekt in Deutschland wachsen soll. Dabei soll es nicht nur Spieler, sondern auch zukünftige Trainer und Manager hervorbringen. "Ich wäre ein Idiot, wenn ich nur Spieler produzieren wollen würde", sagt er. Zwei der neun indischen Jungs seien technisch nicht die besten, erzählt er, "aber sie lieben das Spiel."

Diese Fußball-Liebe sollen sie irgendwann in ihrer Heimat weitergeben - egal ob als Trainer, Manager, Physiotherapeuten oder Medienschaffende. "Wer von auswärts nach Indien kommt und im Fußball arbeitet, macht seinen Job, erzieht unsere Leute aber nicht", sagt Benny. Seine Jungs sollen ihre Erfahrungen aus Europa später mit Herz und Leidenschaft an ihre Landsleute weiterreichen.

Der europäische Fußball hat Indien nicht nur wegen Materazzi, Lucio oder Roberto Carlos im Blick, der indische Markt ist aufgrund seines riesigen Potenzials mittlerweile auch für Bundesligaklubs interessant. Es sei für ihn einfach, mit Erstligisten in Kontrakt zu treten, sagt Benny, "jeder will nach Indien". Mit Dortmund etwa habe er bereits gesprochen. So gut das auch klingt: Benny findet, dass die Bundesliga-Leistungszentren nicht der ideale Ort für seine Jungs sind. Wer sich dort nicht durchsetzen kann, fällt durch das Sieb - genau das will er aber vermeiden: "Wenn einer rausfällt, bekommt er bei uns trotzdem eine Ausbildung und Praxiserfahrung". Benny stellt sich das so vor: Wenn einer der Inder es beispielsweise bei Unterhaching nicht schafft, soll er es in Rosenheim probieren. "Es ist besser, mehrere Optionen zu haben", findet er. Ob der Traum vom ersten indischen Bundesligaprofi in Erfüllung geht, wisse er nicht, "aber warum sollen wir es nicht probieren?" Ihn würde es auch glücklich machen, wenn es einer der jungen Spieler in die dritte oder vierte deutsche Liga schaffen würde. Eines ist für ihn aber jetzt schon klar: "Sie werden als Botschafter Deutschlands nach Indien zurückkommen."

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